Interview

DIHK-Experte zur Rösler-Reise "Man weiß nicht, welches Grundstück wem gehört"

Stand: 07.10.2011 11:14 Uhr

Mit einer ganzen Delegation von Unternehmern ist Wirtschaftsminister Rösler nach Athen gereist. Deutsche Firmen sollen in Griechenland investieren. Warum haben sie das bisher kaum getan? Daran sei unter anderem die griechische Bürokratie schuld, meint DIHK-Experte Treier im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Was kann die Reise von Minister Rösler und seiner Wirtschaftsdelegation bewirken?

Volker Treier: Diese Reise ist ein erster Anfang für eine wirtschaftliche Kooperation. Und da ist es gut, dass Politiker vor Ort sind, um dem Ganzen eine stärkere Dynamik zu verleihen. Die Reise kann aber keine schnelle Lösung der griechischen Wirtschaftsprobleme bringen.

tagesschau.de: Wir reiben uns verwundert die Augen, dass all dies erst jetzt auf den Weg gebracht wird. Was ist hier versäumt worden?

Treier: Wir haben uns zu lange nicht um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Euro-Partner gekümmert. Griechenland ist als Euro-Partner von großer Bedeutung. Insofern braucht es dringend den Anstoß aus der Politik, um Chancen für beide Seiten zu eröffnen. Potentielle Geschäftspartner müssen überhaupt erst einmal miteinander in Kontakt kommen.  

tagesschau.de: Aber warum braucht die Wirtschaft dazu die Politik?

Treier: Die Wirtschaft kann sich nur dann engagieren, wenn die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Und das war in Griechenland bisher leider nicht immer der Fall.

Sparen allein hilft Griechenland nicht aus der Krise

tagesschau.de: Hätten also die Euro-Partner zur Bekämpfung der Krise schon früher auf ausländische Investitionen und die Stärkung der griechischen Wirtschaft setzen müssen? Bisher lag der Focus ja auf der Durchsetzung von rigiden Sparmaßnahmen.

Treier: Das eine darf das andere nicht ausschließen. Griechenland muss sparen und den Haushalt konsolidieren. Aber damit allein ist es eben nicht getan. Das Ergebnis sehen wir: Die griechische Wirtschaft ist geschrumpft. Das ist derzeit ein ganz gravierendes Problem für Griechenland und auch die Eurozone. Deshalb müssen wir jetzt sehr konsequent den Schwerpunkt auf Produktion und Investition setzen, so dass die Griechen wieder wirtschaftliche Dynamik entwickeln können.  

Chance für die Erneuerbaren Energien

tagesschau.de: Viele Solarunternehmer sind mit dem Wirtschaftsminister in Griechenland. Warum?

Treier: Griechenland ist ein sonnenreiches Land. Da liegt es nah, die deutsche Energiewende mit Investitionen in Griechenland zu gestalten. Dazu muss auch die Regierung in Athen überzeugt werden, sich dem Thema Erneuerbare Energien zu öffnen, zum Beispiel durch Solarkraftwerke. Da kann Deutschland Technik und Know-how liefern, Griechenland hat die Sonne und den entsprechenden Platz. So wäre beiden Seiten geholfen.

tagesschau.de: Für welche anderen Branchen ist Griechenland interessant?

Treier: Es gibt viele gut ausgebildete IT-Spezialisten im Land. Da wären Kooperationen denkbar. Und auch im Bereich der Logistik hat Griechenland viel zu bieten als zentrales Land im Mittelmeerraum mit der Nähe zur Türkei und dem Mittleren Osten. Da müssen wir jetzt ausloten, welche Infrastruktur ausgebaut werden muss, um diese Potentiale auch nutzen zu können.  

Bürokratie und fehlende Infrastruktur behindern Investitionen

tagesschau.de: Das klingt ja wie ein wahres Eldorado. Nochmal die Frage: Warum haben deutsche Unternehmen diese Chancen bisher so wenig genutzt?

Treier: Wir müssen die Ursache ehrlicher Weise auch bei den Griechen sehen. Das Thema Privatisierung stand dort bisher nie auf der Tagesordnung. Dann gibt es in Griechenland bis heute kein Katasterwesen. Das heißt: Man weiß oft gar nicht genau, wem welches Grundstück gehört. Es herrscht eine überbordende Bürokratie, die Investitionen nicht gerade fördert.

Griechenland hat seine günstigen Kreditkonditionen der Vergangenheit nicht dazu genutzt hat, Rücklagen zu bilden oder Investitionen anzuschieben, sondern dazu, den Staatsapparat aufzublähen und die Lohnkosten hoch zu treiben. Auch in Bildung und Qualifizierung wurde viel zu wenig investiert. All das muss jetzt in einem Husarenritt geändert werden. Die deutsche Wirtschaft kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.

tagesschau.de: Deutsche Unternehmen klagen über eine schlechte Zahlungsmoral in Griechenland - zu Recht?

Treier: Die Griechen haben eine andere Zahlungsmoral. Die Zahlungen kommen deutlich später, als wir das in Deutschland gewohnt sind. Darauf können sich Unternehmen aber einstellen. Derzeit haben wir ein gravierenderes Problem: Griechische Unternehmen können nicht mehr zahlen, weil sie von den Banken kaum noch Kredite kriegen. Diese Kreditklemme verhindert Investitionen und schreckt deutsche Unternehmen ab. Deshalb sind die Hilfen aus dem Stabilisierungsfonds und die damit verbundene Umschuldung so wichtig. Die griechischen Banken müssen wieder in die Lage versetzt werden, Kredite zu vergeben.

 

"Irgendwo muss man ja mal beginnen"

tagesschau.de: Kann Röslers Reise angesichts dieser strukturellen Probleme überhaupt konkrete Ergebnisse bringen?

Treier: Es wird neue Kontakte zwischen deutschen und griechischen Unternehmen und erste Geschäftsanbahnungen geben. Wir sollten allerdings nicht dem Glauben verfallen, dass durch diese Reise das griechische Wettbewerbsproblem gelöst wird. Das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Aber irgendwo muss man ja mal beginnen. Und da ist diese Reise ein erster wichtiger Aufschlag.  

Die Fragen stellte Simone von Stosch, tagesschau.de