Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Schwache Einzelhändler Konjunktursorgen drücken die Wall Street

Stand: 14.04.2023 22:15 Uhr

Vor allem schwache Einzelhandelsumsätze trafen heute den Nerv des New Yorker Aktienmarktes empfindlich. Überraschend positive Bankergebnisse traten hingegen schnell in den Hintergrund.

Die großen US-Aktienindizes sind zum Wochenschluss allesamt mit Verlusten aus dem Handel gegangen. Damit ging ein Teil der Gewinne des Vortages in einem weiterhin unsteten Marktumfeld wieder verloren. Vor allem schwache Einzelhandelsumsätze drückten empfindlich auf die Stimmung, nachdem überraschend besser als erwartet ausgefallene Bankbilanzen zum Beginn der neuen Berichtssaison zunächst positiv aufgenommen wurden.

Die Einnahmen der US-Einzelhändler sanken im März um 1,0 Prozent zum Vormonat. Befragte Ökonomen hatten mit einem Minus von 0,4 Prozent gerechnet. "Diese Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Wirtschaft tatsächlich so weit verlangsamen könnte, dass wir uns eher um eine Rezession als um eine Inflation sorgen müssen", sagte Robert Pavlik, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Dakota Wealth.

Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte am Ende 0,42 Prozent schwächer bei 33.886 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,21 Prozent auf 4137 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gab 0,35 Prozent auf 12.123 Stellen nach, der Auswahlindex Nasdaq 100 sank um 0,23 Prozent. Alle Indizes grenzten im späten Handel ihre Verluste dabei noch ein.

Gleichzeitig mit den schwachen Daten aus dem Einzelhandel wurden aber auch eine Reihe anderer Konjunkturzahlen veröffentlicht, die deutlich besser ausfielen als erwartet. So stieg die Industrieproduktion im März überraschend um 0,4 Prozent und die von der Uni Michigan ermittelte Verbraucherstimmung für den April legte ebenfalls entgegen der Erwartungen zu.

Die ambivalente Datenlage sorgt für viel Verunsicherung bei der Einschätzung, ob und wann die Notenbank Federal Reserve (Fed) mit ihrem Zinszyklus am Ende ist. Zumal sich auch führende Fed-Banker offensichtlich nicht einig sind bei der Beurteilung der Lage.

So forderte Fed-Direktor Christopher Waller eine weitere Verschärfung der Geldpolitik, da die Inflation immer noch sehr hoch sei und der Arbeitsmarkt robust. Wie stark die Fed die Zinsen anheben müsse, hänge von weiteren Konjunkturdaten und den Bedingungen an den Kreditmärkten ab. Andere Mitglieder der Fed hatten sich zuletzt zurückhaltender als Waller geäußert. Seine Äußerungen belasteten insbesondere die Rentenmärkte.

Starke Quartalsergebnisse von drei Großbanken gaben unterdessen der ganzen Branche einen Schub nach vorne. Der Quartalsgewinn vom Branchenprimus JP Morgan stieg etwa dank eines hohen Zinsüberschusses um 52 Prozent auf 12,6 Milliarden Dollar. Auch die Rivalen Wells Fargo und Citigroup legten starke Zahlen vor, wobei das hohe Zinsniveau vor allem die Zinsergebnisse der Geldhäuser kräftig beflügelte.

"JP Morgan ist einer der bekanntesten Namen in einem Sektor, über den wir uns am meisten Sorgen gemacht haben. Natürlich geben die Zahlen über den Erwartungen der Aktie und dem Markt Auftrieb", sagte Art Hogan, Marktstratege beim Vermögensverwalter Riley Wealth.

Der Schlüssel für den Aktienmarkt in den kommenden Wochen dürfte im weiteren Verlauf der Berichtssaison liegen, sagte Konstantin Oldenburger, Analyst vom Broker CMC Markets. "Sie könnte ähnlich überraschen wie zu Beginn des Jahres. Das heißt, alle haben sich auf das Schlimmste vorbereitet, und als es dann zwar schlimm, aber nicht so schlimm wie erwartet kam, stiegen die Kurse weiter."

Zum Wochenschluss hat der DAX da weitergemacht, wo er zuletzt aufgehört hat. Scheibchenweise arbeitet sich der deutsche Leitindex derzeit vor und erreichte heute im Verlauf bei 15.841 Punkten ein neues Jahreshoch. Am Ende schloss er bei 15.807 Punkten um 0,5 Prozent höher. Im Wochenvergleich gewann der DAX damit 1,3 Prozent.

Der deutsche Leitindex bleibt damit trotz anhaltender Zins- und Rezessionsängste, vor allem in den USA, auf hohem Niveau und in Sichtweite des Rekordhochs bei 16.290 Punkten.

Zum freundlichen Wochenausklang hatten am Nachmittag insbesondere besser als erwartet ausgefallene US-Bankenergebnisse beigetragen. Dabei zeigte sich, dass die Großbanken sowohl vom höheren Zinsniveau, als auch vom jüngsten Bankenbeben auf Regionalbankebene profitiert haben.

Mit ihrem breit aufgestellten Geschäftsmodellen und einem vergleichsweise dicken Kapitalpolster haben die großen Geldhäuser die jüngsten Bankenturbulenzen besser überstanden als amerikanische Regionalbanken. In diesem Segment hat der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank viele Sparerinnen und Sparer verunsichert. Sie zogen daraufhin ihre Gelder von US-Regionalinstituten ab und trugen sie zu Großbanken wie JP Morgan. Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hatte Mitte März von einem Zufluss an Einlagen berichtet, es gebe eine "Flucht in Qualität".

"Die ersten Banken-Geschäftszahlen in der neuen Berichtssaison deuten darauf hin, dass US-Finanzinstitute die Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik der Fed besser als erwartet verkraftet haben", sagte Stuart Cole, leitender Makroökonom beim Maklerunternehmen Equiti Capital.

Entsprechend standen die beiden im DAX enthaltenen Bankaktien an der Spitze des Index. Deutsche Bank gewannen 4,5, Commerzbank 5,6 Prozent. Anleger reagierten damit erleichtert, denn nichts fürchtet die Börse mehr als wankende Banken, sind sie mit ihren Krediten doch für den Schmierstoff der ganzen Wirtschaft verantwortlich.

Auch die Aktie des zinssensitiven Immobilienkonzerns Vonovia war im DAX gefragt. Zugewinne gab es ebenfalls bei den zahlreich im MDAX vertretenen Immobilienaktien. Der Index der mittelgroßen Werte stieg um 0,82 Prozent auf 27.788 Punkte.

Der Euro hat in Anbetracht der neuen US-Zinsunsicherheiten anfänglich höhere Gewinne abgegeben und fiel wieder unter die Marke von 1,10 Dollar. Zuletzt wurden im US-Handel 1,0995 Dollar bezahlt. Angesichts der Hoffnung auf eine zurückhaltende US-Zinspolitik war der Euro im Verlauf schon bis auf 1,1075 Dollar und damit den höchsten Stand seit einem Jahr gestiegen. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1057 (Donnerstag: 1,1015) Dollar fest.

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel angesichts des hohen zugrundeliegenden Inflationsdrucks ihren Zinserhöhungskurs dagegen fortsetzen: "Das heißt, aus geldpolitischer Sicht ist hier noch eine Wegstrecke zu gehen", so Nagel.  

Hinzu kommt eine in der Tendenz weiter freundliche Stimmung an den Finanzmärkten. Vor diesem Hintergrund sind sichere Anlagen wie der Dollar weniger gefragt, was dem Euro im Gegenzug weiteren Auftrieb verleiht.

Die Ölpreise sind heute leicht ins Plus gedreht. Iin den vergangenen vier Wochen hatten sie bereits deutlich zugelegt. Wichtiger Preistreiber am Ölmarkt war die angekündigte Förderkürzung zahlreicher Ölstaaten der OPEC+.

Am Vortag hatte die OPEC in ihrem Monatsbericht auf die Folgen der Förderpolitik der OPEC+ hingewiesen und vor einer deutlichen Unterversorgung der globalen Ölmärkte zum Ende des Jahres gewarnt. Die künftige Entwicklung von Angebot und Nachfrage bleibt ein bestimmendes Thema am Ölmarkt.

Die VW-Nutzfahrzeugholding Traton denkt nach einem guten Jahresstart über eine Änderung der Jahresprognose nach. Etwaige Änderungen würden am 2. Mai bekanntgeben, teilte das Unternehmen am Freitagabend in München mit. Das erste Quartal habe "eine sehr starke Entwicklung verzeichnet, die deutlich über den Markterwartungen lag." Gestützt durch eine fortgesetzt große Nachfrage nach Nutzfahrzeugen und verbesserter Produktionsvolumina habe der Umsatz in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres bei 11,2 Milliarden Euro gelegen.

Das bereinigte operative Ergebnis dürfte 935 Millionen Euro betragen, hieß es weiter. Die bereinigte operative Rendite erwartet Traton bei 8,4 Prozent. Wesentlich für die Entwicklung seien vor allem eine jeweils starke Verbesserung bei Scania und MAN. Im erwarteten Netto-Cashflow von 735 Millionen Euro sind 400 Millionen Euro aus dem Verkauf von Scania Financial Services Russland enthalten. Im nachbörslichen Geschäft notierten Traton-Titel höher.

Der Kunststoffhersteller Covestro sieht sich beim Ergebnis des ersten Quartals über den Markterwartungen. Das vorläufige Ebitda betrage 286 Millionen Euro und liege damit über der eigenen Prognosespanne von 100 bis 150 Millionen Euro. Beim vorläufigen Konzernergebnis zeige sich ein Verlust von rund 30 Millionen Euro, verglichen mit Verlustschätzungen von im Mittel 77 Millionen Euro. Der vorläufige Umsatz liege bei 3,743 Milliarden Euro. Die Aktie reagierte im DAX auf die am Vortag bekannt gewordenen Zahlen mit Gewinnen von 2,5 Prozent.

Der Münchner Software-Entwickler Nagarro hat den Gewinn im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt und will einen Teil davon über einen Aktienrückkauf ausschütten. Der Nettogewinn sei auf 77,3 (2021: 30,0) Millionen Euro gestiegen, teilte Nagarro heute mit. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) schnellte um 86 Prozent auf 148,5 Millionen Euro, die Marge lag - wie im März berichtet - bei 17,3 (14,6) Prozent.

Vom 24. April bis Ende Oktober will Nagarro nun bis zu 350.000 Aktien für bis zu 30 Millionen Euro zurückkaufen. Das trieb die im SDax notierte Aktie um 7,7 Prozent auf genau 100 Euro deutlich nach oben.

Der Umsatz des französischen Luxuskonzerns Hermès wuchs im ersten Quartal vor allem dank einer hohen Nachfrage in China und Europa um knapp ein Viertel auf 3,38 Milliarden Euro. Auf die Region Asien ohne Japan entfällt dabei fast die Hälfte des Jahresumsatzes. Auch in den USA sieht der für seine tausende Euro teuren Birkin Bags bekannte Luxusmodehersteller im Gegensatz zum Rivalen LVMH eine wachsende Nachfrage nach Mode- und Lederwaren. Hermès hat die Preise zu Beginn des Jahres um etwa sieben Prozent angehoben, was über den üblichen jährlichen Erhöhungen von zwei bis drei Prozent liegt.

Die Aktien von Boeing gerieten infolge neuer Probleme beim Mittelstreckenjet 737 Max des Flugzeugbauers unter Verkaufsdruck. Wegen Fertigungsmängeln und nötigen Inspektionen müssen Auslieferungen gedrosselt werden, die Aktie gab am Ende 5,5 Prozent nach und stand am Dow-Ende.

Laut dem Konzern handelt es sich aber nicht um ein akutes Sicherheitsrisiko und die 737-Max-Flotte werde im Flugbetrieb nicht beeinträchtigt. Jedoch betreffe das Problem eine "erhebliche Anzahl" noch nicht an Kunden übergebener und noch in der Produktion steckender Maschinen. Die US-Flugaufsicht FAA sei informiert.

Der US-Elektroautobauer Tesla hat erneut seine Preise gesenkt und setzt damit nach Einschätzung von Expertinnen und Experten die Konkurrenz unter Druck. Das Model 3 wird nach Angaben auf Teslas Website in Deutschland mittlerweile für 41.990 Euro angeboten, 2000 Euro weniger als vor Kurzem.

Noch stärker reduzierte der Hersteller die Preise für leistungsstarke Varianten des Model 3 und des Model Y. "Wir reduzieren die Preise in zahlreichen europäischen Märkten", teilte Tesla mit. Das betreffe alle Varianten des Model 3 und bestimmte Versionen der anderen Tesla-Modelle Y, S und X. Die Preissenkung sei dank steigender Stückzahlen möglich, ergänzte der Autobauer.

Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock hat im ersten Quartal wegen der Marktturbulenzen weniger verdient. Der bereinigte Gewinn je Aktie fiel im Jahresvergleich um 17 Prozent auf 7,93 Dollar, wie das Fondshaus mitteilte. Das Ergebnis übertraf allerdings die Erwartungen der Analysten, die im Schnitt mit 7,76 Dollar gerechnet hatten.

Das verwaltete Vermögen der lag mit 9,1 Billionen Dollar zwar unter dem Vorjahreswert von 9,57 Billionen, stieg aber im Vergleich mit dem vierten Quartal, als es 8,59 Billionen Dollar betrug. Konzernchef Larry Fink zeigte sich im Ausblick optimistisch: "Ich glaube, dass die aktuelle Vertrauenskrise im Regionalbankensektor das Wachstum der Kapitalmärkte weiter beschleunigen wird, und BlackRock wird dabei eine zentrale Rolle spielen." Die Aktie legte 3,00 Prozent zu.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 14. April 2023 um 09:00 Uhr.