Ikea-Schild in Berlin

Pilotprojekt in Schweden IKEA eröffnet Second-Hand-Filiale

Stand: 02.11.2020 15:48 Uhr

Das Geschäft mit Regalen und Tischen aus zweiter Hand will IKEA nicht länger anderen überlassen. Der Konzern eröffnete seine erste Filiale für gebrauchte Möbel - auch aus Imagegründen.

Gebrauchte Möbel zu verkaufen, ist eigentlich ein alter Hut. Plattformen wie eBay oder Läden wie Stilbruch in Hamburg sind voll von IKEA-Möbeln. Einige Produkte des schwedischen Unternehmens wie das Bücherregal "Billy" haben sich längst zu Klassikern entwickelt. Neu ist, dass der Möbelhersteller nun selbst in das Geschäft mit den Gebrauchtwaren einsteigt. Denn seit heute gibt es im schwedischen Eskilstuna das weltweit erste Second-Hand-Geschäft von IKEA.

Die Entscheidung von IKEA, sich auch auf dem Markt für Gebrauchtes zu engagieren, fällt in eine Zeit, in der Second-Hand vor allem in Schweden im Trend liegt. 2019 stiegen die Umsätze mit Gebrauchtwaren um 15 Prozent. Bisher dominieren vor allem Wohltätigkeitsorganisationen wie das Rote Kreuz das Geschäft.

Teil einer Strategiewende

Das neue IKEA-Einrichtungshaus ist in seiner Größe nicht vergleichbar mit den bisherigen Filialen. In dem Laden gibt es keine Mustereinrichtungen, keine Gratisbleistifte und keine Maßbänder. Auch das Sortiment ist überschaubar. Aber alles, was hier angeboten wird, hat schon einmal irgendwo in einer Wohnung oder einem Haus gestanden.

Der schwedische Konzern erklärt den kleinen Laden zum Teil einer großen Strategiewende. "Wir haben uns bei IKEA entschieden, ein zirkuläres Unternehmen zu werden. Das ist die größte Umstellung, die wir jemals angegangen sind", sagt der schwedische IKEA-Nachhaltigkeitschef Jonas Carlehed.

Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmodell

In zehn Jahren will der Konzern die Wende geschafft haben. "Circular Economy" heißt das unter Ökonomen. Viele sehen darin das Geschäftsmodell der Zukunft. Es bedeutet eine Art Kreislaufwirtschaft. Möglichst wenige neue Ressourcen sollen für die Herstellung von Produkten verwendet und möglichst viel recycelt werden. "Dazu gehört für uns auch, den Lebenszyklus unserer Produkte zu verlängern", so Carlehed. "Wir machen das auch, weil immer mehr unserer Kunden das wünschen!"

Gebrauchte Möbel werden bei IKEA aufgearbeitet.

Gebrauchte Möbel werden bei IKEA in Eskilstuna aufgearbeitet.

Dass das neue IKEA-Pilotprojekt ausgerechnet in Eskilstuna entstanden ist, ist kein Zufall. Die Stadt mit ihren 67.000 Einwohnern liegt knapp zwei Stunden westlich von Stockholm. Hier gibt es schon seit fünf Jahren mit "Retuna" das erste Second-Hand-Kaufhaus der Welt, in dem ausschließlich gebrauchte Artikel verkauft werden. 14 Geschäfte findet man hier unter einem Dach. Von Büchern über Kleidung bis hin zu Fenstern und Türen - hier gibt es so ziemlich alles, was sich gebraucht verkaufen lässt.

IKEA ist nun der erste große Konzern, der bei Retuna einzieht. "Für uns ist das ein wichtiges Signal", sagt Sofia Bystedt, die Geschäftsleiterin des Kaufhauses. "Das bestätigt, dass wir mit unserem Konzept im Trend liegen." Gleich nebenan liegt übrigens der örtliche Recyclinghof. Die Einwohner der Stadt können so schnell und einfach alle Sachen, die sie nicht mehr brauchen, abgeben und wiederverwerten lassen.

In Eskilstuna lässt IKEA die Möbel auch für Kunden aufarbeiten, die das wünschen. Dafür ist der Konzern eine Kooperation mit dem staatlichen Unternehmen Samhäll eingegangen, das vor allem Menschen beschäftigt, die auf dem normalen Arbeitsmarkt nur wenig Chancen haben. Felix Östman von Samhäll ist gerade auch die soziale Nachhaltigkeit wichtig. Wenn etwas einfach weggeworfen wird, schafft das keine neuen Jobs. Die Aufarbeitung der Möbel dagegen schon. "Für uns ist wichtig, dass man eine Kreislaufwirtschaft auch sozial nachhaltig organisiert", sagt Östman.

Neues Konzept dient auch der Imagepflege

IKEA betreibt mit dem neuen Konzept aber auch Imagepflege. Der Konzern setzt bei der Produktion seit Jahrzehnten auf Billiglohn-Länder. Die sozialen Standards sind dort längst nicht so hoch wie im Heimatland Schweden. Das gilt besonders für Hersteller, die für IKEA arbeiten, aber nicht zum Konzern gehören.

Auch das Steuersparmodell der Schweden stand immer wieder in der Kritik. Seit Jahren wird der Konzern als Holding geführt, die ihren Sitz in den Niederlanden hat. Schon der Gründer des Unternehmens, Ingvar Kamprad, galt als Geizkragen. Obwohl er zu Lebzeiten einer der reichsten Männer der Welt war, wollte er keine Krone zu viel ausgeben. So ist er zur Einweihung des ersten Möbelhauses in Moskau mit der U-Bahn gefahren. Das Taxi war ihm zu teuer.

Im Gedenken an den 2018 verstorbenen Firmengründer hat auch das neue Second-Hand-Geschäft in Eskilstuna zwei ganz besondere Hocker ins Sortiment genommen. Sie erinnern an einen Melkschemel, dank ihrer drei Beine wackeln sie nicht. Aber sie waren am Montagvormittag als erstes ausverkauft.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. November 2020 um 15:00 Uhr.