Griechenland ohne Regierung Zweiter Anlauf platzt - Neuwahl letzte Chance?

Stand: 09.05.2012 21:36 Uhr

Schrille Töne aus Athen gegen das Spardiktat aus Brüssel, scharfe Worte schallen zurück und auch der zweite Versuch der Regierungsbildung ist gescheitert - eine Lösung ist nicht in Sicht. Ein Austritt oder Rauswurf des Landes aus der Euro-Zone ist so gut wie unmöglich. Sind Neuwahlen der letzte Ausweg aus dem Chaos?

Politisches Chaos in Griechenland - und kein Ende in Sicht. Der Chef des Radikalen Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras, wettert gegen das Spardiktat aus Brüssel, will die von der Vorgängerregierung gemachten Zusagen nicht einhalten, aber sein Land im Euro halten. Seine Versuche, eine Regierung zu bilden, waren angesichts dieser radikalen Positionen bereits vorab zum Scheitern verurteilt. "Das Volk hat kein Mandat zur Zerstörung des Landes erteilt", sagte der Chef der konservativen Neuen Demokratie (ND), Antonis Samaras. Seine Partei wurde bei der Parlamentswahl am Sonntag mit knapp 19 Prozent stärkste Kraft, doch auch er scheiterte auf der Suche nach Koalitionspartnern. Ohne die ND aber ist eine Regierungsbildung fast unmöglich.

Tsipras gibt Mandat zurück

So scheiterte am Abend auch die zweite Runde der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Koalitionsregierung. Tsipras und der Vorsitzende der griechischen Sozialisten, Evangelos Venizelos, konnten sich nicht auf die Bildung einer Regierung zusammen mit anderen Kräften im Parlament einigen. Tsipras habe ihm die Bildung einer breiten Regierung angeboten, die aber alle Sparmaßnahmen auf Eis legen solle, sagte Venizelos. Dies habe er abgelehnt, weil so der Bruch mit der EU drohe. Auch die anschließenden Gespräche Tsipras' mit der ND endeten nach kurzer Zeit ergebnislos. Die Chefs der Parteien konnten sich nicht auf die Bildung einer Regierung zusammen mit anderen Kräften im Parlament einigen.

Der Chef der Syriza will nun das Sondierungsmandat zurückgeben. "Wir können unseren Traum von einer linken Regierung nicht umsetzen", sagte Tsipras.

Samaras rief alle Kräfte der politischen Mitte und des rechten Spektrums auf, eine pro-europäische Front zu bilden. Die von den Linksradikalen geforderte einseitige Annullierung des Sparprogramms werde "zur Katastrophe führen". Samaras, der sich selbst lange energisch gegen das Spardiktat aus Brüssel gewehrt hatte, suchte Tsipras von seinem radikalen Kurs abzubringen. "Eine vereinbarte Änderung des Kredit-Deals ist die eine Sache, etwas ganz anderes ist es, sie einseitig zu verurteilen", sagte er.

Sozialisten-Chef Venizelos versucht Regierungsbildung

Nun will sich Sozialisten-Chef Venizelos um die Bildung einer Regierung bemühen. Als drittstärkste Kraft ist seine Partei jetzt am Zuge. Er werde in Kürze von Staatspräsident Karolos Papoulias mit der Regierungsbildung beauftragt, sagte der Chef der Pasok-Partei. Bis Mitte Mai muss Griechenland eine handlungsfähige Regierung haben. Sollten alle Gespräche scheitern, muss binnen 30 Tagen neu gewählt werden.

Und darauf hoffen EU sowie die Regierungen der Euro-Zone. Neuwahlen gelten angesichts der verfahrenen politischen Lage in Athen als letzter Ausweg. Die Hoffnung in Brüssel: Wird ein neuer Wahlgang zu einer Volksabstimmung über den Verbleib im Euro, dann würden die Griechen zu den bisher regierenden Parteien zurückkehren und sich wieder von den radikalen Parteien abwenden.

Brüsseler Drohkulisse

Zunächst aber baute man in Brüssel eine Drohkulisse auf: Nicht sparen und trotzdem den Euro haben - das geht nicht, machte die EU-Spitze klar. "Es gibt zwischen Griechenland und der Eurozone eine Vereinbarung. Und Griechenland muss die einhalten", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

"Die griechischen Repräsentanten müssen die Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, genau so einhalten, wie wir die Verpflichtungen einhalten, die wir gegenüber Griechenland eingegangen sind", ergänzte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Jeder Zweifel an der Vertragstreue Griechenlands "würde in den Finanzmärkten sofort katastrophale Verunsicherung nach sich ziehen". Griechenland könne ohne schmerzhafte Reformen seinen Lebensstandard nicht halten: "Das ist die bittere Wahrheit. Und um die darf man das griechische Volk nicht betrügen."

"Regeln einhalten"

Den schärfsten Druck baute Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn auf: Kein Land werde auch nur einen Teil der 130 Milliarden Euro neuer Notkredite freigeben, "wenn nicht eine Regierung am Werke ist, die die Regeln einhält", sagte er auf dem Europaforum in Brüssel. Das sei "keiner Demokratie in Europa zumutbar". Wenn die Griechen im Euro bleiben wollten, müssten sie auch Parteien unterstützen, die sich dazu bekennen.

Erstmals sprach auch ein Vertreter der EZB öffentlich von einem möglichen Euro-Aus für Griechenland. Das Land könne nach den Wahlen nicht mit einer Bereitschaft der EZB rechnen, sein Sanierungsprogramm neu zu verhandeln, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen im "Handelsblatt". "Griechenland muss klar sein, dass es zu diesem vereinbarten Sanierungsprogramm keine Alternative gibt, wenn es Mitglied der Euro-Zone bleiben will." Bislang war ein Euro-Aus von der EZB nie öffentlich thematisiert worden.

Ein Ausscheiden des Landes ist auch vertraglich nicht vorgesehen. Weder ein Austritt noch ein Rauswurf ist möglich. Denn gemäß dem EU-Vertrag von Lissabon ist eine Mitgliedschaft in der Währungszone "unwiderruflich".

Nächste Hilfszahlung überwiesen - eine Milliarde weniger

Trotz der Unsicherheit über die künftige Regierung in Griechenland erhält das hochverschuldete Land am Donnerstag die nächste internationale Hilfszahlung. Das habe das Direktorium des Euro-Krisenfonds EFSF bei einer Sitzung bestätigt, teilte der EFSF am Abend in Luxemburg mit. Allerdings fließt zunächst eine Milliarde Euro weniger als geplant. Von der Kreditrate in Höhe von 5,2 Milliarden Euro werden 4,2 Milliarden Euro ausgezahlt. Die restlichen 1,0 Milliarde Euro benötige Athen nicht vor Juni. Dieses Geld werde "abhängig von den finanziellen Bedürfnissen Griechenlands" überwiesen, schrieb der Fonds.