
Schlüsselfigur im Steuerskandal "Mr. Cum-Ex" erneut vor Gericht
Hanno Bergers mutmaßliche Steuerhinterziehung mit Cum-Ex-Geschäften soll den Staat viele Millionen gekostet haben. In Bonn läuft bereits ein Prozess gegen ihn. Ab heute sitzt er auch in Wiesbaden auf der Anklagebank.
Ob Hanno Berger auch heute wieder seinen Umzugskarton voll mit Ordnern aus dem Gefängnis in Köln mitbringen wird? Die Chancen dafür stehen gut. Umfangreiche Vorträge hat der ehemalige Frankfurter Steueranwalt als Zeuge vor Gericht schon gehalten. Der Mann, der sich selbst als Opfer eines Justizskandals sieht, muss sich von heute an vor dem Landgericht Wiesbaden verantworten - der Vorwurf: täterschaftliche Steuerhinterziehung über 106 Millionen Euro.
Drahtzieher im Steuerskandal?
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bezeichnet ihn als Schlüsselfigur, als "Spiritus Rector" des größten Steuerraubs Deutschlands, in den die HypoVereinsbank und die M.M. Warburg verwickelt sind. Berger, der einst höchster Bankprüfer Hessens war, soll als Berater jahrelang Banken und Superreiche für das Cum-Ex-Prinzip gewonnen haben. Dabei wurde bei Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividenden die Kapitalertragssteuer vom Staat mehrfach erstattet, obwohl die zuvor nur einmal gezahlt worden war. Geschätzte zwölf Milliarden Euro hat der Steuerklau den Staat gekostet.
Die Beteiligten haben den Gewinn mutmaßlich untereinander aufgeteilt. 27 Millionen Euro soll Berger sich selbst in die Tasche gesteckt und in Briefkastenfirmen in einer karibischen Steueroase gebracht haben. Er bestreitet das.
Schweiz liefert Berger aus
Als im November 2012 Steuerfahnder und Staatsanwälte Bergers Büroräume im Frankfurter Skyper-Hochhaus durchsuchen, ist er bereits auf dem kürzesten Weg in die Schweiz. Neun Jahre lang hält sich Berger hier in einem idyllischen Alpendorf versteckt. In der Schweiz gilt Steuerhinterziehung als Ordnungswidrigkeit und ist kein Auslieferungsgrund.
Erst als deutsche Richter urteilen, dass Cum-Ex-Geschäfte auch als gewerbsmäßiger Bandenbetrug gelten können, klingelt es vergangenen Sommer im Kanton Graubünden an der Tür des 71-Jährigen. Seitdem ist die Luft dünn geworden für den mutmaßlichen Drahtzieher der Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland. Seit April muss sich Berger bereits vor dem Landgericht Bonn verantworten.
Der Vorwurf ist auf 142 Seiten Anklageschrift der Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker zu lesen. So soll Berger 2006 die Cum-Ex-Geschäftsidee perfektioniert und bei der Hamburger Privatbank M.M. Warburg platziert haben. Gefälligkeitsgutachten sollen aus seiner Feder stammen, bevor er schlussendlich Superreiche für die Cum-Ex-Deals gewonnen haben soll.
Erste Gefängnisstrafen für Cum-Ex-Banker
Vor zwei Jahren wurden im ersten Prozess in Bonn zwei Kronzeugen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Im Februar dieses Jahres gestand dann ein Banker der M.M. Warburg-Tochter, die damaligen Vorgänge schöngeredet zu haben, weil er Angst hatte, dass dies das Ende seiner Karriere bedeutete. Er bekam darauf strafmildernde Umstände und drei Jahre und sechs Monate Gefängnis.
Zuvor entschied das Gericht, dass ein anderer M.M. Warburg-Banker für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis muss - ein Urteil mit Signalwirkung für die mehr als 1000 Cum-Ex-Beschuldigten deutschlandweit.
Der Millionenbetrug im Fall Roth
Während seine ehemaligen Weggefährten mit der Staatsanwaltschaft teilweise kooperieren, soll Berger die Justizvertreter unter anderem schon einmal als "Schweinerichter" betitelt haben. In Wiesbaden wird es nun darum gehen, welche Rolle Berger genau im Fall des verstorbenen schwerreichen Immobilienunternehmers Rafael Roth gespielt hat. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft Berger vor, 2006 als Berater der HypoVereinsbank dem Geschäftsmann Roth das Cum-Ex-Modell schmackhaft gemacht zu haben.
Roth war bereit, Milliarden zu investieren und nahm dafür einen 500-Millionen-Euro-Kredit bei der HypoVereinbank auf. "Hanno Berger kommt da laut Anklage eine sehr tragende Rolle in Deutschland zu", schätzt der Mannheimer Steuerprofessor Christoph Spengel die hohe Bedeutung des Prozesses in Wiesbaden im Zusammenhang mit dem gesamten Steuerskandal ein.
Ermittlungen gegen mehrere Verdächtige
Fünf Geschäftsleute der HypoVereinsbank - drei Londoner Aktienhändler und zwei Bankmitarbeiter - sollen Roths Geld in Aktien angelegt haben und sorgten laut Anklage mit Hilfe von Leerverkäufen mit einem Gesamtvolumen von 15,8 Milliarden Euro dafür, dass Roth und andere Beteiligte zwei oder mehr Steuerrückzahlungen kassierten. Der Gewinn: 106 Millionen Euro.
Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft ermittelt seit zehn Jahren gegen die drei Aktienhändler, die zwei Bankmitarbeiter und gegen Berger, der als Hauptbeschuldigter Beraterhonorare von 2,7 Millionen Euro bekommen haben soll. Die Anklage ist fast 1000 Seiten dick. Die Hypo-Vereinsbank hat das Geld inzwischen an das Finanzamt zurückgezahlt. Nun geht es um die Frage, ob die Verantwortlichen ins Gefängnis kommen. Einer der Londoner Aktienhändler, Paul Mora, hat sich allerdings nach Neuseeland abgesetzt. Die Generalstaatsanwaltschaft arbeitet weiter an seiner Auslieferung. Die anderen beiden Ex-Kollegen leben im Ausland. Das Landgericht Wiesbaden sagt, es habe momentan keine Kapazitäten, den Prozess gegen sie zu eröffnen.
Berger droht hohe Gefängnisstrafe
Bleiben die zwei Banker und Berger. Nun ist also Berger als Angeklagter an der Reihe. Die Vorzeichen für ihn stehen nicht gut. Denn Bundesgerichtshof und Bundesfinanzhof haben inzwischen höchstrichterlich entschieden, dass Cum-Ex Geschäfte strafbar und steuerrechtswidrig waren. Das werde den Prozess erheblich beschleunigen, schätzt Christoph Spengel ein. "Die Fälle sind komplett 'durchermittelt'. Man kann dem Angeklagten seine Rolle nachweisen", sagt Spengel, und da Berger - soweit öffentlich bekannt - bisher nicht mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert habe, sei mit einem harten Urteil gegen ihn zu rechnen.
Bergers Verteidiger haben inzwischen zum Teil hingeschmissen. Sie sollen sich mit ihrem als redselig geltenden Mandanten überworfen haben - und so wird der Angeklagte heute auch mit Pflichtverteidigern vor dem Landgericht Wiesbaden erscheinen müssen. Es kommen unbequeme Tage auf "Mister Cum-Ex" zu.