Defizit wegen Bankenkrise Europa stützt Irland mit Milliarden

Stand: 22.11.2010 01:06 Uhr

Plötzlich ging alles ganz schnell: Nach langem Zögern schlüpft Irland nun doch als erstes Euro-Mitglied unter den Rettungsschirm von EU und IWF. Die EU sagte dem hoch verschuldeten Land Milliardenhilfen zu. Nicht ohne Grund: Sie fürchten akute Ansteckungsgefahr und sie stellen Bedingungen.

Von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkkorrespondent Brüssel

In Höchstgeschwindigkeit ist Irland am Ende unter den Rettungsschirm für angeschlagene Euro-Staaten geschlüpft. Kaum hatte die entscheidende Kabinettssitzung in Dublin begonnen, da schalteten sich auch schon die EU-Finanzminister per Telefon zusammen. Ganz so, als wollten sie der Insel-Regierung noch einmal sagen: An diesem Schritt führt kein Weg vorbei.

Die Partner werden Dublin in den kommenden Jahren mit Milliarden unterstützen. Darauf haben sich die EU-Finanzminister im Grundsatz geeinigt. Auf wieviel Geld genau die Iren hoffen dürfen, bleibt dagegen weiter offen. "Darüber wird nun im Detail verhandelt", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im ZDF. Im Gespräch sind offenbar Hilfen im Umfang von 80 bis 90 Milliarden Euro. Das Paket wäre damit fast so hoch wie die Finanzhilfe für Griechenland, das im Mai von seinen europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 110 Milliarden Euro Notkredite gestellt bekommen hatte und diese auch nutzt. Erst danach wurde der Euro-Rettungsschirm geschaffen, von dem Irland nun profitiert.

Mit den Milliarden aus dem Notfallsfonds soll nicht nur Irland vor der Pleite gerettet werden. Es gehe um die finanzielle Stabilität der gesamten EU und der Euro-Zone im besonderen, heißt es in der Mitteilung der Finanzminister. Das heißt: Weil die Ansteckungsgefahr groß genug ist, helfen die EU-Partner. Denn neben den Mitgliedern der Euro-Zone - mit Ausnahme des hochverschuldeten Griechenland und Irland selbst - greifen auch Großbritannien und Schweden ins Portemonnaie, um Irland und seine Banken zu festigen. Nach einem Bericht der BBC ist Großbritannien mit sieben Milliarden Pfund dabei. Ein Grund für das finanzielle Engagement dürfte sein, dass britische Banken stark auf der Nachbarinsel engagiert sind.

Staatshilfen für Irlands Banken

Nach Angaben des irischen Finanzministeriums nehmen zurzeit 16 Banken und Immobiliengesellschaften den staatlichen Rettungsschirm in Anspruch - entweder in Form von Bürgschaften oder in Form von staatlichen Kapitalspritzen. Insgesamt könnte die Rettung nach Berechnungen der Ratingagentur Standard & Poor's bis zu 90 Milliarden Euro verschlingen.

Das größte Sorgenkind ist die Anglo Irish Bank - sie wird bis zum Jahresende bereits 30 Milliarden Euro an Steuergeldern erhalten haben. Die Allied Irish Bank kommt bis dahin auf mehr als zehn Milliarden, Irish Nationwide Building auf 5,4 Milliarden Euro. Weitere Milliarden gingen bereits an die Bank of Ireland.

All diese Zahlen sind vorläufig. Laut irischer Zentralbank könnte allein die Anglo Irish weitere vier Milliarden Euro benötigen. Zudem haben die Banken mit der Tatsache zu kämpfen, dass Kunden ihre Gelder abziehen und die Kapitalausstattung dadurch weiter geschwächt wird. Allied Irish verlor seit Jahresbeginn Kundeneinlagen im Wert von 13 Milliarden Euro, bei der Bank of Ireland zogen vor allem Firmenkunden allein im vergangenen Quartal zehn Milliarden Euro ab.

Es ist vor allem ein Problem des Bankensektors, das den irischen Haushalt belaste, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn vergangene Woche. Der Inselstaat hatte sich mit milliardenschweren Rettungsmaßnahmen für seine Banken in eine Rekordverschuldung gestürzt und steht am Rande des Bankrotts. Das Staatsdefizit liegt bei 32 Prozent.

Die Haushaltskontrolle ist futsch

Irland wird nun einen Teil seiner Selbstständigkeit verlieren. Die Haushaltskontrolle übernehmen fortan Experten aus Brüssel und Washington, dem Sitz des Internationalen Währungsfonds. Denn der IWF wird dem Land ebenfalls finanziell unter die Arme greifen. Finanzminister Schäuble sprach von strengen Auflagen, denen sich die Regierung in Dublin unterwerfen müsse. Das sei nötig, "damit es eben nicht nur eine reine Finanzierung ist, sondern, damit die Probleme gelöst werden".

Irland wird seine Sparbemühungen verstärken müssen. Bis zu 15 Milliarden Euro sollen so bis 2014 zusammenkommen." Außerdem dürfte der Druck der EU-Partner auf die Regierung zunehmen, die im EU-Vergleich extrem niedrigen Unternehmenssteuern anzuheben. Ausgaben zurückfahren, Einnahmen erhöhen - diese bittere Medizin verabreichen die Europäer dem Land. Die milliardenschweren Hilfen umfassen auch einen Extra-Geldtopf für die pleitebedrohten irischen Banken. Mit dem Geld sollen die Kreditinstitute ihr Eigenkapital aufbessern und eine Neuausrichtung einleiten. Bis tatsächlich die ersten Kredite auszahlungsreif sind, dürfte es allerdings noch zwei bis drei Wochen dauern. Sich Milliarden zu beschaffen gelingt auch der EU nicht über Nacht.

Peter Heilbrunner, P. Heilbrunner, SWR Brüssel, 22.11.2010 00:01 Uhr