
Stetig steigende Inflation DIW-Chef warnt vor Lohn-Preis-Spirale
Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Oktober um 4,5 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahresmonat gestiegen. Im Interview mit den tagesthemen warnte DIW-Chef Fratzscher vor einer Lohn-Preis-Spirale und erklärte, was zu den höheren Preisen führt.
Der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich im Oktober weiter beschleunigt. Angetrieben von hohen Energiepreisen und bedingt auch durch Sondereffekte der Corona-Krise stieg die Inflationsrate laut Statistischem Bundesamt auf voraussichtlich 4,5 Prozent. Damit liegt die Teuerung deutlich über dem von der Europäischen Zentralbank angestrebten Ziel von zwei Prozent - trotzdem hält die EZB vorerst weiter an ihrer lockeren Geldpolitik fest.
Eine Inflationsrate von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat ist der höchste Stand seit 28 Jahren. Besonders heftig fiel der Anstieg bei den Energiepreisen aus, die um 18,6 Prozent gegenüber Oktober 2020 zulegten. Die Preise für Nahrungsmittel kletterten laut Bundesamt binnen eines Jahres um 4,4 Prozent, Dienstleistungen verteuerten sich um 2,4 Prozent. Im Vergleich zum Vormonat September stiegen die Verbraucherpreise im Oktober um 0,5 Prozent.
DIW-Chef warnt vor Lohn-Preis-Spirale
In den tagesthemen versuchte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die steigende Inflation einzuordnen. Auch er mache sich Sorgen, so Marcel Fratzscher, mahnte aber auch: "In den vergangenen Jahren war die Preisentwicklung zu schwach. Wir sehen also jetzt einen gewissen Aufholeffekt, auch bei Energiepreisen und Nahrungsmittelpreisen."
Bei der Preisentwicklung für die kommenden Jahre seien die Erwartungen ganz entscheidend. Hier gebe es die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, wenn Inflationswerte von 4 bis 5 Prozent von den Arbeitgebern erwartet würden und Löhne dementsprechend angepasst werden. "Da muss man sehr genau aufpassen", so Fratzscher, der aber auch sagte: "Im Moment ist dieser Effekt noch nicht zu sehen." Die EZB müsse aufpassen, dass sich keine zu hohe Inflation festsetze.
Ein Problem der steigenden Inflation sei, dass sie sehr ungleich auf die Verbraucher verteilt sei. Wenn Benzin, Nahrungsmittel und Wohnen deutlich teurer werden, treffe das besonders Menschen mit geringerem Einkommen. Diese Verteilungsungleichheit mache ihm große Sorge, denn "es erhöht die soziale Polarisierung."
Kampf gegen den Klimawandel wird Energiepreise weiter erhöhen
Nicht nur die Zentralbank sei gefragt, sondern auch die Politik, so Fratzscher. Wenn diese im Kampf gegen den Klimawandel einen CO2-Preis einführe, was er für richtig halte, "dann muss man auch den Menschen helfen, die davon besonders stark betroffen sind."
Der Klimaschutz werde für viele Deutsche bedeuten, dass fossile Brennstoffe weiter teurer werden. Denn: Die Subventionen des Bundes von 70 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe müssen in den kommenden Jahren abgebaut werden. Das bedeute, dass Energiepreise auch in den kommenden Jahren steigen werden. Bei Inflationswerten müsse man also ganz genau auf die Ursachen schauen.
Statistisches Bundesamt nennt Reihe von Gründen für Preissteigerungen
Laut des Statistischen Bundesamtes haben die derzeit hohen Inflationsraten "eine Reihe von Gründen": Dazu gehört einerseits der sogenannte Basiseffekt durch niedrige Preise beispielsweise für Öl im Corona-Jahr 2020. Dieser Effekt führt dazu, dass die Veränderung zum Vorjahresmonat vergleichsweise hoch ausfällt. Zudem war 2020, als die Inflation im Gesamtjahr mit 0,5 Prozent noch so gering ausgefallen war wie zuletzt 2009 in der Finanz- und Wirtschaftskrise, zeitweilig die Mehrwertsteuer abgesenkt worden, um den in der Pandemie eingebrochenen Konsum anzukurbeln.
Hinzu kommen die Einführung der CO2-Bepreisung seit Januar 2021 sowie laut Bundesamt auch "krisenbedingte Effekte, wie die deutlichen Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen". Angesichts von Lieferengpässen hatte es zuletzt über verschiedene Wirtschaftszweige hinweg bei der Materialbeschaffung deutliche Preissteigerungen gegeben. Diese schlügen sich aber "vorerst nur teilweise und abgeschwächt" in der Inflationsrate nieder, erklärten die Statistiker.
Die Teuerungsrate in Deutschland hatte bereits im Juli mit 3,8 Prozent den höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht, im August dann 3,9 und im September 4,1 Prozent. In der Eurozone lag sie im September mit 3,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 2008.
EZB hält Leitzins bei null Prozent
Angesichts dieser Entwicklung war zuletzt vermehrt die lockere Geldpolitik der EZB in den Fokus gerückt, die mit ihren historisch niedrigen Zinssätzen und damit günstigem Kapital die Wirtschaft in der Eurozone stimulieren will. Der Rat der EZB ließ nun auch in seiner Sitzung am Donnerstag die Leitzinsen ebenso wie das Corona-Notprogramm Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen vorerst unverändert.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte zugleich, dass die Phase hoher Inflation "länger andauert, als ursprünglich erwartet". Im Verlauf des nächstes Jahres werde sie aber wieder zurückgehen, prognostizierte sie. Zudem hob Lagarde hervor, dass die Zentralbank bereit sei, ihre geldpolitischen Instrumente nachzuschärfen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation "mittelfristig beim angestrebten Ziel von 2,0 Prozent stabilisiert".