Hintergrund

Zyperns Bankensystem Wie das Modell jahrelang prächtig funktionierte

Stand: 11.04.2013 14:44 Uhr

Zypern hat jahrelang sehr gut an seinem Bankensystem verdient. Geldwäsche und Steuerbetrüger brachten viel Geld ins Land - vor allem aus Russland. Eine Auswertung amtlicher Statistiken und wissenschaftlicher Analysen zeigt, wie das alles jahrelang ablief.

Von Ingo Nathusius, HR

Der wirtschaftliche Erfolg Zyperns brachte der Bevölkerung jahrelang hohen Nutzen. Auch wenn jetzt Anleger durch das Rettungsprogramm zur Kasse gebeten werden, geht es zyprischen Anlegern noch immer weit besser als deutschen. Eine Auswertung amtlicher Statistiken und wirtschaftswissenschaftlicher Analysen durch den Hessischen Rundfunk macht deutlich, wie Zypern jahrelang als Drehscheibe für Geldwäsche und Steuerflucht hohe Profite erwirtschaftet hat.

Unternehmen zahlen in Zypern zehn Prozent Steuern, was sehr wenig ist. In Deutschland wird fast dreimal soviel fällig. Dank niedriger Steuern, einfacher Unternehmensgründung und problemloser Verwaltung vor Ort ist Zypern formal ein hochkapitalistisches Land geworden: Während der vergangenen zehn Jahre stieg die Zahl der Unternehmen auf mehr als das Doppelte. Derzeit sind 272.000 Unternehmen registriert - bei einer mäßig wachsenden Bevölkerung von aktuell 860.000 Menschen.

Zieht man Tankstellen, Kioske und Imbissbuden, mittelständische Unternehmen und die wenigen Großunternehmen ab, bleibt eine sechsstellige Zahl Briefkastenfirmen.

Viel Geld dank des "Treuhänderstaats"

Das Konzept des "Treuhänderstaats" spülte viel Geld ins Land. Das Kapital, das auf Zyperns Banken gelandet ist, stieg während der vergangenen Jahre extrem. Vieles landete auf persönlichen Konten und auf Konten ordentlicher ausländischer Unternehmen. Sie wollen Steuern sparen und transferieren Teile ihrer Vermögen und ihres Geschäfts nach Zypern. Solche Anleger von außerhalb der EU haben zuletzt allein 19 Milliarden Euro auf Zyperns Banken gehalten.

Das sind Peanuts im internationalen Geschäft der Steuerparadiese. Entscheidend sind die Briefkastenfirmen. Deren Geld soll nicht auf zyprischen Konten herumliegen - es muss arbeiten. Das kleine Zypern war beispielsweise lange Zeit der größte Auslandsinvestor im Riesenreich Russland. Der russische Volkswirtschaftsprofessor Alexei Kusnezow errechnete, dass 2010 rund 180 Milliarden Dollar von Zypern nach Russland flossen.

Es ist naheliegend zu vermuten, dass hier weder Zyprer ihre Milliarden anlegen, noch internationale Investoren den Umweg über Nikosia wählen. Hinter den Transaktionen stecken Russen.

Beliebtes Ziel für Russen

Dafür kann es zwei Gründe geben: Einerseits mögen reiche Russen Zweifel haben, ob ihr Geld in Russland sicher ist. Mit Inländern springen die russische Verwaltung und Justiz oft härter um als mit Ausländern. Investitionen übers Ausland fließen zu lassen verspricht mehr Sicherheit.

Andererseits wird auch illegales Geld dabei sein. Viele russische Unternehmen wurden während der vergangenen Jahre von Managern ausgeblutet. Ausländische Unternehmen aus dem Einflussbereich der russischen Manager kaufen unter Wert Grundstücke oder stellten Rechnungen für angebliche Leistungen. Die so beiseite geschafften Werte werden mit weiteren Scheingeschäften über ein oder mehrere Steuerparadiese geleitet und schließlich ganz legal wieder in Russland investiert: Geldwäsche.

Der ganzen Republik ging es gut

Das System Zyperns funktionierte jahrzehntelang: niedrige Steuern, schnelle, anonyme Unternehmensgründungen, preiswerte englischsprachige Treuhänder, Notare und Wirtschaftsprüfer, keine Kontrolle und Verfolgung von Geldwäsche haben den griechischsprachigen Südteil der Insel boomen lassen, während der türkisch besetzte Norden wirtschaftlich nicht auf die Beine kam.

Den Profit zogen nicht nur die Juristen, Banker und Wirtschaftsberater in Nikosia. Der ganzen Republik ging es gut. Fatalerweise investierten die Banken ihre Gewinne nicht sinnvoll, sondern setzten auf Spekulationen mit griechischen Staatsanleihen und überboten sich mit wirtschaftlich unvernünftigen Angeboten.

Anfang 2011 zahlten sie Sparern noch über vier Prozent Zinsen, wenn Geld für zwei Jahre festgelegt wurde. Nach Auskunft des Frankfurter Datenmaklers Max Herbst gab es in Deutschland zur selben Zeit nur 1,75 bis 1,78 Prozent Zins. Daher sind viele zyprische Anleger, die als Beitrag zur Sanierung jetzt auf Teile von Guthaben über 100.000 Euro verzichten müssen, immer noch besser dran als Sparer im Rest Europas, die jahrelang Zinsen unter der Inflationsrate bekamen.

Geldgeber wollen eine andere Wirtschaftsverfassung

Das internationale Hilfsprogramm nötigt den zyprischen Staat zu sparen. Bankguthaben verfallen teilweise. Doch entgegen der öffentlichen Diskussion wird die zyprische Wirtschaft nicht grundlegend durch die Sparauflagen verändert. Die internationalen Geldgeber verlangen vielmehr wesentliche Änderungen der Wirtschaftsverfassung. Die Unternehmenssteuer soll steigen - wenn auch moderat auf 12,5 Prozent. Die Bankenaufsicht soll verbessert, Geldwäsche in Zukunft bekämpft werden.

Ob das zu nachhaltiger Änderung der zyprischen Wirtschaftsstruktur führt, ist offen. Die "FAZ" stellte fest, dass zyprische Banken nach wie vor auf dauerhafte Kapitalzufuhr bauen - sie bieten für einjährige Sparguthaben aktuell sagenhafte 4,1 Prozent Zins.