
Corona-Krise Lateinamerika verliert 34 Millionen Jobs
Schon vor der Coronakrise war die wirtschaftliche Lage in vielen Ländern Lateinamerikas schwierig - umso härter trifft es sie jetzt. 34 Millionen Menschen haben durch die Pandemie ihre Jobs verloren. Immer mehr leben in Armut.
Mindestens 34 Millionen Menschen in Lateinamerika und der Karibik haben wegen der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 ihre Jobs verloren. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in der peruanischen Hauptstadt Lima vorstellte.
Der Bericht beruht auf Daten aus neun Ländern mit zusammen mehr als 80 Prozent der Gesamtbevölkerung der Region. Die UN-Organisation warnte vor einer beispiellosen Krise der Arbeitsmärkte und "einem drastischen Schrumpfen von Erwerbstätigkeit, Arbeitszeit und Einkommen." Noch Anfang August hatte die ILO die Zahl der verlorenen Arbeitsplätze in der Region auf 14 Millionen geschätzt.
Geringe Produktivität und Schwarzarbeit
Den aktuellen Trend nannte der für Lateinamerika und die Karibik zuständige ILO-Direktor Vinícius Pinheiro "eine beispiellose Herausforderung." Die betroffenen Länder müssten unverzüglich Strategien entwickeln, um das Problem anzugehen. Die Region kämpfe mit Strukturproblemen wie geringer Produktivität, Einkommensungleichheit und einem großen Anteil von Personen, die unter dem Radar der Behörden arbeiteten, sagte Pinheiro.
Lateinamerika und die Karibik sind dem Bericht zufolge die Weltregionen mit dem größten prozentualen Rückgang bei Arbeitszeit und Arbeitseinkommen. Die Beschäftigungsquote - der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung - fiel demnach im ersten Quartal dieses Jahres auf einen "historischen Tiefstand" von 51,1 Prozent. Im Vergleich zur ersten Hälfte des Vorjahres sei dies ein Rückgang um 5,4 Prozentpunkte in der Region mit rund 600 Millionen Einwohnern.
Vor allem junge Menschen und Frauen betroffen
Manche der Jobverluste seien temporär. Erste Informationen aus dem dritten Quartal deuteten zudem eine Erholung an. Die Pandemie habe bestehende Ungleichheiten jedoch verschlimmert. Dies könne sich auch in einer Erholung fortsetzen, hieß es von der ILO. "Das Defizit an formeller Arbeit wird noch deutlicher werden für bestimmte Arbeitgruppen wie junge Menschen, Frauen und Erwachsene mit niedrigeren Qualifikationen."
In Lateinamerika liegen einige Länder, die weltweit bisher mit am meisten unter der Corona-Krise gelitten haben. Brasilien und Mexiko etwa sind unter den vier Ländern mit den meisten Todesfällen. Zu den neun Staaten mit den meisten Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 gehören Brasilien, Kolumbien, Peru, Argentinien und Mexiko.
Argentinien rutscht tiefer in die Armut
Die Statistikbehörde in Argentinien meldete unterdessen am Mittwoch eine starke Zunahme der Armut in dem Land. In dem einst reichen Staat leben demnach inzwischen 40,9 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. Das sind 5,5 Prozentpunkte mehr als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres. 10,5 Prozent der Menschen leben laut der Behörde in extremer Armut - 2,8 Prozentpunkte mehr als im Vergleichzeitraum ein Jahr zuvor.
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen, hatte die Regierung bereits Mitte März recht strenge Ausgangsbeschränkungen erlassen, die zumindest im Großraum Buenos Aires noch immer gelten. Die harten Restriktionen trafen auch die Wirtschaft, vor allem informell Beschäftigte können seit Monaten nicht ihrer Arbeit nachgehen.
Das wirtschaftlich stark angeschlagene südamerikanische Land steckt seit 2018 in einer Rezession. Die Inflationsrate lag in der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas im vergangenen Jahr bei 54 Prozent. Das Land leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht.
Mit Informationen von Ivo Marusczyk, ARD-Studio Buenos Aires