
Energieversorgung in Europa Russland verknappt das Gas weiter
Der Staatskonzern Gazprom will noch weniger Erdgas durch die Ostseepipeline nach Deutschland liefern. Auch nach Italien wird weniger gepumpt. Die Folge: Ein neuer Preissprung beim Gas - auch wegen eines Unfalls in den USA.
Gazprom drosselt seine Gaslieferungen nach Deutschland zusätzlich. Ab Donnerstagfrüh will der russische Konzern durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter pumpen. Das kündigte das Staatsunternehmen heute an.
Das ursprünglich geplante Tagesvolumen waren 167 Millionen Kubikmeter Gas, die durch die Pipeline fließen sollten. Bereits gestern hatte Gazprom eine Absenkung der Lieferungen auf bis zu 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag bekanntgegeben.
Habeck sieht Strategie Russlands, um "Preise hochzutreiben"
Abermals begründete Gazprom den Schritt mit Verzögerungen bei Reparaturarbeiten und verwies auf das Unternehmen Siemens Energy. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stufte die Drosselung der russischen Gaslieferungen hingegen als politisch motiviert ein.
"Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben", sagte Habeck. "Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben." Er rechne damit, dass Russland seine Lieferungen noch weiter einschränke. "Es ist noch nicht vorbei", so der Grünen-Politiker. "Es fängt vielleicht gerade erst an."
Habeck verwies auf vorherige Einstellungen der Gaslieferungen an Bulgarien, Polen und Dänemark sowie die Sanktionierung der früheren Gazprom-Tochter Gazprom Germania, die nun unter staatlicher Treuhandverwaltung in Deutschland steht und Milliardenhilfen erhalten soll.
Speicher zu 56 Prozent gefüllt
Auch Italien wird nur noch in geringerem Umfang von Russland mit Gas beliefert. Wie der italienische Energiekonzerns Eni heute mitteilte, hat Gazprom die Lieferungen um 15 Prozent gekürzt. Dabei habe die russische Seite bislang keinen Grund genannt, so Eni. Italien ist nach Deutschland der zweitgrößte Abnehmer für Erdgas aus Russland in Europa.
In Deutschland gebe es trotz der reduzierten Gaslieferungen "kein Versorgungsproblem", sagte Wirtschaftsminister Habeck. Den Versorgern sei es bisher immer gelungen, "Gas aus anderen Quellen aufzutreiben". Indes dürfte in den kommenden Monaten die Frage sein, wie weit sich die deutschen Gasspeicher vor Beginn der nächsten Heizperiode auffüllen lassen. Aktuell sind die Speicher laut Regierung zu rund 56 Prozent gefüllt. Erneut rief der Minister zum Energiesparen auf. "Und natürlich werden wir auch staatliche Maßnahmen ergreifen, wenn dies nötig ist."
Um ein Viertel teurer als vergangene Woche
Die Drosselung der Lieferungen hat jedoch zu einem neuen Preisschub beim Gas gesorgt. Der Preis für eine Megawattstunde Erdgas zur Lieferung im Juli stieg heute am so genannten "Title Transfer Facility" (TTF) um zeitweise rund acht Prozent auf 104,75 Euro je Megawattstunde. Im Vergleich zur vergangenen Woche beträgt das Plus sogar rund 25 Prozent.
Beim TTF handelt es um einen virtuellen Handelspunkt im niederländischen Gasnetz, über den Erdgas für die Niederlande an den Terminbörsen in London und Chicago gehandelt wird. Dieser wird von den Marktteilnehmern in vielen europäischen Ländern als ein sogenannter Referenzmarkt betrachtet.
LNG-Terminal in Texas fällt bis September aus
Weiterer Grund für den steilen Anstieg der Preise ist eine Explosion in einer Großanlage zur Produktion von Flüssigerdgas (LNG) in Texas in der vergangenen Woche. Diese droht nach Angaben des Betreiber-Unternehmens Freeport LNG bis zum September auszufallen. Damit kann aus den USA weniger Flüssig-Erdgas nach Europa geliefert werden.
Experten rechnen nun damit, dass die Kosten für Haushalte mit Gasheizungen weiter steigen. "Eine Folge dieser Entwicklung sind höhere Gaspreise für private Verbraucher", teilte das Vergleichsportal Verivox mit.