Hintergrund

Streit um Finanzmarktsteuer Zocker sollen die Zeche zahlen

Stand: 14.02.2013 16:32 Uhr

Eine Besteuerung der Finanzmärkte ist umstritten. Nach langer Debatte wollen zumindest elf EU-Staaten den Anfang machen und 2014 eine Finanztransaktionssteuer einführen. Das soll nicht nur Spekulanten bremsen. Vor allem sollen die Verursacher der Krise zur Kasse gebeten werden.

Von David Rose, tagesschau.de

Seit Ausbruch der Finanzkrise erschallt immer wieder derselbe Ruf: Banken und Spekulanten sollen für die Krise zahlen, die sie selbst mit verursacht haben und die die milliardenschweren Rettungspakete notwendig machte. Am häufigsten wurde dabei gefordert, die Finanzmärkte zu besteuern. Im Detail verbergen sich dahinter jedoch zwei mögliche Varianten: die Finanztransaktionssteuer und die Finanzaktivitätssteuer.

Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer

Die Finanztransaktionssteuer soll im Grundsatz beim gesamten Handel an den Finanzmärkten fällig werden. Klar ist, dass dies zumindest Aktien, Anleihen, Devisen und Derivate träfe. Aber auch sonstige Wertpapiere und Rohstoffe könnten einbezogen werden. Unstrittig ist, dass die Steuer auf den Handel an Börsen erhoben werden soll. Ob auch der außerbörsliche Handel erfasst werden soll und kann, bleibt in der allgemeinen Debatte oft unklar. Je nach Vorschlag soll Steuersatz zwischen 0,01 und 0,1 Prozent des Kurswertes jeder Transaktion liegen.

Ein anderes Konzept steckt hinter der Finanzaktivitätssteuer. Deren Bemessungsgrundlage wären Gewinne der Finanzkonzerne sowie Gehälter und Bonuszahlungen. Dieses Vorgehen eignet sich im Gegensatz zur Finanztransaktionssteuer kaum dazu, Spekulationsgeschäfte einzudämmen. Zudem wären die Einnahmen aus einer Finanzaktivitätssteuer laut Schätzungen niedriger. Allerdings birgt sie nach Meinung von Experten eine geringere Gefahr, dass der Handel an Finanzplätze verlagert wird, an denen die Steuer nicht erhoben wird. Mit Hinweis darauf lehnen viele Kritiker nämlich die Finanztransaktionssteuer ab - oder argumentieren, dass sie nur international eingeführt werden könnte.

Als Negativbeispiel führen Gegner immer wieder das Beispiel Schweden an. Dort wurde in den 1980er-Jahren eine Art Finanztransaktionssteuer eingeführt, genauer gesagt eine Börsenumsatzsteuer auf Aktien, Anleihen und weitere Finanzprodukte. Bei einigen Wertpapieren brach der Handel daraufhin um 85 Prozent oder sogar noch stärker ein. Ein erheblicher Teil des Handels verlagerte sich nach London. Die Folge war, dass statt der erhofften Steuereinnahmen von 165 Millionen Euro pro Jahr nur neun Millionen Euro in die Staatskasse flossen. Schweden schaffte die Steuer deshalb 1992 wieder ab.

Kehrtwende bei Merkel im Jahr 2010

In Deutschland rang sich die Koalition im Mai 2010 zur gemeinsamen Forderung nach einer Finanzmarktsteuer durch, ließ aber zunächst beide Varianten offen. Merkel war bis dahin gegen eine Finanztransaktionssteuer, weil diese international nicht durchsetzbar sei. Die Bundeskanzlerin unterstützte seinerzeit eine Finanzaktivitätssteuer. Nach dem Koalitionsbeschluss trat sie weiter für eine Besteuerung der Finanzmärkte ein und setzte sich bald darauf sowohl auf europäischer wie auf internationaler Ebene für eine Finanztransaktionssteuer ein.

Im Sommer 2012 einigte sich die Bundesregierung mit SPD und Grünen auf ein gemeinsames Bekenntnis zur Einführung der Steuer - notfalls auch nur im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit einiger EU-Staaten. Diese gemeinsame Position war Ergebnis der Verhandlungen über eine breite Bundestagsmehrheit für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt.

International holte sich Merkel mit dem Werben für eine Finanztransaktionssteuer aber wiederholt eine Abfuhr. Der EU-Gipfel im Juni 2010 beschloss lediglich die vage Formulierung, dass "die Einführung einer globalen Finanztransaktionssteuer sondiert und weiter ausgestaltet" werden solle. Die globale Einführung der Steuer war aber nach dem folgenden G8- und G20-Gipfel in Toronto vom Tisch.

Elf Länder machen den Anfang

Die von Deutschland und Frankreich fortan vertretene Position, die Finanztransaktionssteuer notfalls auch allein auf europäischer Ebene einzuführen, stieß lange auf den harten Widerstand der EU-Kommission. Innerhalb der EU gelten zudem Großbritannien und Schweden bis heute als entschiedene Gegner der Pläne. Doch nach einiger Zeit vollzog zumindest die EU-Kommission eine Kehrtwende. Sie legte unter dem deutsch-französischen Druck im September 2011 Vorschläge zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in den 27 EU-Staaten vor - wegen des anhaltenden Streits zwischen den EU-Staaten wurden die Pläne im Frühjahr 2012 jedoch auf Eis gelegt.

Als Ausweg setzten vor allem Deutschland und Frankreich auf die Einführung der Steuer in jenen EU-Staaten, die das Vorhaben unterstützen. Die EU-Finanzminister billigten dieses Vorgehen im Rahmen der sogenannten "verstärkten Zusammenarbeit", die in den EU-Verträgen ausdrücklich vorgesehen ist. Wenn mindestens neun EU-Staaten mitmachen, können sie gemeinsam handeln und eine europäische Rechtsgrundlage schaffen. Sie gilt zunächst nur für diese Staaten, aber alle anderen EU-Länder können sich jederzeit noch anschließen. Auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer einigten sich zunächst elf Staaten: Neben Deutschland und Frankreich sind dies Belgien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei.

Wie die gemeinsame Finanztransaktionssteuer aussehen wird, müssen die beteiligten Staaten noch beschließen. Noch ist aber völlig unklar, wann die Details der Umsetzung klar sein könnten und wann die Steuer dann tatsächlich kommen soll. Ausgangspunkt des Gesetzgebungsprozesses ist der Entwurf, den die EU-Kommission am 14. Februar 2013 vorlegte. Dieser wiederum schließt an die ursprünglichen Brüsseler Pläne vom September 2011 an.

Privatleute weitgehend ausgenommen

In der überarbeiteten Fassung schlägt die EU-Kommission eine Untergrenze für den Steuersatz vor. Er soll bei 0,1 Prozent für Geschäfte mit Aktien, Anleihen und anderen Wertpapieren gelten. Für den Handel mit hochspekulativen Produkten wie Derivaten soll ein Satz von mindestens 0,01 Prozent greifen. Die Steuer trifft den Plänen zufolge den Handel zwischen Finanzinstituten. Privatleute sollen weitgehend ausgenommen werden - deshalb muss bei Krediten, Hypotheken und beim Abschluss von Versicherungen keinen Finanztransaktionssteuer bezahlt werden. Ob Kleinanleger bei Aktiengeschäften, die Banken in ihrem Auftrag durchführen, letztlich über höhere Kosten der Geldhäuser die Steuer mitbezahlen, ist noch unklar.

Die Europäische Zentralbank soll von der Steuer ausgenommen sein - ebenso wie andere Notenbanken und der Euro-Rettungsschirm ESM, wenn es um den Aufkauf von Papieren im Zuge der Unterstützung für verschuldete Staaten geht.

Generell soll die Finanztransaktionssteuer immer dann gezahlt werden, wenn der Käufer oder der Verkäufer aus einem der elf Länder stammt, die die Steuer erheben wollen. Zudem sind den Plänen zufolge auch alle Finanzprodukte betroffen, die in einem der Länder ausgegeben wurden - zum Beispiel Staatsanleihen.

Einnahmen von 31 Milliarden Euro erwartet

Das Geld muss an die Regierung jenes der elf Länder gezahlt werden, in dem das jeweilige Finanzinstitut seinen Sitz hat. Die EU-Kommission rechnet mit Einnahmen von 31 Milliarden Euro pro Jahr. Wer von den Einnahmen letztlich profitiert, ist aber noch ungewiss.

Denn im ursprünglichen Entwurf von 2011 brachte die EU-Kommission die Idee ins Spiel, die Finanztransaktionssteuer als neue eigene Einnahmequelle für den EU-Haushalt einzuführen. Das ist zwar in der neuen Fassung nicht mehr direkt vorgesehen. Aber die elf Staaten sollen diese Idee im weiteren Verlauf der Beratungen zumindest prüfen. Ziel ist, dass die Finanztransaktionssteuer ab Januar 2014 erhoben wird.