Maßnahmen im internationalen Vergleich Reichen zwei Konjunkturpakete?

Stand: 31.03.2009 15:59 Uhr

Als "Madame No" wurde die Kanzlerin gescholten - doch die Konjunkturmaßnahmen der Koalition können sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen - es besteht aber noch Luft zum Nachlegen. Und Draufsatteln wird angesichts des Ausmaßes der Wirtschaftskrise wohl auch nötig sein. Eine Analyse.

Von Thomas Kreutzmann, ARD Berlin

Von Thomas Kreutzmann, HR, ARD–Hauptstadtstudio Berlin

"Madame No" hat man Angela Merkel (CDU) genannt, weil sie sich im vergangenen Herbst beharrlich ausladenden Konjunkturprogrammen verweigert hat. Den Schmähnamen trägt die Kanzlerin nicht mehr. Warum auch? Schließlich hat die Bundesregierung zwei Konjunkturprogramme aufgelegt, die sich nicht nur nach Meinung des Bundesfinanzministers "sehen lassen können". Tatsächlich sind sie mit 3,5 Prozent der deutschen Bruttowirtschaftsleistung bezogen auf zwei Jahre größer als die Programme in Frankreich und Großbritannien. Nur China und Saudi-Arabien übertreffen nach einer aktuellen Studie des Internationalen Währungsfonds die Bundesrepublik bei ihren Ausgaben, um die Konjunktur zu stimulieren und die Wirtschaft zu stabilisieren.

Konjunkturpakte können sich sehen lassen

Die öffentliche Meinung hat Merkel, Steinbrück und Co. also inzwischen dazu gebracht, manche Schippe nachzulegen - aber auch, verschiedene staatliche Maßnahmen unter dem Oberbegriff "Konjunkturpaket" zusammenzufassen, um "Masse zu machen": Das war ein bisschen Etikettenschwindel mit einer recht unzusammenhängenden Ansammlung von Instrumenten. Die müssen aber, jedes für sich, nicht schlecht sein - selbst wenn es dabei auch um den "Kauf von Wählerstimmen" gehen mag, wie die Opposition kritisert.

Kurzarbeit, Abwrackprämie - wirksame Instrumente?

Das gilt vor allem für die staatlich geförderte Ausweitung der Kurzarbeit, die Arbeitgebern und Volkswirtschaft eine wichtige, Monate lange Atempause schenkt - bevor doch noch Entlassungen unvermeidbar sein könnten. Mit den aktuellen Arbeitsmarktzahlen deutet sich an, was ohne dieses Mittel schon längst passiert wäre. Man darf gespannt sein, ob der Londoner G20-Gipfel, der die nationalen Instrumente auswertet, die Kurzarbeit auch anderen Ländern zur Nachahmung empfiehlt.

Wirksam ist aber auch die Abwrackprämie, die im übrigen völlig zu Unrecht offiziell als "Umweltprämie" firmiert. Der ökologische Nutzen ist kaum existent - der ökonomische Nutzen dagegen schon. Denn zum einen befeuert sie den Absatz deutscher Massenhersteller, auch der angeschlagenen Firma Opel, die dadurch das beste Firmenquartal auf dem deutschen Markt seit zehn Jahren hat. Zum anderen stimuliert sie generell die überraschende derzeitige Konsumneigung der Deutschen. Dieser wichtige psychologische Effekt der Abwrackprämie wird meist unterschätzt. Allerdings ist auch er nur ein Tropfen auf den heißen Stein beim chronisch schwachen Binnenkonsum.

Weitere Konsumanreize wünschenswert

Der lässt sich aber nicht durch Mahnungen amerikanischer Professoren beleben - sondern nur durch ein maßvolles Ende der jahrelangen deutschen Lohnzurückhaltung mit einseitiger Fixierung auf die Wettbewerbsfähigkeit bei den Lohnkosten, zugunsten des Exports. Löhne sind jedoch Sache der Tarifpartner - nicht der Regierung. Die könnte aber zugunsten des Konsums "mehr Netto vom Brutto" bei Steuern und Sozialabgaben ermöglichen, über die bereits beschlossenen Schritte wie den Krankenkassenbeitrag hinaus. Doch darauf können sich "Schwarz" und "Rot" derzeit nicht einigen.

Bedeutsame konjunkturelle Anregungen sind auch die erweiterten Kredit- und Bürgschaftsangebote an den Mittelstand sowie das 17-Milliarden-Programm für Bildungsinfrastruktur, Städte- und Straßenbau - wenn endlich der Bundesrat dafür grünes Licht geben würde. Allerdings ist die Bauwirtschaft derzeit noch einigermaßen ausgelastet. Größere Investitionen in schnellerer Schlagzahl wären gar nicht ohne weiteres am Baumarkt umzusetzen.

Staat finanziert alles auf Pump

So gesehen ist die bisherige relative Zurückhaltung bei den Konjunkturprogrammen durchaus sinnvoll - vor allem aber, weil der Staat auch etwas zum Nachlegen braucht. Denn noch stehen wir erst am Anfang der Depression, die 2009 einen wirtschaftlichen Rückgang von 4,5 Prozent bewirken kann - aber auch sieben oder acht Prozent! Und die auch 2010 noch dramatischere Züge annehmen kann. Kann! Nicht muss.

Mit dieser Ungewissheit muss man leben; ebenso mit der, wie viel die staatlichen Bankenrettungs- und Konjunkturmaßnahmen - die sich einschließlich bloßer Garantien und Bürgschaften in Deutschland auf schätzungsweise 700 Milliarden Euro summieren - am Ende wirklich kosten werden. Denn klar ist auch: Das alles finanziert der Staat auf Pump. Und die Rechnung wird den Bürgern später über Steuerhöhungen und weniger staatliche Leistungen präsentiert. Auch deshalb sperren sich Merkel und Steinbrück gegen allzu große Ausgabenpakete zum jetzigen Zeitpunkt. Und vor dem Gipfel betonen ihre Sherpas, dass man in London keinesfalls weitere Hilfspakete erörtern, geschweige denn beschließen werde.

Konjunkturpaket III und IV - nur eine Frage der Zeit

Allerdings glaubt niemand, dass ein Konjunkturpaket III oder IV nicht doch noch kommen wird, wenn sich die wirtschaftliche Lage dramatisch verschlechtern sollte. Bei weiteren Konjunkturpaketen bestünde auch die Chance für stärkere qualitative Impulse. Denn Ansätze eines ökologisch-ökonomischen Umbaus - wie sie Obama in seiner Forschungs-, Wirtschafts- und Bildungspolitik anstrebt - sind in Deutschland nur im Kleinen erkennbar, zum Beispiel in Baumaßnahmen und Wärmedämmung.

Man darf gespannt sein, ob die schwarzrote Koalition dafür Anregungen beim Gipfel in London empfängt: damit Deutschland wirklich gestärkt aus der Krise hervorgeht, wie Spitzenpolitiker schon jetzt allzu vollmundig behaupten. Denn wahrscheinlicher ist, dass Deutschland wie viele andere Staaten am Ende des globalen Finanzfiaskos vor allem mit deutlich mehr Schulden da stehen wird. Der Ruf der Demonstranten "Wir zahlen nicht für Eure Krise!" ist hier nicht mehr als ein Aufschrei wütender Hilflosigkeit.