Interview

PR-Experte Kocks "Konzerne zetteln ideologischen Bürgerkrieg an"

Stand: 25.08.2010 14:04 Uhr

Vor drei Tagen startete der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) eine Anzeigenkampagne, die der Politik zeitungsseiten-breit erklären sollte, wie es nach Ansicht der Wirtschaft in der Energiepolitik weitergehen soll. Extrem kontraproduktiv sei dieser Schachzug, sagt PR-Berater Klaus Kocks, der in den 90er-Jahren Sprecher der deutschen Energieunternehmen war, im Gespräch mit tagesschau.de. Die Konzerne hätten mit ihrer Kampagne das Ende der Diplomatie eingeläutet.

tagesschau.de: Die Anzeigenkampagne des BDI - ist sie ein Ausdruck der Verzweiflung oder eines extrem starken Selbstbewusstseins der Energieriesen?

Klaus Kocks: Sie drückt eine tiefe Verzweiflung aus. Die Energiekonzerne hatten genug von Angela Merkels abwartender Haltung und wollten Druck ausüben. Die Kanzlerin mit dieser Kampagne aber zu beeinflussen, sie herumzuschubsen, ist eine fatale Fehleinschätzung von Frau Merkel. Das wird für die Atomlobby teuer werden.

Zur Person

Klaus Kocks war von 1985 bis 1987 Geschäftsführer der Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft in Frankfurt. Später war er u.a. als Mitglied des VW-Vorstands zuständig für die Unternehmenskommunikation. Heute leitet Kocks die Sozietät für Kommunikationsberatung CATO.

tagesschau.de: Wie teuer?

Kocks: Am Ende wird es eine minimale Laufzeitenverlängerung und eine maximale Steuerbelastung geben. Denn die Kampagne hat aus einer Sach- eine Machtfrage gemacht. Diese wird die Kanzlerin auch als Machtfrage beantworten. Der einzig mögliche Ausgang ist nun ein Beschluss, der negativer ausfällt, als er noch vor einigen Wochen möglich gewesen wäre. Schließlich war der Gestus der Kampagne, das Gegenüber an den Ohren zu ziehen wie in der Kindererziehung.

tagesschau.de: Die Kanzlerin hat die Kampagne als einen "vollkommen erlaubten Diskussionsbeitrag" bezeichnet. Sehen Sie das genauso?

Kocks: Vertretbar ist jede Kampagne. Man muss jedoch beachten, dass man damit nicht nur sagt, was man sagen will, sondern auch zeigt, wes Geistes Kind man ist. Diese Kampagne ist ein kommunikativer Putschversuch der Wirtschaftseliten, die nicht nur versuchen, Druck auf die Kanzlerin auszuüben, sondern auch den Umweltminister aus seinem Amt zu heben. Dafür haben sie aber kein Mandat. Die Konzerne zetteln mit ihrem Verhalten vielmehr einen ideologischen Bürgerkrieg an. Die Kampagne ist daher extrem kontraproduktiv.

tagesschau.de: Das heißt die Kampagne hat Konsequenzen über die Debatte um die Laufzeitenverlängerung hinaus?

Kocks: Die Kampagne hat die Basisstrukturen im Verhältnis von Wirtschaft und Politik beschädigt. Das ist wieder ein kleiner GAU der Atomlobby. Sie hat schon in der Vergangenheit zu ihrer schlechten Reputation in der Gesellschaft geführt. Nun hat sie die Akzeptanz der Atomindustrie bei Publizisten und in der Bevölkerung weiter verringert. Durch diese Kampagne hat die Atomlobby keine Freunde gewonnen. Im Gegenteil: Sie hat aus Gegnern Feinde gemacht. Das ist tragisch.

tagesschau.de: Aber es ist ja nicht nur die klassische Atomlobby, die hier auftritt. Auch andere Wirtschaftsvertreter wie Bahn-Chef Grube, Deutsche-Bank-Chef Ackermann oder der Manager der Fußball-Nationalelf Bierhoff haben für die Kampagne unterschrieben.

Kocks: Ich kenne selbst einige Unterzeichner der Kampagne, die es bereits bereuen, sich vor diesen Karren spannen haben zu lassen. Einige derer, die unterzeichnet haben, werden abspringen und auch die vier Konzerne werden nicht weiter als eine Front hinter diesem Verhalten stehen. Treibende Kraft ist ohnehin der RWE-Konzern mit seinem Chef Jürgen Großmann. Im Übrigen ist diese Kampagne keine Strategie, sondern wirkt wie der Wutausbruch eines Cholerikers, der eine Gruppe hinter sich versammelt hat.

tagesschau.de: Wie werden die Konzerne Ihrer Ansicht nach die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung des Regierung Ende September nutzen?

Kocks: Natürlich wird man versuchen, weiter Gespräche zu führen, aber die Gesprächsbereitschaft der Politik ist erst einmal minimiert. In der Öffentlichkeit wird man nichts mehr erleben.

tagesschau.de: Gibt es denn auch einen Gewinner der Kampagne?

Kocks: Ja. Der Umweltminister Norbert Röttgen geht gestärkt aus dem Verhalten der Atomlobby hervor. Die Entscheidung der Regierung wird deutlich machen, dass sie sich nicht von den Konzernen erpressen lässt. Das könnte ihm auch Sympathien von grünen Wählern einbringen.

Das Interview führte Monika Manke für tagesschau.de