Übernahmeangebot an HRE-Aktionäre ausgelaufen Enteignung eher unwahrscheinlich

Stand: 05.05.2009 00:03 Uhr

Das Übernahmeangebot des Bundes an die Aktionäre der Hypo Real Estate ist um Mitternacht ausgelaufen – doch einige Anteilseigner wollten es nicht annehmen, darunter auch Großaktionär JC Flowers. Was aber passiert, wenn der Bund die Mehrheit der Aktien nicht erhält? Und was hat der Staat überhaupt mit dem maroden Institut vor?

Von Klaus-Rainer Jackisch, HR Frankfurt

Ein Zusammenbruch der Krisenbank wäre ein Desaster – in dieser Auffassung stimmen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und J. Christopher Flowers, Großaktionär der Hypo Real Estate (HRE), überein. Doch das ist auch der einzige gemeinsame Nenner – ansonsten liegen Welten zwischen den beiden Herren.

Flowers droht mit Klagen...

Steinbrück will sich die Mehrheit an dem schwer angeschlagenen Immobilienfinanzierer sichern und hat den freien Aktionären ein Angebot von 1,39 Euro je Papier gemacht – immer noch ein guter Preis, meint der Minister, schließlich wäre die Bank ohne die mehr als 100 Milliarden Euro, die die Steuerzahler in Form von Hilfen und Garantien in das Institut gepumpt haben, längst Pleite. Flowers will sich damit aber nicht abspeisen lassen - er hält mehr als 20 Prozent der Anteile, die er für 22,50 Euro je Papier gekauft hat, und will auch weiterhin Aktionär bleiben. Einen Verkauf seiner Anteile lehnt er ab. Auch droht er, vor Gericht zu ziehen, sollte der Bund die gesetzlich mögliche Enteignung einleiten.

...und Steinbrück gibt sich gelassen

Steinbrück gibt sich bei alledem gelassen – nicht nur, weil die Gerichte trotz der verständlichen Bedenken von Flowers dem Bund angesichts der verheerenden Lage der HRE kaum in den Rücken fallen dürften. Sondern auch, weil Steinbrück nicht unbedingt die Mehrheit der Anteile braucht, um seine Ziele umzusetzen. Zwar wäre es für den Bund komfortabler, wenn er mindestens 50 Prozent der HRE-Papiere kontrollieren würde. Doch auch mit deutlich weniger könnte Steinbrück seine Strategie auf der Hauptversammlung am 2. Juni durchsetzen: Selten sind alle Vertreter der Kapitalseite auf so einer Versammlung vertreten. Großaktionäre, in diesem Fall der Bund, könnten dann trotzdem ihre Ideen umsetzen.

Setzt der Bund auf Kapitalerhöhung?

Steinbrücks Politik ist klar: Der Staat will auf dieser Hauptversammlung eine massive Kapitalerhöhung durchsetzen – und die neuen Papiere sofort selbst in Besitz nehmen. Durch die sehr hohe Anzahl der frisch herausgegebenen Aktien würden die Anteilsverhältnisse massiv verwässert, so dass der Bund voraussichtlich auf rund 90 Prozent der Anteile kommen könnte. Dies wiederum gäbe Steinbrück die Möglichkeit, die restlichen Aktionäre in einem sogenannten Squeeze-Out-Verfahren aus dem Unternehmen zu drängen – dafür sind normalerweise 95 Prozent notwendig. Doch die extra für diesen Fall geschneiderte Gesetzeslage erlaubt diese Möglichkeit auch bei 90 Prozent.

"Zunächst Hauptversammlung abwarten"

Angesichts dieses Szenarios ist es auch fraglich, ob die Bundesregierung tatsächlich von der Möglichkeit der Enteignung Gebrauch machen wird. Dieser ordnungspoltische Sündenfall ist vor allem im Lager von FDP und CDU/CSU, aber durchaus auch in Teilen der SPD umstritten. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums machte gegenüber tagesschau.de jedenfalls deutlich, dass die Enteignung nicht auf jeden Fall umgesetzt werde und man zunächst die Hauptversammlung und das Abstimmungsergebnis dort abwarten werde. Sollte es dennoch zur Enteignung kommen, könnte sich Steinbrück das Verfahren der Kapitalerhöhung und des Squeeze Outs sparen und würde ebenfalls 100 Prozent an dem Institut besitzen.

Sanierungsplan bereits in der Schublade

In beiden Fällen säße der Bund am längeren Hebel: Er könnte die Hypo Real Estate entweder geordnet abwickeln – oder aber radikal sanieren. Für dieses zweite Szenario gibt es bereits konkrete Pläne des HRE-Vorstandes. Danach soll die Bank aus der Finanzierung von Infrastruktur-Projekten wie Autobahnen oder Brücken ganz aussteigen und sich stattdessen auf die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Europa, Japan und den USA sowie das Pfandbriefgeschäft konzentrieren. Riskante Wertpapiere sollen verkauft werden. Insgesamt soll das Institut massiv verkleinert werden, dazu sollen bis 2013 rund 1000 der gegenwärtig etwa 1800 Arbeitsplätze wegfallen.

Verstaatlichen, sanieren, verkaufen?

Der Bankenrettungsfonds SoFFin, der letztlich als verlängerter Arm des Bundesfinanzministeriums alle Verhandlungen mit der HRE führt, unterstützt diese Pläne. Sollte es dem Bund auf diese Weise gelingen, das marode Institut zu sanieren, könnte die Bank dann wieder privatisiert werden. Das wäre der Idealfall, bei dem auch die Steuerzahler mit einem blauen Auge davon kommen würden. Auf einen potenziellen Käufer für das dann sanierte Institut dürfte Steinbrück freilich nicht hoffen – auf J. Christopher Flowers.

Hintergrund

Der US-Investor J.C. Flowers will im Fall einer Enteignung gegen die Bundesregierung klagen. Er sieht sein Grundrecht auf Eigentum bedroht und argumentiert, das vom Bund ausgedrückte Gemeinwohlinteresse sei im Fall der Hypo Real Estate (HRE) nicht hinreichend definiert. Auch handele sich beim Rettungsübernahmegesetz, das die Enteignung erlaubt, um ein verbotenes Einzelfallgesetz.

Das Bundesfinanzministerium verweist auf die gravierenden Verwerfungen bei der HRE sowie die dramatischen Gefahren für den Bankensektor, sollte der Staat nicht handeln. Dies könne zu nicht vertretbaren Folgen für die Steuerzahler führen. Diese Interessen seien höher zu bewerten als die Anliegen Flowers.

Flowers kann binnen zwei Wochen nach einer möglichen Enteignung beim Bundesverwaltungsgericht klagen, das spätestens vier Wochen nach Eingang entscheiden muss. Wegen möglicher Grundrechtsverletzungen könnte Flowers auch das Bundesverfassungsgericht anrufen.