
Folgen hoher Teuerung Hilft oder schadet die Inflation dem Staat?
Steigende Preise führen auch zu höheren Steuereinnahmen. Doch profitiert der Staat wirklich von der hohen Inflation? Wie entwickeln sich die Ausgaben? Und was ist mit den Schulden?
Wenn man nur genau wüsste, woran es liegt: In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind die Steuereinnahmen kräftig gestiegen, im Schnitt um 16 Prozent. War das nun allein der Erholungseffekt nach den Corona-Einschränkungen von vor einem Jahr? Oder lag das vor allem an der Inflation? Klar ist: An höheren Preisen verdient der Staat über die Mehrwertsteuer mit, und die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer stiegen im Jahresvergleich sogar um gut 30 Prozent.
"Höhere Preise und höhere Löhne sind natürlich Mehreinnahmen für den Staat", sagt denn auch der CDU-Haushälter Christian Haase. Um gleich hinzuzufügen, "dass wir davon einen Teil wieder an die Bürger zurückgeben müssen". Das geschehe schon, entgegnet der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi. Den Mehreinnahmen des Staates durch die Inflation stünden auch höhere Ausgaben gegenüber. "Zum einen die Entlastungspakete für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in einem Volumen von bisher 42 Milliarden Euro. Zum anderen steigen auch die Kosten für den laufenden Betrieb des Staates, für die Kommunen, für die Länder, für den Bund wie auch die Kosten für notwendige Investitionen in Digitalisierung und den Klimaschutz", sagt Schrodi. "Hier belastet die Inflation gerade auch die öffentlichen Haushalte stark."
Investitionen werden teurer und Löhne steigen
Zum Beispiel bei Bauinvestitionen, die vielfach teurer geworden sind - was auch private Häuslebauer gerade schmerzhaft erleben. Auch Löhne und Gehälter, zum Beispiel von Lehrern und Polizisten, dürften mit der Zeit steigen, so Schrodis Erwartung. Allerdings lassen höhere Löhne und Gehälter zugleich die Steuereinnahmen sprudeln, was aus Sicht der Steuerzahler dann besonders ärgerlich ist, wenn die Lohnsteigerungen lediglich die höheren Preise ausgleichen sollen.
"Man verdient also rein von der Zahl her mehr Geld, aber gleichzeitig sagt Vater Staat wegen des Progressionstarifes: Wir kriegen aber anteilig mehr", erläutert FDP-Haushälter Otto Fricke und stellt fest: "Wenn mehr verdient wird, verdient der Staat am Anfang mehr. Der Bürger hat relativ weniger. Und deswegen muss - aus Sicht jedenfalls eines Liberalen - der Staat dann wieder seinen Prozentsatz absenken." Was auch regelmäßig geschieht durch Korrekturen am Steuertarif.
Vorläufiges Fazit: Der Staat ist in der frühen Phase Gewinner der Inflation. Doch mit der Zeit stehen den höheren Steuereinnahmen die Kosten für Entlastungen sowie die höheren Staatsausgaben wie für teurer gewordene Investitionen gegenüber.
Staat als Großschuldner vorerst Gewinner
Freilich gibt es noch einen weiteren Faktor, um zu beurteilen, ob der Staat Gewinner oder Verlierer der Inflation ist: die Verschuldung. Während Sparer unter steigenden Preisen leiden, denn der Wert des Gesparten nimmt durch die Inflation ab, sind Schuldner Gewinner. "Bei den Schulden ist es vielleicht langfristig gut, weil der Schuldenwert sinkt", so der CDU-Politiker Hase, der aber zugleich auf die Kehrseite der aktuellen Entwicklung hinweist: "Kurzfristig müssen wir aber mehr Geld für Zinsen ausgeben."
Innerhalb weniger Wochen sind die Zinsen so stark gestiegen, dass der Bund in diesem Jahr mit mindestens fünf Milliarden Euro höheren Zinsausgaben rechnet. Solange die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen aber bei rund einem Prozent liegt und die Inflation deutlich darüber, bleibt der Staat als Großschuldner Gewinner der Inflation. Vorläufig. Denn man wisse ja nie, was komme, wie Schrodi betont: "Es bleibt unklar, wie sich die Situation weiterentwickelt und damit auch, wie sich Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen weiterentwickeln werden."
Vorsicht ist also weiterhin angebracht. In diesem Punkt sind sich die Haushaltspolitiker über Parteigrenzen hinweg einig.