Die Deutsche Börse in Frankfurt
Marktbericht

Zweigeteilte Börsenwelt Erholung auf wackligen Füßen

Stand: 10.05.2022 22:21 Uhr

Schnäppchenjäger haben heute die niedrigen Kurse zum Einstieg genutzt. Der DAX beendete seine viertägige Verlustserie. An der Wall Street jedoch zeigten sich die Anleger weniger mutig.

Gespaltene Börsenwelt: Während es an den europäischen Aktienmärkten nach oben ging, präsentierten sich die US-Börsen uneinheitlich. Der Dow Jones kippte nach anfänglichen kräftigen Gewinnen ins Minus. Der US-Blue-Chip-Index verlor 0,26 Prozent und fiel zeitweise auf den tiefsten Stand seit März 2021. Auch der breiter gefasste S&P 500 tat sich schwer und schloss nur 0,25 Prozent fester bei knapp über 4.000 Punkten. Nur der Nasdaq 100 legte deutlich zu - um 1,3 Prozent. Allerdings war der technologielastige Index am Montag schon erheblich unter die Räder geraten und auf ein Eineinhalbjahres-Tief gefallen.

Es sei klar gewesen, dass die Kursgewinne nicht lange halten würden, sagte Aktienhändler Dennis Dick vom Brokerhaus Bright Trading. Schließlich wolle niemand auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn die US-Inflationsdaten morgen höher ausfielen als gedacht. "Die Nervosität vor den Zahlen ist hoch."

Experten rechnen für April mit einer Abschwächung der Teuerungsrate im Jahresvergleich auf 8,1 von 8,5 Prozent. Von diesen Zahlen versprechen sich Börsianer Rückschlüsse auf das Tempo der erwarteten US-Zinserhöhungen. Sollte die Inflation über den Markterwartungen liegen, würde dies erneut Spekulationen auf raschere Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed schüren.

Weniger ängstlich zeigten sich die Anleger auf der anderen Seite des Atlantiks. Die wichtigsten europäischen Börsen schlossen im Plus und beendeten die jüngste Verlustserie. Vor allem der DAX drehte auf, nachdem er zuletzt vier Tage hinereinander im Minus geschlossen hatte. Zeitweise gewann er zwei Prozent. Weil zum Xetra-Ende der Rückenwind der Wall Street nachließ, reichte es nur zu einem Plus von 1,2 Prozent. Mit knapp 13.535 Punkten ging der deutsche Leitindex aus dem Handel. Damit hat er seit Anfang Mai gut 500 Zähler eingebüßt. Gestern markierte er gar ein Zweimonats-Tief.

Es waren vor allem Schnäppchenjäger, die an den deutschen Aktienmarkt zurückkehrten. Diese nutzten die günstigen Kurse zum Wiedereinstieg. Die zuletzt erkennbare Abwärtstrend-Dynamik sei zu heftig gewesen, meint Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect.

Die Chartexperten von Index-Radar sprachen angesichts der Erholung vom "Turnaround-Tuesday". Demzufolge werden die überdurchschnittlich starken Verluste an Montagen oft an Dienstagen wieder aufgeholt. Folglich gilt auch der Dienstag als statistisch erfolgreichster Börsentag.

Doch eine echte Wende ist das nicht. Trotz des kurzen Aufbäumens bleibe der DAX weiter in seinem kurzfristigen Abwärtstrend, betonten die Charttechniker. Erst wenn der Leitindex sich über den Schwellen von 14.000 und 14.200 Punkte festsetze, könne Entwarnung gegeben werden. Danach sieht es zurzeit nicht aus. "Die Stimmung ist wegen des Ukraine-Kriegs, der Fed-Zinserhöhungen und der Corona-Lockdowns in China aber immer noch angeschlagen", warnte auch Rabobank-Anlagestrategin Jane Foley.

Update Wirtschaft vom 10.05.2022

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau24

Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, blieb mit 103,83 Punkten auf Tuchfühlung mit seinem jüngsten 19-1/2-Jahres-Hoch. Der Euro hielt sich weiter über 1,05 US-Dollar. Die sich abzeichnende Zinswende in der Eurozone stützt die Gemeinschaftswährung etwas. Auch Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sprach sich für eine mögliche Zinserhöhung im Sommer aus. "Wenn sowohl die eingehenden Daten als auch unsere neue Projektion diese Ansicht im Juni bestätigen, werde ich für einen ersten Schritt zur Normalisierung der EZB-Zinsen im Juli plädieren", sagte Nagel bei einer Veranstaltung in Eltville.

Ermutigend sind neue aktuelle Konjunkturdaten aus Deutschland. Die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten haben sich auf niedrigem Niveau überraschend aufgehellt. Das ZEW-Stimmungsbarometer stieg im Mai gegenüber dem Vormonat um 6,7 Punkte auf minus 34,3 Punkte. Analysten hatten im Schnitt einen weiteren Rückgang auf minus 43,5 Punkte prognostiziert. Von einem Stimmungsumschwung zu reden wäre aber verfrüht: "Dieser leichte Anstieg ist nicht die Wende zum Besseren", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. "Derzeit ist die Unsicherheit generell zu hoch."

Zum Trost gibt es für Aktionäre ja noch Dividenden. Und die fallen dieses Jahr so üppig aus wie nie. Laut einer Studie der DZ Bank wird die Gesamtsumme der Dividenden für das Geschäftsjahr 2021 eine Rekordsumme von 57 Milliarden Euro erreichen. Der bisherige Höchstwert lag für das Geschäftsjahr 2017 bei 49,3 Milliarden Euro. Die DZ Bank analysierte die Dividendenzahlungen aller Unternehmen im DAX, im MDAX und im TecDAX.

Schnäppchenjäger stoppten die Talfahrt von Digitalwährungen wie Bitcoin. Der Bitcoin verteuerte sich um 1,1 Prozent auf 31.283 Dollar, nachdem die Cyber-Devise im Sog des allgemeinen Ausverkaufs an der Börse erstmals seit zehn Monaten unter die Marke von 30.000 Dollar gefallen war. Im vergangenen November hatte der Bitcoin bei rund 69.000 Dollar einen Höchststand erreicht.

Der Gesundheitskonzern Fresenius hat bekräftigt, an seinem Russland-Geschäft festzuhalten. Das DAX-Unternehmen werde trotz des Angriffs auf die Ukraine "Stand jetzt" in Russland bleiben, hieß es in einer Rede von Vorstandschef Stephan Sturm, die vor der Hauptversammlung an diesem Freitag veröffentlicht wurde. "Denn auch das gehört zu unserer Verantwortung als Gesundheitskonzern."

Das Unternehmen betreibe in Russland rund 100 Dialysezentren für Nierenkranke und versorge Krankenhäuser und andere Einrichtungen mit Arzneien und klinischer Ernährung. "Wir können unsere Patientinnen und Patienten dort nicht einfach im Stich lassen", so Sturm.

Die ING Deutschland schafft nach eigenen Angaben die Negativzinsen für einen Großteil ihrer Privatkunden ab. Zum 1. Juli erhöht die Bank die Freibeträge für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten, für die kein Verwahrentgelt fällig wird, von derzeit 50.000 auf 500.000 Euro pro Konto, wie das Institut mitteilte. Die ING Deutschland gebe damit die positive Zinsentwicklung auf den Kapitalmärkten frühzeitig an ihre Kundinnen und Kunden weiter.

Mit einem Plus von über fünf Prozent zählte die Bayer-Aktie zu den Top-Gewinnern im DAX. Der Bayer-Konzern hat im ersten Quartal seinen Umsatz um fast ein Fünftel auf 14,6 Milliarden Euro verbessert. Konzernchef Werner Baumann hatte die Aktionäre auf der Hauptversammlung Ende April bereits auf einen positiven Auftakt eingestellt: "Gerade im Agrargeschäft sehen wir ein deutlich positiveres Marktumfeld als in den vergangenen Jahren." Unter dem Strich blieben zum Jahresstart 3,3 Milliarden Euro an Gewinn - nach 2,09 Milliarden vor einem Jahr.

Die Münchener Rück ist trotz hoher Belastungen durch den Ukraine-Krieg mit etwas mehr Gewinn ins Jahr gestartet. Im ersten Quartal blieb ein Überschuss von 607 Millionen Euro und damit rund zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Allerdings gab es Belastungen durch Abschreibungen auf russische und ukrainische Anleihen. Zudem verbuchte der Konzern Versicherungsschäden von knapp über 100 Millionen Euro infolge des Ukraine-Kriegs.

Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport hat trotz der Erholung des Passagierverkehrs im ersten Quartal rote Zahlen geschrieben. Weil der Konzern knapp 50 Millionen Euro auf ein Darlehen im Zusammenhang mit seiner Beteiligung am Flughafen in St. Petersburg abschrieb, gab es einen Verlust von rund 108 Millionen Euro. Im ersten Quartal stieg der Umsatz im Vergleich zum lockdowngeprägten Vorjahreszeitraum überraschend stark um 40 Prozent auf knapp 540 Millionen Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen legte um gut drei Viertel auf knapp 71 Millionen Euro zu.

Der Gewerbeimmobilienkonzern DIC Asset weist für das erste Quartal mit 26,7 Millionen Euro ein operatives Ergebnis (Funds from Operations, FFO) praktisch auf Vorjahresniveau aus. Durch Ankäufe der vergangenen zwölf Monate seien die Bruttomieteinnahmen um sieben Prozent auf 25,0 Millionen Euro gestiegen. Der Konzernüberschuss brach auf 9,5 Millionen Euro ein, was DIC Asset auf das hohe Verkaufsergebnis des Vorjahres und Einmaleffekte im Berichtsquartal zurückführte.

Der Rüstungskonzern Rheinmetall kann bald die ersten instandgesetzten Panzer vom Typ Marder liefern. "Wir könnten zum Beispiel mittelfristig insgesamt 100 Marder zur Verfügung stellen, die ersten wären in drei Wochen fertig", sagte der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger der "Süddeutschen Zeitung". "Wir warten auf die endgültige Entscheidung der Regierung. Aber es gibt derzeit genügend Länder, die diese Fahrzeuge haben wollen, nicht nur die Ukraine."

Der größte deutsche Rüstungskonzern verfügt über große Bestände von gebrauchten Panzern, etwa vom Typ Marder und Leopard 1, die nun angesichts des Kriegs in der Ukraine wieder aufbereitet werden.

Der US-Luftfahrtkonzern Boeing hat im April deutlich weniger Flugzeuge ausgeliefert als im Vormonat. Insgesamt übergab der Airbus-Rivale laut eigenen Daten vom Dienstag 35 Maschinen an Kunden - im März waren es 41. Der Großteil entfiel auf den früheren Problemflieger 737 Max. Airbus lieferte im April dagegen 48 Verkehrsflugzeuge aus und erhielt Bestellungen für 98 Maschinen. Im ersten Drittel des Jahres hätten die Kunden 190 Maschinen in Empfang genommen, hieß es aus Toulouse. Damit hat der Hersteller erst gut ein Viertel seines Ziels erreicht, in diesem Jahr rund 720 Maschinen auszuliefern. Allerdings ziehen die Auslieferungen bei Airbus üblicherweise gegen Jahresende an.

Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler erwartet im laufenden Jahr ein Umsatzwachstum von sechs bis acht Prozent. Die Ergebnismarge (Ebit) vor Sondereffekten soll zwischen fünf und sieben Prozent liegen. Für das abgelaufene erste Quartal gab die Gruppe ein Umsatzwachstum von 1,9 Prozent auf 3,758 Milliarden Euro bekannt. Die Ebit-Marge sank von 11,2 auf 6,9 Prozent. Schaeffler hatte Anfang März erklärt, angesichts nicht vorhersehbarer Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zunächst keine Prognose zu wagen.

Neues gab's am Abend von Tesla-Chef Elon Musk: Er zeigte sich offen für einen Einstieg des Elektroautobauers bei einem Bergbau-Unternehmen. Das stehe nicht außer Frage, sagte Musk am Dienstag auf einer Veranstaltung der Zeitung "Financial Times". "Es ist nicht so, dass wir uns wünschen, Bergbau-Unternehmen zu kaufen, aber wenn das die einzige Möglichkeit ist, den Wandel zu beschleunigen, dann werden wir das tun."

Zudem will der Technologie-Milliardär die Verbannung des früheren US-Präsidenten Donald Trump von Twitter rückgängig machen, sobald die Übernahme des Kurznachrichtendiensts erfolge. "Ich würde das dauerhafte Verbot aufheben", sagte Musk bei der Konferenz. Der Rauswurf sei ein "Fehler" gewesen. Ein endgültiger Rauswurf von Nutzern sei eine "moralisch schlechte Entscheidung", weil er das Vertrauen in Twitter untergrabe. "Das heißt nicht, dass jemand alles sagen kann, was er will", betonte der reichste Mensch der Welt. Bei "illegalen oder anderweitig destruktiven" Tweets könnte es eine Suspendierung des Nutzerkontos geben, eine "Auszeit".

Die Papiere von Peloton stürzten an der Wall Street um bis zu 20,4 Prozent ab und waren mit 11,25 Dollar so billig wie nie. Der Fitnessgeräte-Hersteller hatte einen Umsatz-Einbruch und einen überraschend hohen Verlust von 757,1 Millionen Dollar bekanntgegeben. Außerdem warnte Firmenchef Barry McCarthy, dass die Kapitaldecke mit 879 Millionen Dollar für ein Unternehmen dieser Größe dünn sei.

Novavax-Papiere erlebten eine Achterbahnfahrt. Nach einem Minus von zeitweise knapp 22 Prozent drehten die Aktien noch leicht ins Plus. Die Pharmafirma hat bislang nur einen Bruchteil der für 2022 angepeilten mindestens zwei Milliarden Dosen ihres Coronavirus-Vakzins ausgeliefert.

Die Männer-Dating-App Grindr strebt über einen zwei Milliarden Dollar schweren Spac-Deal an die Singapurer Börse. Grindr werde mit der leeren Unternehmenshülle ("Special Purpose Acquisition Company", SPAC) Tiga Acquisition verschmelzen, teilte das Unternehmen mit. Die Dating-Plattform für queere Menschen zählt nach eigenen Angaben rund elf Millionen Nutzer im Monat und ist im vergangenen Jahr um 30 Prozent gewachsen. Konkurrenten wie Tinder-Eigner Match und Bumble sind bereits börsennotiert.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 10. Mai 2022 tagesschau24 um 09:00 Uhr und Inforadio um 22:37 Uhr.