Einigung in Athen vor EU-Gipfel erwartet Annäherung beim Feilschen um Schuldenerlass

Stand: 28.01.2012 04:06 Uhr

Beim zähen Ringen darum, wie viele Schulden die privaten Gläubiger Griechenland erlassen, gibt es Fortschritte. Das teilte die Regierung in Athen mit. Der Internationale Bankenverband bestätigte dies. Die Gespräche gehen heute weiter. Dennoch wächst der Druck auf Euro-Staaten und EZB, ebenfalls auf Geld zu verzichten.

Bei den Verhandlungen Griechenlands mit seinen privaten Gläubigern um einen Schuldenerlass zeichnen sich Fortschritte ab. Nachdem Ministerpräsident Lucas Papademos und Finanzminister Evangelos Venizelos eine weitere Verhandlungsrunde mit dem Internationalen Bankenverband IIF abgeschlossen hatten, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums, in juristischen und technischen Fragen seien sich beide Seiten deutlich nähergekommen. Die Einschätzung wurde auch vom Internationalen Bankenverband IIF bestätigt, der die Mehrheit der privaten Gläubiger vertritt. Die Verhandlungen sollen heute fortgesetzt werden. Ziel ist es, noch vor dem EU-Gipfel am Montag zu einer Vereinbarung über die Details des geplanten Schuldenschnitts zu kommen.

Vor den Verhandlungen hatte sich Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zuversichtlich gezeigt, "dass wir eine Lösung finden". Er ist Chef des IIF, der im Namen der Branche in Athen verhandelt. "Wir haben sehr viel getan. Das sind immerhin fast 70 Prozent Verlust, die wir in Kauf nehmen", sagte Ackermann dem Fernsehsender n-tv mit Blick auf den von Griechenland angestrebten Schuldenerlass.

Ringen um höheren Verzicht der Gläubiger

Ursprünglich hatten die privaten Gläubiger zugestimmt, auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. Dies soll dadurch geschehen, dass sie Staatsanleihen zum halben Nominalwert in neue Staatsanleihen mit langer Laufzeit tauschen. Der Zinssatz, der für die neuen Papiere gelten soll, ist ein Punkt in den Gesprächen. In den Verhandlungen geht es aber vor allem darum, angesichts der sich weiter verschlechternden Haushaltslage Griechenlands einen höheren Schuldenerlass zu vereinbaren.

Ackermann verlangte in diesem Zusammenhang eine Beteiligung aller Gläubiger. Der IIF vertritt nur rund 60 Prozent der privaten Gläubiger, bei denen Griechenland mit rund 200 Milliarden Euro verschuldet ist. Ein wichtiger Teil der Anleihen des Landes liegt in den Händen von Hedgefonds. Ob diese die Vereinbarung zu einem freiwilligen Schuldenerlass mittragen, ist ungewiss. Ackermann zielte mit seiner Forderung allerdings vor allem auch auf die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Staaten der Eurozone ab.

EZB lehnt Beteiligung am Schuldenschnitt ab

Die EZB ist durch den Kauf von griechischen Anleihen im Wert von geschätzten 40 bis 45 Milliarden Euro inzwischen vermutlich der größte Einzelgläubiger. Sie wehrt sich aber bislang entschieden, sich an dem Schuldenschnitt der privaten Gläubiger zu beteiligen. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen betonte, dass die beim Euro-Gipfel im Herbst vereinbarte Abkürzung PSI für die Privatsektor-Beteiligung an einer Griechenland-Sanierung für "private sector involvement" stehe. "Die EZB und das Euro-System sind klar nicht privat", betonte er.

Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker machte derweil deutlich, dass er einen größeren Beitrag der Euro-Länder beim Schuldenerlass für Griechenland für notwendig hält. "Wenn die griechische Schuldentragfähigkeit unter Beweis gestellt wird und es ein Gesamtverständnis mit dem privaten Sektor gibt, wird sich auch der öffentliche Sektor fragen müssen, ob er nicht die Hilfestellung leistet", sagte er der österreichischen Zeitung "Der Standard". Ob die EZB sich beteilige, sei aber allein Sache der unabhängigen Notenbank.

Druck auf Regierung in Athen wächst

In Deutschland wuchs der Widerstand gegen eine mögliche Aufstockung des zweiten Rettungspakets für Griechenland. Bundesaußenminister Guido Westerwelle lehnte es ab, mehr als die bislang geplanten 130 Milliarden Euro bereitzustellen. "Ich kann keinen Sinn darin erkennen, dass jede Woche mehr Geld ins Schaufenster gelegt wird", sagte er. Ähnlich äußerte sich CSU-Chef Horst Seehofer. "Wenn die Griechen die Reformprogramme nicht umsetzen, kann es keine weiteren Hilfen geben", sagte er dem Magazin "Spiegel". Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte eine harte Haltung gegenüber Athen. Die ersten Koalitionsabgeordneten kündigten unterdessen an, gegen ein neues Griechenlandpaket stimmen zu wollen. Der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter, der bisher allen Euro-Rettungspaketen zugestimmt hat, würde das im Falle Griechenlands nicht mehr tun. Auch der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach kündigte an, er werde nicht für neue Griechenlandhilfen stimmen.

Zuvor hatte bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verlangt, Griechenland dürfe nicht nur versprechen, sondern müsse auch "liefern". Das Land habe nicht alle Zusagen eingehalten. Vor diesem Hintergrund berichten die "Financial Times" und die Nachrichtenagentur Reuters übereinstimmend, dass Deutschland in den Verhandlungen darauf dränge, dass die EU zumindest teilweise die Kontrolle über die griechische Finanzpolitik übernimmt. Demnach sollen die Finanzminister der Euro-Länder vor Zahlungen aus dem zweiten Hilfspaket einen Beauftragten ernennen, der ein Veto gegen finanzielle Entscheidungen der Regierung in Athen einlegen kann. Weil Griechenland seine Zusagen bislang nicht zufriedenstellend eingehalten habe, müsse es akzeptieren, "für einen gewissen Zeitraum" die Souveränität über seinen Haushalt abzugeben, heißt es laut "Financial Times" in einem deutschen Antrag an die Eurogruppe.

Sondergipfel der Euro-Staaten im Gespräch

Möglicherweise wird am Montag im Anschluss an den EU-Gipfel noch ein Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten anberaumt, um gesondert über die Situation Griechenlands zu beraten. Bislang gilt die Vereinbarung, dass die privaten Gläubiger den Griechen 100 Milliarden Euro Schulden erlassen. Im Gegenzug wollten die Euro-Staaten und der IWF ein zweites Hilfspaket mit 130 Milliarden Euro bereitstellen. Auf diese Weise soll der griechische Schuldenberg so weit reduziert werden, dass er bis 2020 nur noch 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Derzeit sind es 160 Prozent.

Doch die aktuellen Haushaltszahlen aus Athen und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes deuten darauf hin, dass diese Rechnung nicht mehr aufgeht. Unklar ist, wie viel zusätzliches Geld im Vergleich zu den Beschlüssen vom Herbst notwendig wäre, damit Griechenland bis 2020 die Gesamtverschuldung tatsächlich auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. Die Troika aus EU, EZB und IWF geht nach "Spiegel"-Informationen von einem zusätzlichen Bedarf von 15 Milliarden Euro aus. Andere Quellen gehen eher von zehn Milliarden Euro aus. Ohne diese höhere Entlastung läge Griechenlands Gesamtverschuldung 2020 laut Schätzungen noch bei 125 bis 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.