Greenpeace Protest gegen DWS-Anlagestrategien

EU-Nachhaltigkeitsverordnung Gute Berater, schlechter Beratungscheck?

Stand: 13.11.2022 09:46 Uhr

Nachhaltigkeitsberatung bei der Geldanlage ist seit Sommer Pflicht. Eine Greenpeace-Studie kritisiert, die Deutsche Bank komme dem nicht ausreichend nach. Doch weist die Studie selbst handwerkliche Mängel auf.

Von Bianca von der Au, tagesschau.de

Anissa Brinkhoff war undercover für Greenpeace unterwegs. Die Podcasterin und Finanzjournalistin hat als verdeckte Testkäuferin ein Beratungsgespräch mit einer Deutsche-Bank-Filiale in Hamburg verabredet. Ihr Anliegen war es, sich in Sachen nachhaltige Geldanlage beraten zu lassen. Ihr Fazit fällt gemischt aus. "In einem Fall konnte mir die Beraterin überhaupt nicht weiterhelfen. Ihr Kollege, mit dem ich dann ein zweites Gespräch verabredet hatte, war inhaltlich super aufgestellt."

Brinkhoff ist Finfluencerin: Sie bietet interessierten Menschen, die ihr über verschiedene Internet-Kanäle folgen, Einblicke und Hintergründe in Finanzthemen aus ihrer ganz persönlichen Sicht. Greenpeace war für die verdeckte Recherche auf Brinkhoff zu gekommen.

Greenpeace nimmt 38 Gespräche als Grundlage

Insgesamt hat die Umweltschutzorganisation für diese Aktion 38 Testgespräche durchführen lassen um zu prüfen, inwieweit Berater der Deutschen Bank und Postbank die EU-Verordnung bereits umsetzen und die Kunden aktiv nach ihrer Präferenz fragen, Geld nachhaltig anzulegen.

In den von Greenpeace beauftragten 38 Testgesprächen seien diese Themen aber nur von einem Drittel der Berater aktiv angesprochen worden. Die Organisation folgert daraus, dass die Anlageberatung bei Deutscher Bank und Postbank nur unzureichend dem Wunsch nach einer klimaverträglichen Geldanlage Rechnung trage.

Finanzexpertin sieht methodische Mängel

Für Banking- und Finance-Professorin Christina Bannier von der Universität Gießen weist der Beratungscheck in seiner Methodik Ungereimtheiten und handwerkliche Schwächen auf. So sind nach Greenpeace-Angaben Personen in eine Testberatung geschickt worden, die nur geringes Vorwissen beim Thema nachhaltige Geldanlage gehabt hätten. "Diese Testpersonen sollten dann aber nach einem kurzen Briefing von Greenpeace in die Lage versetzt werden, die Fachkenntnisse des Beraters korrekt einzuschätzen. Das halte ich für sehr strittig, dass man da zu einer korrekten Einschätzung kommt", so Bannier.

Weiter bemerkt die Wissenschaftlerin, dass 38 Gespräche statistisch nicht auswertbar seien. "Das fällt unter anekdotische Evidenz", kritisiert Bannier gegenüber tagesschau.de. Man könne hier vielleicht ein erstes Gefühl entwickeln, aber aus Sicht der Finanzexpertin lässt sich daraus kein ernsthaftes Ergebnis deuten.

Ganz grundsätzlich begrüße die Finanzexpertin, wenn Verbraucherschützer oder Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace genau hinschauten, ob am Markt ein gewisses Fehlverhalten vorliege und ob es zu Fehlberatungen komme. Gegenüber tagesschau.de sagt Bannier: "Ich glaube, das ist durchaus ein ganz wichtiges Korrektiv." Doch sieht die Forscherin in diesem Fall beträchtliche Schwächen, die dazu führten, "dass man das Ergebnis nicht als objektiv oder repräsentativ bezeichnen kann."

Deutsche Bank sieht sich auf Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Aus Sicht der Deutschen Bank ist die von Greenpeace geäußerte Kritik nicht nachvollziehbar, da weiterführende Informationen und Einzelheiten zu den Beratungsgesprächen fehlten. Ein Sprecher der Deutschen Bank betonte zudem auf Nachfrage von tagesschau.de, dass Schulung und Weiterbildung in der Bank oberste Priorität haben, gerade auch mit Blick auf Nachhaltigkeit.

"Um mit unseren Kund*innen ins Gespräch über nachhaltige Geldanlagen und Finanzierungen zu kommen, haben wir frühzeitig und deutlich vor den regulatorischen Anforderungen bei der Deutschen Bank das Konzept der 'grünen' Filialen vorangetrieben." Zum Jahresende werden nach Unternehmensangaben alle 400 Filialen der Bank nach diesem Konzept ausgestattet sein.

Auf der Webseite der Deutschen Bank ist beispielhaft eine große grüne Aufsteller-Wand in Wiesenoptik abfotografiert mit der fetten, hellgrün abgesetzten Frage: "Banking und Nachhaltigkeit - wie passt das zusammen?" In einer "grünen" Filiale der Deutschen Bank in Dresden wurde im Foyer eine große Echt-Moos-Wand aufgestellt, "als Blickfang, um mit unseren Gästen ins Gespräch über Nachhaltigkeit zu kommen", so erkärte es der Niederlassungleiter schon Anfang letzten Jahres gegenüber einer Regionalzeitung.

Greenpeace kritisiert nachhaltige Fonds der DWS

Den Greenpeace-Finanzexperten Mauricio Vargas überzeugt das alles nicht; in seiner Kritik geht er sogar noch einen Schritt weiter: Er hält nicht nur die Beratungspraxis für unzureichend, sondern auch die Finanzprodukte, die als nachhaltig angeboten werden. Insbesondere die als nachhaltig deklarierten Fonds der DWS, der Vermögensverwaltungstochter der Deutschen Bank. Hier greift Greenpeace einzelne Fonds heraus und kritisiert, dass diese trotz der sogenannten ESG-Kennung hohe Anteile von kontroversen Öl- und Gasunternehmen beinhalten. "ESG" steht für "Environment, Social, Governance", was übersetzt in etwa "Umwelt, Soziales, Unternehmensführung" bedeutet.

Die DWS weist die Greenpeace-Kritik an den eigenen Fonds zurück; insbesondere den Vorwurf der Irreführung von Verbrauchern. Die Kriterien, nach denen Unternehmen Teil eines DWS-ESG-Fonds werden können, seien klar ausgewiesen. So sind beispielsweise Unternehmen, die bis zu 15 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle machen, erlaubt.

Ein DWS-Sprecher führte auf Nachfrage von tagesschau.de die Position der Fondsgesellschaft aus: "Wir stimmen mit Greenpeace überein, dass der Klimawandel sofortiges Handeln bedingt. Während Greenpeace jedoch die sofortige Desinvestition bestimmter Unternehmen fordert, stehen für die DWS als Treuhänderin der Gelder ihrer Kunden die möglichen langfristigen und ganzheitlichen Auswirkungen eines umgehenden Ausstiegs auf Wirtschaft und Gesellschaft im Vordergrund." So könne ein großer Aktionär wie die DWS auch Druck auf Unternehmen ausüben, sich zu verbessern, heißt es weiter.

Höchster Nachhaltigkeitsstandard "verschwindend gering"

Finanzprofessorin Bannier von der Uni Gießen weist auf ein allgemeines Problem hin: "Wenn ein Kunde sagt, er möchte sehr stark nachhaltig investieren - und das war ja genau das, was in der Greenpeace-Studie passiert ist, da sollten die Testkunden nach klimaverträglichen Anlagen fragen -, je stärker der Wunsch nach einer nachhaltigen Anlage ist, desto weniger Produkte gibt es überhaupt am Markt, die darauf passen."

Sogenannte Artikel-9-Fonds, die als höchster Standard in der Nachhaltigkeitskategorisierung der EU gelten, machen nach Angaben der Finanzexpertin nur einen kleinen Teil des gesamten Anlagemarktes aus. "Der Anteil ist verschwinden gering." Das heißt nach Einschätzung der Wissenschaftlerin im Beratungsgespräch gerade für Kunden mit ganz starken Nachhaltigkeits-Präferenzen, dass der Berater höchst wahrscheinlich in vielen Fällen überhaupt kein passendes Produkt anbieten kann.

Gute Beratung individuelles Glück?

Bannier räumt zudem ein, dass die neue EU-Nachhaltigkeitsverordnung die Berater mit der Umsetzung ziemlich allein lasse. "Das Gesetz ist hier sehr klar, was abgefragt werden soll, macht aber den Beratern gar keine Empfehlungen, wie sie das umsetzen sollen." So verlange das Gesetz, dass Berater ihre Kunden fragen müssen, welchen Anteil die Kunden in "taxonomiekonforme Anlagen" investieren wollen, welchen Anteil in "offenlegungskonforme Anlagen" und welche "nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen" sie berücksichtigt haben wollen. "Sie merken schon an den Worten: Das ist dermaßen technischer Jargon, das versteht eigentlich kein Kunde", so Bannier.

Nun ist die Übersetzung von Fachsprache in Kundenbedürfnis sicher auch eine Aufgabe von Beratern. Gerade in diesem Punkt wünscht sich Finfluencerin Brinkhof, die für Greenpeace zwei verdeckte Testgespräche durchgeführt hat, einheitliche Qualitätsstandards. "Aktuell ist es ein bisschen individuelles Glück, an wen man gerät." Und das könne bei einem ersten zögerlichen Interesse an nachhaltiger Geldanlage abschreckend wirken.

Bianca von der Au, HR, 09.11.2022 15:52 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete hr-Info am 18. Oktober 2022 um 16:56 Uhr.