Fragen und Antworten zum Thema Wenn der Staat die Shopping-Tour sponsert

Stand: 04.12.2008 15:11 Uhr

Im Kampf gegen den Abschwung sucht die Politik nach Wegen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. In der Großen Koalition wächst die Sorge, dass die bisherigen Maßnahmen gegen die Rezession nicht ausreichen. Die SPD etwa diskutiert nun ein umstrittenes Konzept, das mithilfe von Konsumgutscheinen die Binnennachfrage beleben soll.

Von Anna Orth für tagesschau.de

Wie können Konsumgutscheine funktionieren?

Ein Papier des Ökonomen Karl Lauterbach, das in der SPD diskutiert wird, entwickelt folgendes Konzept: Jeder erwachsene Bundesbürger erhält demnach einen Gutschein über 500 Euro. Mit diesem Geld könnte er Lebensmittel und Kleider kaufen oder auch Handwerkerrechnungen begleichen. Banken dürften den Gutschein nicht annehmen, denn das Geld soll nicht auf Sparkonten fließen, sondern in den Konsum. Allerdings gilt der Gutschein erst, wenn die Bürger auch eigenes Geld in die Hand nähmen. Der Gutschein müsste mit einem Eigenanteil von 200 Euro aufgestockt werden. Diese Zuzahlung entfiele für Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger. Auch Kinder und Jugendliche müssten nichts drauflegen. Sie erhielten allerdings lediglich 250 Euro. Innerhalb von acht Wochen könnten die Bürger den Gutschein einlösen. Danach würde er verfallen. Händler und Dienstleister hätten die Möglichkeit, die von den Bürgern eingelösten Gutscheine mit der Steuer zu verrechnen. Für das Gutschein-Modell müsste der Staat nach Lauterbachs Berechnungen 35 bis 40 Milliarden Euro aufbringen.  

Wie sollen diese Gutscheine genau aussehen?

Selbst im Büro von Ideengeber Lauterbach ist man sich nicht im Klaren darüber, wie der Vorschlag zu Konsumgutscheinen praktisch umzusetzen wäre. Doch genau hier liegen einige Probleme. Vorgesehen ist, dass das Finanzamt die Gutscheine an alle gemeldeten Bürger verschickt. Diejenigen allerdings, die nicht beim Amt registriert sind, müssten sich in eigener Initiative darum bemühen. Für die Finanzämter wäre allein die Zuteilung der Gutscheine ein hoher bürokratischer Aufwand, mit dem sie eigene Sachbearbeiter betrauen müssten. Und das für eine einmalige Aktion. Nicht geklärt ist die Frage, in welcher Form die Gutscheine in den Briefkästen der Bürger landen sollen - ob als fälschungssichere Papiergutschrift oder als Magnetkarte. "Die Einlösung der Gutscheine ist wohl eines der Hauptprobleme," sagt Jens Gewinnus vom Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Erst einmal müssten die Händler ein Abrechnungsverfahren entwickeln, mit dem sie zum Beispiel neue Bons ausstellen können, falls ihre Kunden die 500 Euro nicht auf einmal ausgeben wollen. Schließlich müssten die Unternehmen auch die Belege über den Eigenanteil der Käufer aufbewahren. "Das Nachweisrisiko bliebe damit bei den Unternehmen. Viele kleine Betriebe würden sich deshalb sicher drei Mal überlegen, ob sich der Aufwand für sie lohnt", so Gewinnus.

Welche alternativen Modelle werden diskutiert?

Ein weiteres Modell sieht vor, den Bürgern mittels Steuerschecks mehr Geld zukommen zu lassen. Während Konsumgutscheine allen Bürgern zukämen, würden von den Steuerschecks direkt nur die Steuerzahler profitieren. Die FDP zum Beispiel plädiert für diese Form des Konsumanreizes. Im Zuge einer Steuerreform würden die Schecks in einer Art Abschlagszahlung mit der Steuerschuld des kommenden Jahres verrechnet. Was die Steuerzahler mit dem Mehr an Geld anfangen, ob sie es ausgeben oder anlegen, wäre ihnen selbst überlassen. So würde das Geld nicht zwingend in den Konsum fließen. Verfechter dieses Konzepts wollen dadurch Impulse vorziehen, die eine Steuerreform langfristig geben könnte.

Welche Argumente sprechen für Konsumgutscheine?

Die Wirtschaft hat ein Nachfrageproblem, weil vor allem die Bestellungen aus dem Ausland zurückgehen. Die Industrie ordert weniger Waren, Produktionen brechen ein und Investitionen werden zurückgefahren. Arbeitsplätze sind gefährdet. Die Belebung der Binnennachfrage könnte diesen Abschwung abmildern. Befürworter der staatlichen Konsumgutscheine argumentieren, Konsumgutscheine könnten den privaten Verbrauch steigern.

Welche Gegenargumente haben die Kritiker?

Kritiker halten dagegen, dass die Konsumgutscheine lediglich einen Einmal-Effekt hätten. Die kurzfristig positive Wirkung könne den Abschwung nicht wirklich aufhalten, denn nach wenigen Monaten wäre der Impuls verpufft. Dabei kosten den Staat die Einkaufsschecks und Steuererstattungen Milliarden. Wenn der Staat diese Mehrausgaben nicht an anderer Stelle einsparen kann, würde er sich für ein kleines Strohfeuer weiter verschulden.

Welche Erfahrungen machen andere Länder mit Konsumgutscheinen und Steuerschecks?

Nach 2001 und 2007 haben die USA auch Anfang dieses Jahres Steuergutschriften in Milliardenhöhe verteilt. Allerdings wurden diese häufig auch für die Rückzahlung von Kreditkarten- und Hypothekenschulden verwendet. Das heißt, das Geld ist nicht unbedingt in den privaten Konsum geflossen. Der geht derzeit stark zurück.

Spanien hat bereits im Sommer sechs Milliarden Euro als Steuerrückerstattung ausgezahlt. Diese Einmalzahlung hatte allerdings kaum einen Effekt auf das Konsumverhalten der Spanier.

Taiwan will umgerechnet knapp zwei Milliarden Euro ausgeben, um jeden seiner 23 Millionen Bürger mit einem Einkaufsgutschein auszustatten. Die Taiwaner sollen mit ihren 86 Euro-Gutscheinen auf Shopping-Tour gehen. Die Regierung hofft, das Bruttoinlandsprodukt mit den Mehrausgaben im kommenden Jahr um 0,64 Prozent zu steigern.  

Auch Italien plant ein Hilfspaket für seine Wirtschaft. Das sieht unter anderem auch vor, seine Bürger direkt zu unterstützen – mit vier Milliarden Euro. So sind unter anderem Rabattgutscheine für Bedürftige geplant. Rentner, kinderreiche Familien und Geringverdiener sollen mittels staatlich finanzierter Kreditkarten ihre Stromrechnungen begleichen oder Lebensmittel einkaufen können.