Sicherheitskontrolle am Flughafen Berlin-Brandenburg

Chaos an deutschen Flughäfen Können "Gastarbeiter" das Problem lösen?

Stand: 27.06.2022 14:43 Uhr

Warteschlangen, verlorenes Gepäck, Annullierungen: Personalengpässe sorgen derzeit für Chaos an deutschen Flughäfen. Die Bundesregierung will gegensteuern und ausländische Hilfskräfte anwerben. Einfach wird das nicht.

Von Kai Küstner, ARD Berlin

Das so viel diskutierte "Koffer-Chaos" ist für viele Reisende fast noch das geringste Problem: Deutschlands Flughäfen warten derzeit mit so vielen Überraschungen auf, dass man zum Start in den Urlaub - so man denn den Flieger als Beförderungsmittel wählt - vor allem eines im Handgepäck haben sollte: Zeit.

Das Problem: Während der mageren Pandemie-Jahre haben die Unternehmen im Luftverkehr massiv Personal abgebaut - oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich aus freien Stücken eine neue Beschäftigung gesucht. Die Folge: Laut Institut der Deutschen Wirtschaft fehlen an deutschen Flughäfen mehr als 7000 Fachkräfte.

Hinzu kommt, dass die Pandemie alles andere als vorbei ist: Auch wegen Corona-Krankmeldungen sagte die Lufthansa 3000 Flüge für die Haupturlaubszeit ab, Easyjet muss allein für Berlin auf 1000 Flüge verzichten.

Gigantische Herausforderungen

Obwohl sie sich streng genommen dafür gar nicht als zuständig betrachtet, will die Bundesregierung nun helfen, diesen Mangel zu beheben. Kurzfristig. Dafür haben die Ministerien Verkehr, Arbeit und Innen eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Doch die Herausforderungen sind gigantisch.

Einer der Haupt-Knackpunkte liegt in der nötigen Sicherheitsprüfung. Die Kontrolle von Handgepäck und das Abtasten der Passagiere will Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf keinen Fall von ungelernten Aushilfen aus dem Ausland durchführen lassen, wie ihr Chefsprecher Maximilian Kall jetzt bestätigte: "Bei den Sicherheitskontrollen kommt das wegen der dort nötigen Ausbildung und den dort nötigen Sicherheitsstandards nicht in Betracht, sondern bei einfacheren Tätigkeiten wie der Gepäckabfertigung."

Doch da gerade bei der Gepäck- und Passagierdurchleuchtung die Personalnot besonders groß ist, stellt sich die Frage, ob sich das Problem mit der geplanten Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte überhaupt lösen lässt.

Aufwändige Sicherheitsüberprüfung

Hinzu kommt: Ein Saisonarbeiter auf einem Spargelfeld unterscheidet sich eben doch von einem Mitarbeiter an einem sensiblen Ort wie einem Flughafen. Letzterer muss - egal, wo er oder sie eingesetzt ist - sicherheitstechnisch eine blitzsaubere Weste haben und einem aufwändigen Hintergrund-Check unterzogen werden. Aus dem Innenministerium heißt es, diese von den einzelnen Bundesländern vorgenommene Überprüfung dauere in der Regel zwei Wochen. 

Im Gespräch ist, dass rund 2000 Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland, vor allem aus der Türkei, angeworben werden. Die Türkei bietet sich insofern an, als aufgrund eines bestehenden Assoziierungsabkommens mit der EU die rechtlichen Hürden nicht so hoch sind wie bei anderen Drittstaaten.

Zumutbare Unterkünfte und Tarifverträge gefordert

Völlig unkompliziert ist die Sache deshalb noch lange nicht: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil drängt vor allem darauf, dass die Arbeitskräfte ordentliche, wenn auch zeitlich befristete Tarifverträge bekommen und in zumutbaren Unterkünften leben können. Hatte man zu Zeiten der Großen Koalition das Problem der prekären Sammelunterkünfte in der Fleischindustrie anzugehen versucht, soll dieses Phänomen nun nicht anderer Stelle wieder auftauchen.

Wie schnell sich all diese Fragen klären lassen und wie rasch die neuen "Gastarbeiter", wie sie hier und da schon genannt werden, wirklich kommen können, ist noch unklar. Und damit auch, welche Länge die Geduldsfäden haben müssen, die Flugreisende zum Urlaubsstart besser im Handgepäck haben sollten. 

Kai Küstner, Kai Küstner, ARD Berlin, 27.06.2022 14:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 27. Juni 2022 um 17:00 Uhr.