Bauministerin Ina Scharrenbach weiht ein 3D-Wohnhaus in Beckum ein.

Bauen mit dem 3D-Drucker Ein Haus in Schichtarbeit

Stand: 26.07.2021 21:08 Uhr

Ein Haus aus dem 3D-Drucker? In Deutschland entstehen die ersten Wohnhäuser, die Schicht für Schicht aus Beton gedruckt werden. Die Macher des Einfamilienhauses aus dem westfälischen Beckum wollen die Baubranche revolutionieren.

Stolz öffnet Architekt Waldemar Korte die Haustür zu dem 160-Quadratmeter-Einfamilienhaus. Sofort fällt der Blick auf die besondere Wandstruktur im Treppenhaus, die die einzelnen Betonschichten klar erkennen lässt. "Das Besondere ist, dass wir als Planer viel mehr Freiheit bekommen mit dem Betondrucker", sagt Korte. "Wir können uns komplett austoben in der Form. Wir sind viel schneller in der Bauweise. Wir brauchen viel weniger Personal, und das hilft beim Fachkräftemangel auf dem Bau."

100 Stunden, also nur etwas mehr als vier Tage reine Druckzeit brauchte das Einfamilienhaus, das einmalig in Deutschland ist. Die Technik, so hoffen Korte und sein Team, soll das Bauen bundesweit viel schneller und langfristig sogar günstiger machen. "Wir liegen im Moment 15 Prozent über der herkömmlichen Bauweise. In spätestens fünf Jahre werden wir kostengünstiger sein als das herkömmliche Bauen."

Bauen wie ein Konditormeister

Wie bei einer Torte hat der 3D-Drucker, der an einem Gerüst befestigt wird, den speziellen Beton Schicht für Schicht aufgetragen. Die einzelnen Lagen sind im gesamten Haus sichtbar, am Kamin, im Bad, an der Fassade. In fünf Minuten schafft der Drucker einen Quadratmeter Wand und bewegt sich auf seinem programmierten Weg über ein Metallgerüst.

Das Material wurde über Jahre entwickelt, damit es form- und belastbar ist, erklärt Fabian Meyer-Brötz von der Firma PERI. "Beim Drucken mit Beton brauchen wir ein Material, das stabil genug ist, um die nächsten Schichten zu halten", sagt Meyer-Brötz. "Trotzdem muss es chemisch aktiv bleiben, so dass es sich das Material miteinander verbindet und statisch das tut, was wir wollen." Mit einer Düse spritzt das Team den Beton dorthin, wo Wände entstehen sollen und lässt dort Lücken, wo Türen oder Steckdosen folgen. "Für uns ist es eine Revolution der gesamten Bauindustrie, und zwar des gesamten Prozesses", sagt Meyer-Brötz. "Es sind ja nicht nur die Wände, die wir drucken. Auch die Planung und alle anderen Prozesse auf der Baustelle werden durch diese neue Technik beeinflusst."

Eine Entlastung für die Branche?

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe, sieht in dem neuen und schnellen Verfahren eine Chance, die angespannte Baubranche zu entlasten. Allerdings gebe es erst zwei gedruckte Objekte in Deutschland von rund 300.000 neuen Wohnungen und Häusern, die 2020 in Deutschland fertiggestellt wurden. Es sei ein spannender Trend, der vielleicht helfen kann. "Wir glauben, dass 3D-Druck vor allem in der Vorfertigung seinen Markt finden wird. In der Halle werden Teile durch den Drucker gefertigt, dann zur Baustelle gefahren und in modularer Bauweise zusammengefügt", sagt Pakleppa. Das habe den Vorteil, dass man den Drucker nicht immer auf der Baustelle aufstellen und danach umsetzen müsse.

3-D-Drucker soll Baubranche aufmischen

Philipp Wundersee, WDR, tagesthemen, tagesthemen, 26.07.2021 22:30 Uhr

Eine Vision aus grauem Beton

Statt einer Maurerkolonne, die eine Woche arbeitet, waren es in Beckum ein Drucker und nur wenige Fachkräfte, die das Drucken am Laptop überwachen mussten. Jetzt erstrahlt das fertiggestellte Haus mit seinen zwei Stockwerken in der westfälischen Sonne. Sollte man das Haus nicht mehr brauchen, könnte man es sogar einfach wieder absaugen und neu verdrucken. Man müsse vor dem Bau mehr planen, spare aber beim Bau viel Zeit, erklärt Meyer-Brötz. "Wir wollen weniger Fachkräfte auf dem Bau haben, aber unter dem Strich das Handwerk unterstützen", sagt Meyer-Brötz. "Mit einer attraktiven Technologie können wir junge Leute begeistern, wieder auf einer Baustelle arbeiten zu wollen."

Die zwei Etagen in Beckum stehen erst einmal leer. Für anderthalb Jahre wollen Architekt Korte und sein Team das Haus zu Präsentations- und Forschungszwecken nutzen. "Wir kratzen heute an der Oberfläche von dem, was wir zukünftig mit dem Drucker herstellen können", sagt er. Das nächste Projekt will die Firma per 3D-Druck in Arizona in den USA angehen. Mit ihrer Vision wollen sie Schicht für Schicht die Art und Weise des Häuserbaus neu denken.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 26. Juli 2021 um 22:30 Uhr.