
Corona und Energieknappheit Die Kultur kämpft sich durch die Krise
Steigende Energiekosten bei sinkenden Zuschauerzahlen - das ist eine explosive Kombination für kleine Theater, Schauspielhäuser und Kinos. Der nächste Akt: Corona im Herbst.
"Die Belastungen der Wuppertaler Bühnen sind zurzeit sehr hoch", sagt Thomas Braus. Seit 2017 ist er Intendant des Schauspiels Wuppertal. Die gestiegenen Heizkosten sind dabei nur ein Teil seiner Probleme. "Die Unterbühnentechnik des Opernhauses wurde durch das Hochwasser 2021 nahezu komplett zerstört" erzählt Braus. "Hinzu kommt, dass wir aufgrund der Inflation und der steigenden Energiekosten der Werkstätten mit weitaus höheren Kosten für die Bühnenbilder rechnen müssen." Bestimmte Bühnenbildentwürfe, die noch vor zwei Jahren möglich gewesen wären, seien heute vollkommen unrealistisch.
Schließungswelle befürchtet
Nicht nur in Wuppertal sei man auf die Unterstützung durch die Politik angewiesen. Auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, fordert finanzielle Hilfe: "Wir laufen, wenn nicht dagegengesteuert wird, auf eine Schließungswelle von Kultureinrichtungen im Herbst und Winter zu", sagt Olaf Zimmermann. In den vergangenen Wintern wurden öffentliche und private Kultureinrichtungen aus Infektionsschutzgründen geschlossen oder stark reglementiert. "Jetzt drohen neue Schließungen unter anderem wegen der explodierenden Kosten in den kommunalen Haushalten", sagt Olaf Zimmermann.
In Wuppertal wollen sie in der Heizperiode die Raumtemperatur in allen Büroräumen auf 19 Grad drosseln und die Außenbeleuchtung der Gebäude ab 22 Uhr ausschalten. Trotzdem könnte sich die Situation in Zukunft noch verschärfen. "Es sind ja nicht nur die Energiekrise und die Inflation, die uns belasten. Wir spüren stark die Nachwirkungen der Corona-Krise und haben mit gesunkenen Zuschauerzahlen zu kämpfen", sagt Thomas Braus.
Mit dem Herbst beginnt die Indoor-Saison, und niemand kann für die Häuser seriös einschätzen, wie sich die Corona-Situation in der kommenden Zeit entwickeln wird. Die Betriebskosten wie Heizung, Strom und Personal sind gestiegen. Gleichzeitig laufen die Corona-Hilfsprogramme für die Kulturbranche aus. Eine mögliche Folge: Die Eintrittskarten müssten teurer werden. Das aber könnte das noch mehr Menschen vom Kauf abhalten, so die Sorge in der Szene. Die Branche würde weiter unter Druck gesetzt.
Realistische Kino-Karte müsste 20 Euro kosten
"Das ist eine fatale Mischung, die wir da vor uns haben", sagt Vincent Bresser und blickt betrübt auf die leeren Sitzreihen im roten Saal. "Wir sitzen schon bei uns im Büro zusammen und machen uns Gedanken, was wir tun müssen." Bresser und seine Kollegen betreiben das Kino WOKI in Bonn mit drei Sälen und moderner 4K-Technik in Retro-Atmosphäre. Bislang hätten sie die Preise noch nicht angehoben. "Wenn wir die Preise realistisch an die Zuschauer weitergeben würden, dann hätten wir Eintrittspreise von 20 bis 25 Euro", sagt Bresser.
Kino sei eine sehr energiereiche Branche. Sie merkten die Inflation, die Energiepreise, die Zurückhaltung der Zuschauer. Überall prasselten auf das kleine Kino höhere Preise ein. Selbst beim Popcorn: Auch hier spürt Bresser, dass die Preise für Mais oder Öl stark gestiegen sind - und all das vor dem Hintergrund, dass in diesem Jahr 30 Prozent weniger Zuschauer ins Kino gekommen sind.
Verschiedene Krisen überlappen sich
Einen guten Kilometer entfernt auf der andere Rheinseite liegt das Junge Theater Bonn. Das Haus ist ein privates Kinder- und Jugendtheater in Bonn und gilt als eines der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendtheater. "Wir haben verschiedene Krisen, die gleichzeitig laufen", sagt Intendant Moritz Seibert und spricht von einer schwierigen Saison, die auf den Kulturbetrieb wartet. "Die Krisen überlappen sich in einem Ausmaß, dass wir überhaupt keine Erfahrungswerte mehr haben. Das gilt natürlich auch für die Corona-Krise."
Das Theater hatte die Corona-Krise kreativ gemeistert und dabei viel online gespielt. Es sollte jetzt eigentlich mit voller Fahrt weitergehen, doch die Kosten steigen überall. "Die Energiekosten sind für uns das kleinste Problem", sagt Moritz Seibert. "Wir starten in einen Testbetrieb mit einer Photovoltaik- und Solarthermie-Anlage, die wir auf dem Dach schon haben. So können wir hoffentlich beruhigt auf die Situation mit der Energie blicken." Es sind die anderen Kostensteigerungen, die das Bonner Theater unter Druck setzen: für den Druck der Flyer, für den Diesel der Fahrzeuge, für das Holz beim Bühnenbild.
Flexibel und kurzfristig reagieren
"Wir hoffen, dass sich für unser Theater keine weiteren Einschränkungen ergeben und planen daher derzeit auch keine Änderungen des Spielbetriebs", sagt Theater-Intendant Braus in Wuppertal. Neben Macbeth und dem Gespenst von Canterville erwartet die Zuschauer eine Adaption von Dantes "Hölle". Der Abend wird beworben mit "einer Irrfahrt des heutigen Menschen zu sich selbst, durch die Krise, durch die Hölle".
Doch so düster sieht Braus die Lage derzeit nicht. "Ich bin grundsätzlich ein sehr optimistischer Mensch und mag keine Schwarzmalerei - trotz aller gegenwärtigen Krisen." Sie hätten in der Vergangenheit gelernt, flexibel und kurzfristig zu reagieren und würden sich das für die Zukunft beibehalten.