Interview

Interview mit Ifo-Chef Hans-Werner Sinn "Es muss eine strengere Bankenaufsicht her"

Stand: 18.03.2008 17:34 Uhr

"Der eine oder andere Konkurs kann als warnendes Beispiel durchaus heilsam sein." Das meint Ifo-Chef Sinn mit Blick auf die Bankenkrise. tagesschau.de erklärt er, woran es im Kreditwesen hapert und wieso Deutsche-Bank-Chef Ackermann nach dem Staat ruft.

"Der eine oder andere Konkurs kann als warnendes Beispiel durchaus heilsam sein." So lautet der Tipp von Ifo-Chef Sinn mit Blick auf die Bankenkrise. Im Gespräch mit tagesschau.de erklärt er, woran es im Kreditwesen hapert - und wieso Deutsche-Bank-Chef Ackermann nach dem Staat ruft.

tagesschau.de: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sagt zur US-Finanzkrise, er vertraue hier den Selbstheilungskräften des Marktes nicht mehr. Und er fordere eine konzertierte Aktion von Banken, Notenbanken und Regierungen. Herr Sinn, wie bewerten Sie den Sinneswandel, der da offenbar beim wichtigsten deutschen Privatbanker eingesetzt hat?

Hans-Werner Sinn: Privatbanker brauchen keinen großen Sinneswandel, wenn sie staatliche Hilfe einfordern. Das tun sie immer gerne. Die Frage ist bei einer solchen Krise immer, in welchem Maße man die Banken selber für die Risiken, die sie aufgenommen haben, verantwortlich macht und in welchem Maß der Staat eingreift. Es kommt bei solchen Krisen darauf an, nicht zu früh einzugreifen. Der eine oder andere Konkurs kann als warnendes Beispiel durchaus heilsam sein. Jedenfalls sollte man nicht die Banker über den Zeitpunkt entscheiden lassen.

tagesschau.de: Und was halten Sie vom Timing im Falle Bear Stearns - war es zu früh für ein staatliches Eingreifen?

Sinn: Nein, das war es nicht, in den USA sind die Verhältnisse wirklich dramatisch. Und wenn die amerikanische Federal Reserve Bank jetzt eine Garantie von 30 Milliarden Dollar übernimmt, wird sie dafür ihre Gründe haben. Die Interna kenne ich allerdings auch nicht.

tagesschau.de: Ein Hinweis kommt vom Kaufpreis für Bear Stearns. Die Aktie war letzte Woche noch 30 Dollar wert, jetzt wurden zwei Dollar pro Aktie gezahlt.

Sinn: Das bedeutet, die Bank stand kurz vor dem Bankrott, sie hat ihr Eigenkapital verbraucht.

tagesschau.de: Wie lässt sich das künftig vermeiden?

Sinn: Es muss eine strengere Bankenaufsicht her. Für die Kreditinstitute sollte es generell Pflicht sein, mehr Eigenkapital nachzuweisen. Das gilt vor allem in den USA und Großbritannien. Die angelsächsischen Banken betreiben ihr Geschäft dort häufig mit viel zu wenig Eigenkapital. Wenn dann der Staat den Konkurs durch Geldgeschenke abwendet, haben sie allen Anreiz, das auch weiterhin zu tun. Am Ende zahlt dann nicht der Aktionär die Zeche, sondern der Steuerzahler, wie im Fall der Fed, die für Bear Stearns als Bürge einsteigt.

tagesschau.de: Ist auch das deutsche Bankensystem gefährdet?

Sinn: Deutschlands Privatbanken sehe ich nicht als gefährdet an. Wir haben allerdings ein ähnliches Problem bei den staatlichen Landesbanken, die wegen des staatlichen Schutzes riskantere Geschäfte angehen als die privaten Banken und in letzter Zeit riesige Verluste gemacht haben. In Sachsen musste der Landeshaushalt dafür aufkommen, als die Landesbank sich auf dem US-Kreditmarkt verspekuliert hatte.

tagesschau.de: Wenn die Banken Gewinne machen, streichen sie diese Gewinne ein. Machen sie Verluste, soll der Staat dafür aufkommen. Wie ist das dem Steuerzahler zu vermitteln?

Sinn: Das ist ein Problem der Konstruktion der Finanzmärkte, für das es keine Lösung gibt. Man sollte hier und da auch mal ein Institut in den Konkurs gehen lassen, damit die anderen merken, dass sie vorsichtiger werden müssen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Der Englische Notenbankgouverneur Mervyn King hat sich mit dieser Auffassung bei Northern Rock nicht durchsetzen können. Die Banken stehen im Zentrum der Marktwirtschaft. Systemkrisen muss man deshalb wohl oder übel mit staatlichem Geld verhindern.

tagesschau.de: Niemand weiß genau, welches Ausmaß die US-Finanzkrise noch annimmt und wie sich das auf die Weltwirtschaft auswirkt. Welche Prognose stellen Sie?

Sinn: Die vierjährige Phase eines stürmischen Booms der Weltwirtschaft geht nun zu Ende, weil Amerika vermutlich in die Rezession schlittern wird. Der Michigan-Index für das US-Verbrauchervertrauen ist bereits eingebrochen, er steht weitaus tiefer als nach dem 11. September 2001 oder während des Irakkriegs. Auslöser war der Verfall der Hauspreise. Die Hausbesitzer verlieren Vermögen und treiben in die Überschuldung. Sie schnallen ihren Gürtel enger und konsumieren weniger. Das zieht die amerikanische Wirtschaft und mit ihr die Weltwirtschaft nach unten.

tagesschau.de: Der Aufschwung hatte Deutschland mit Zeitverzögerung erreicht. Gilt das auch für den Abschwung?

Sinn: Ich gehe davon aus, dass wir noch ein ganz gutes Jahr haben, erst im nächsten Jahr wird es kritisch. Spannenderweise ist das in Deutschland ein Wahljahr.

Die Fragen stellte Christian Radler, tagesschau.de