Schuldenkrise Europa will helfen - Irland zögert noch

Stand: 18.11.2010 03:41 Uhr

Europa will Irland unter die Arme greifen - um den Euro zu retten. Bereits heute sollen Gespräche mit der EU-Kommission, dem IWF und der Europäischen Zentralbank darüber beginnen, wie das hoch verschuldete Irland die Bankenkrise in den Griff bekommen kann. Irland zögert immer noch, Hilfen zu beantragen.

Irland wehrt sich nicht mehr ganz so vehement gegen EU-Hilfe in der Schuldenkrise. Ministerpräsident Brian Cowen sagte, Kredithilfe werde aber nicht ohne Vorbereitung beantragt. Als ersten Schritt zur Nutzung des europäischen Schutzschirms akzeptierte Irland, mit einer Expertengruppe von EU, IWF und EZB den Sanierungsbedarf des Bankensystems zu ermitteln. Bereits heute sollen Gespräche darüber beginnen, wie das hoch verschuldete Land die Bankenkrise in den Griff bekommen kann. Dabei könne man jedoch nur bedingt auf die Erfahrungen aus der Griechenlandkrise zurückgreifen, meint Thomas Mayer, Chefvolkswirt bei der Deutschen Bank, im Gespräch mit tagesschau.de.

Noch ist nichts entschieden

Ein Hilfsantrag an den Rettungsschirm von EU, IWF und Euro-Ländern, der insgesamt 750 Milliarden Euro Kreditgarantien umfasst, ist nach Einschätzung von EU-Diplomaten nach Beginn der Gespräche nur noch eine Frage der Zeit. Es sei nichts entschieden, doch der Prozess werde schnell abgeschlossen, sagte Katainen. "Nach einigen Tagen oder Wochen wissen wir mehr." Der irische Finanzminister Brian Lenihan sagte dem irischen Radiosender RTE, es sei noch nicht sicher, ob Irland tatsächlich Geld brauche oder ob es ausreiche, starken finanziellen Rückhalt zu demonstrieren.

Der Chef der irischen Zentralbank, Patrick Honohan, erklärte, er erwarte, dass die irische Regierung in Kürze "einen sehr beträchtlichen Kredit" akzeptieren werde. Das Darlehen wird nach seiner Darstellung deutlich im zweistelligen Milliardenbereich liegen.

Irland machte allerdings deutlich, dass das Land in den Gesprächen mit EU und IWF keine allzu strengen Auflagen für die Finanzhilfen akzeptieren will. "Wir könnten Hilfen von unseren internationalen und europäischen Kollegen benötigen", sagte Informationsminister Eamon Ryan in Dublin. "Aber wenn wir das tun, müssen die Bedingungen stimmen, so dass sie dem Interesse der irischen Menschen entsprechen." Die Regierung befürchtet unter anderem, dass sie als Gegenleistung für die Hilfsgelder die Steuern anheben muss.

Großbritannien will auch helfen

Bei den Verhandlungen über Hilfen für Irland sei auch eine Beteiligung Großbritanniens im Gespräch, sagte EU-Finanzkommissar Olli Rehn. Schließlich seien der Banken- und Finanzsektor beider Länder eng miteinander verbunden. Großbritannien nimmt nicht am Euro-Rettungsschirm teil, da es nicht zur Euro-Zone gehört. Über den Anteil der EU-Kommission am Rettungsschirm ist Großbritannien allerdings bereits indirekt beteiligt. Britische Banken sind mit knapp 150 Milliarden Dollar am stärksten in irischen Staatsanleihen engagiert vor den deutschen Banken mit 138 Milliarden Dollar. Der britische Schatzkanzler George Osborne sagte, seine Regierung sei bereit, Irland zu unterstützen, um Stabilität zu schaffen. Es sei in Großbritanniens nationalem Interesse, dass die irische Wirtschaft erfolgreich sei und ein stabiles Bankensystem habe.

Banken am Tropf

Einige Krisenbanken in Irland hängen praktisch am Tropf der EZB, die die Geldinstitute mit frischem Geld versorgt. Doch die EZB kann diese Art der Refinanzierung nicht auf Dauer aufrechterhalten. Einige Euro-Partner und auch die EZB drängen die Regierung in Dublin deshalb dazu, Hilfe aus dem Rettungstopf anzufordern. Irland hatte bisher einen Hilferuf an seine europäischen Partner nicht für nötig gehalten, obwohl Spekulationen über die Schwäche des Euro-Landes die Zinsen seiner Staatsanleihen in die Höhe getrieben haben. Die Regierung will kurz vor einem wichtigen Nachwahltermin am 25. November nicht als Bittsteller in Brüssel vorstellig werden. Cowen bekräftigte, es werde keinen "Bail-Out" geben. Dieses Wort sei herabsetzend. Nach Ansicht des Chefvolkswirts der Deutschen Bank, Thomas Mayer, benötigt Irland die Hilfe jedoch. Entscheidend sei jedoch, wie die Hilfe gestaltet werde, sagte er im Gespräch mit tagesschau.de.

Deutsche Staatsanleihen begehrt

Die weiterhin unklare Lage im irischen Schuldendrama trieb die Anleger am Rentenmarkt in deutsche Staatsanleihen. Die Risikoaufschläge irischer, griechischer, portugiesischer und italienischer Staatsanleihen zur Bundesanleihe stiegen weiter. Auch auf dem Euro lastete die Unsicherheit über die Finanzlage der Euro-Staaten.

Schäuble weist Anschuldigungen zurück

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wies unterdessen Vorwürfe an Deutschland zurück, die Schuldenkrise Irlands mit verschärft zu haben. Die Gefahr einer Ansteckung anderer Länder in der Finanzkrise sei aber immer latent vorhanden, sagte Schäuble beim EU-Finanzminister-Treffen. Irland und Griechenland hatten kritisiert, die von Deutschland vorangetriebene Debatte um einen dauerhaften Krisenmechanismus mit privater Gläubigerhaftung habe die Finanzmärkte in Unruhe versetzt und die schwächelnden Euro-Staaten belastet.

Irland verteidigt sein Steuersystem

Forderungen aus Deutschland, seine relativ niedrige Körperschaftssteuer zu erhöhen, lehnte Irland ab. Die Regierung in Dublin legt die Höhe der Unternehmenssteuer selbst fest, sagte Finanzminister Brian Lenihan in einem Interview mit dem staatlichen Sender RTE. In der EU-Grundlagenvereinbarung ist die Steuerhoheit der Mitgliedsstaaten festgeschrieben. Mehrere EU-Staaten halten den niedrigen Steuersatz Irlands aber für eine Wettbewerbsverzerrung.


Nach einer Meldung des "Wall Street Journal" erwägt die EU ein Rettungspaket für Irland im Volumen von 80 bis 100 Milliarden Euro. Auch eine kleinere Geldspritze sei im Gespräch, die dann allerdings einzig dem angeschlagenen Bankensektor des Inselstaates zugute käme.

Düstere Warnungen

Wegen der Euro-Krise und des erbitterten Streits über einen Ausweg warnt EU-Ratschef Herman Van Rompuy vor einem Untergang der EU. "Wir müssen alle zusammenarbeiten, um das Überleben der Eurozone zu sichern", sagte der Belgier. "Wenn die Eurozone nicht überlebt, wird die Europäische Union nicht überleben." Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich optimistischer. Sie glaube nicht, dass die Eurozone gefährdet sei, sagte sie im Interview mit der ARD. Wichtig sei es, dass die EU-Länder ihre Wirtschaftskraft besser aufeinander abstimmten.