
Schuldenstreit mit der EU Letzter Warnschuss für Italien
Stand: 05.06.2019 13:58 Uhr
Die EU-Kommission will hart gegen Italien und seine ausufernde Staatsverschuldung durchgreifen. Sollte das Land die Ausgaben nicht drastisch senken, droht ein Defizitverfahren mit Milliardenstrafen.
Von Holger Beckmann, ARD-Studio Brüssel
Italien sollen die Zügel angelegt werden bei der Staatsverschuldung: Die EU-Kommission spricht sich für ein Strafverfahren gegen die italienische Regierung aus und fordert Rom in einem ersten Schritt auf, die Staatsausgaben deutlich zu senken.
Denn Italien sei seiner eigenen Ankündigung, die Schulden zu reduzieren, nicht nachgekommen, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici in Brüssel. Die öffentliche Verschuldung Italiens sei nicht abgebaut worden, sondern man habe sie im Gegenteil weiter ansteigen lassen - und zwar von 131 auf 132 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Italien ist die viertgrößte Volkswirtschaft in der EU - solange Großbritannien noch dabei ist - und neben Griechenland der Euro-Staat mit dem höchsten Schuldenberg. Die Stabilitätsregeln für den Euro erlauben maximal 60 Prozent der Wirtschaftskraft eines Landes.
Italien will Wachstum mit Schulden ankurbeln
Bereits Ende vergangenen Jahres hatte es zwischen Rom und Brüssel Streit über die italienische Haushaltspolitik gegeben. Um ein Defizitverfahren abzuwenden, an dessen Ende eine Milliardenstrafe stehen könnte, hatte die Regierung aus rechtsextremer Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung einen neuen Haushaltsplan vorgelegt - den sie nun nicht einhält.
Italiens Innenminister Matteo Salvini will die Staatsschulden weiter erhöhen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Im Streit mit Brüssel möchte er nicht nachgeben. Bisher hat die EU-Kommission einen offenen Konflikt mit der italienischen Regierung vermieden.
Auch jetzt möchte sie Italien noch eine Chance geben. Seine Tür bleibe geöffnet, sagte Moscovici. Das bedeutet: Die EU-Kommission möchte nun von der italienischen Seite deutliche Schritte in Richtung Schuldenabbau sehen, zumindest aber keine weitere Erhöhung des Schuldenberges.
EU-Kommission empfiehlt Strafverfahren gegen Italien wegen hoher Staatsverschuldung
tagesschau 20:00 Uhr, 05.06.2019, Gudrun Engel, ARD Brüssel
Salvini auf Konfrontationskurs
Das Verhalten der italienischen Regierung in den vergangenen Wochen dürfte dazu beigetragen haben, dass Brüssel nun eindeutig Position gegenüber Italien bezieht. Salvini hatte verlangt, die europäischen Schuldenregeln zu lockern. Besorgnis hatte auch die Ankündigung ausgelöst, Italien wolle Unternehmen künftig direkt mit staatlichen Gutscheinen - quasi am Euro vorbei - bezahlen. Das wird in Brüssel als Versuch gesehen, so etwas wie eine Parallelwährung einzuführen.
Also geht die Auseinandersetzung zwischen der EU und der italienischen Regierung ums Geld mit dem heutigen Tag in eine neue Runde. Ob Italien am Ende wirklich mit einem Defizitverfahren und Strafzahlungen rechnen muss, liegt jetzt in der Hand der europäischen Staats- und Regierungschefs. Sie sollen in den nächsten Wochen darüber entscheiden.
EU-Kommission: Strafverfahren gegen Italien wegen Staatsverschuldung
Holger Beckmann, ARD Brüssel
05.06.2019 13:30 Uhr
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