Facebook-Chef Mark Zuckerberg
Interview

Zuckerberg im ARD-Gespräch "Brauchen aktivere Rolle der Politik"

Stand: 02.04.2019 00:15 Uhr

Was sind unzulässige Inhalte in sozialen Netzwerken? Facebook habe bei diesen Entscheidungen zu viel Macht, sagte Konzernchef Zuckerberg dem ARD-Hauptstadtstudio. Im Juni sollen Experten darüber in Berlin diskutieren.

ARD: Herr Zuckerberg, sprechen wir über das, was Sie unzulässige Inhalte nennen. Es gibt von Land zu Land ganz unterschiedliche Auffassungen, was beispielsweise Hass-Rede ist. Sie selbst sagen, wir haben zu viel Macht bei diesen Entscheidungen. Was ist die Lösung?

Mark Zuckerberg: Wir sind an einem Punkt, an dem wir eine aktivere Rolle der Politik brauchen und eine klare Beschreibung, für was Unternehmen und Regierungen verantwortlich sind. Eine Menge Leute sagen, wir haben zu viel Macht, wenn es um Meinungsäußerungen geht. Dem stimme ich zu.

Ich glaube nicht, dass ein einzelnes Unternehmen so viele Entscheidungen wie wir treffen sollte, was jetzt genau Hass-Rede und politische Meinungsäußerung darstellt. Das sollte die Gesellschaft entscheiden. Das Ideal wäre ein demokratischer Prozess, bei dem Regierungen und Gesetze stärker darin eingebunden sind, klar zu sagen, was die Pflichten von Internetdiensten sind. In der Zwischenzeit arbeiten wir daran, ein unabhängiges Gremium für Inhalte einzurichten.

Facebook-Chef Zuckerberg vor dem EU-Parlament

Bereits 2018 versprach Zuckerberg vor dem EU-Parlament Besserung.

ARD: Wie soll das genau aussehen?

Zuckerberg: Stellen Sie sich das als eine Gruppe von Experten für Meinungsfreiheit und Sicherheit vor, bei der Mitglieder der Facebook-Community Beschwerde einlegen können. Und die Entscheidungen des unabhängigen Gremiums werden bindend sein. Wenn die entscheiden, dass wir etwas zu Unrecht gelöscht haben, dann erscheint es wieder. Da ist dann egal, was ich persönlich oder unsere Teams bei Facebook denken.

Wie das Gremium genau aussehen wird, daran arbeiten wir im Laufe des Jahres. Es wird einige Pilotprojekte geben, eines davon im Juni in Berlin, wo wir eine Menge Wissenschaftler und Experten zusammenbringen wollen. Aber das soll nicht der letzte Schritt sein. Wir wollen einen demokratischeren Prozess, bei dem Regierungen und Gesetzgeber mithelfen, auch einige dieser Leitlinien zu setzen.

"Unsere Abwehrmechanismen sind stärker geworden"

ARD: Die Wahlen zum EU-Parlament stehen an. Wieviel Angst haben Sie, dass Facebook missbraucht wird, um in diese Wahlen einzugreifen?

Zuckerberg: Wir haben eine Menge Schritte unternommen, um die Abwehr gegen solche Einflussnahme zu stärken. Wir wissen, dass Nationalstaaten versuchen werden, sich in diese Wahlen einzumischen. Die Frage ist: Was sind unsere Abwehrmechanismen, die das verhindern und es deutlicher schwieriger machen?

In der EU überprüfen wir jetzt die Identität von jedem, der eine politische Anzeige schalten will. Sie müssen uns einen staatlichen Ausweis vorlegen, um eine Anzeige oder eine große Seite mit viel Verbreitung zu schalten. Wir archivieren die Anzeigen. Jede politische Anzeige wird für sieben Jahre öffentlich einsehbar sein. Sie können sehen, wer sie geschaltet hat, an wen sie gerichtet war, wieviel bezahlt wurde, wer erreicht wurde.

Ich bin zuversichtlich, dass unsere Abwehrmechanismen stärker geworden sind. Aber wir müssen weiter daran arbeiten, da unsere Gegner sich ebenfalls weiterentwickeln.

ARD: Sie haben über die Zukunft gesprochen. Hat Facebook in der Vergangenheit versagt, den Missbrauch abzuwehren?

Zuckerberg: Ohne Zweifel haben Nationalstaaten und bestimmte böse Akteure versucht, über Social Media Wahlen zu beeinflussen. Wenn ich an unsere Verantwortung denke, hat sich unsere Rolle verändert. Wir waren bei diesen Themen reaktiv. Wir haben uns auf die User in unserer Community verlassen, dass sie uns unzulässige Inhalte gemeldet haben - oder Regierungen haben sich an uns gewandt.

Das ist nicht genug. Wir haben die Verantwortung, selbst aktiv zu sein und Systeme zu entwickeln, die Künstliche Intelligenz nutzen. Wenn Inhalte schädlich sind, sollten wir in der Lage sein, sie zu erkennen und zu entfernen, bevor jemand sie sieht.

Aufsteller mit Screenshots russischer US Wahlkampfwerbung

Im US-Wahlkampf 2017 wurde aus Russland gezielt Wahlwerbung geschaltet.

"Breitere Basis bei Entscheidungen"

ARD: Sie haben am Wochenende mehr Regulierung gefordert. In Deutschland gab es danach viele skeptische Kommentare. Verändert sich hier die Firmenpolitik?

Zuckerberg: Ja. Ich denke nicht, dass das vor zwei oder drei Jahren unsere Position war. Aber je tiefer ich seitdem in Themen wie schädliche Inhalte oder politische Einflussnahme eingestiegen bin, umso mehr habe ich erkannt, dass wir da eine Menge tun können - und dass wir eine Verantwortung haben.

Aber ich denke nicht, dass das alles Entscheidungen sind, die Unternehmen allein fällen sollten. Wenn wir die Regeln des Internets heute von Grund auf neu entwerfen würden, würden wir es nicht so anlegen, dass Unternehmen die Regeln selbst aufstellen müssten.

Wir haben die Verantwortung, Systeme zu entwickeln, die die Regeln durchsetzen. Aber was genau erlaubt ist und was politische Meinungsäußerungen sind, sollte auf breiterer Basis in der Gesellschaft entschieden werden.

ARD: Ein Vorwurf von Kritikern lautet: Sie fordern mehr Regulierung, weil nur große Tech-Firmen in der Lage seien, diese auch umzusetzen. Dadurch hätte Facebook einen Vorteil gegenüber kleineren Firmen.

Zuckerberg: Das ist nicht mein Motiv dabei. Natürlich ist es immer der Fall bei jeder Regulierung, dass größere Firmen mehr Ressourcen haben, diese umzusetzen. Aber, wenn ich zum Beispiel fordere, einen Rahmen wie die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) überall umzusetzen, dann würde es das für Startups und Gründer eigentlich einfacher machen.

Die Alternative ist ein Flickenteppich von unterschiedlichen Regeln, wodurch kleine Firmen viel mehr Arbeit hätten, sie einzuhalten. Wenn wir dagegen sagen: Die DSGVO ist eine starke Basis und jedes Land verabschiedet etwas ähnliches, dann würde es am Ende für Unternehmen einfacher, sich daran zu halten.

Das Interview führte Christian Feld, ARD Berlin

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 02. April 2019 um 05:44 Uhr im Deutschlandfunk.