Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Wall Street ausgebremst Wachstumssorgen verhindern Erholung

Stand: 16.05.2022 22:09 Uhr

Wegen schwacher Konjunkturprognosen aus China und den USA hat sich die Wall Street heute kaum bewegt. Auch der DAX konnte seine am Freitag erreichte runde Marke von 14.000 Punkten nicht halten.

Enttäuschende Nachrichten zur Wirtschaftslage in China und den USA haben heute eine weitere Erholung an den Börsen ausgebremst. Nach den deutlichen Kursgewinnen zum Wochenabschluss überschatten nun wieder die Wachstumssorgen - auch an der Wall Street. Der Dow Jones rückte nach einem wechselhaften Tagesverlauf mit 0,08 Prozent lediglich leicht vor auf 32.223 Punkte.

Der technologielastige Nasdaq 100 gab dagegen nach seinem besonders kräftigen Anstieg vom Freitag um etwa 1,16 Prozent nach. Mitte vergangener Woche war er erstmals seit November 2020 unter die Marke von 12.000 Punkten gesackt. Auch der marktbreite S&P 500 schloss im Minus.

Nachdem bereits China am Morgen schwache Konjunkturdaten geliefert hatte, folgten am Nachmittag auch aus den USA keine guten Neuigkeiten: So brach die Stimmung in den Industrieunternehmen im US-Bundesstaat New York im Mai regelrecht ein. Analysten dürften sich nun fragen, ob die schrumpfende US-Wirtschaft ein größeres Problem darstellt als die Inflationsbekämpfung der Notenbank Federal Reserve, sagte Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect.

Die Anleger ließen es daher heute etwas vorsichtiger angehen. "Wir sind eindeutig noch nicht über den Berg, was die Wirtschaft betrifft. Die Inflation scheint noch nicht ihren Höhepunkt erreicht zu haben, so dass wir die Tiefstände erneut testen und möglicherweise sogar noch weiter fallen können", sagte Robert Pavlik, Portfolio-Manager bei Dakota Wealth Management.

In den vergangenen Tagen hatte vor allem die Angst vor deutlichen Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank zur Bekämpfung der Inflation die Kurse nach unten gedrückt. Fachleute gehen zwar nach jüngsten Aussagen der Fed davon aus, dass noch größere Zinsschritte als solche um 0,50 Prozentpunkte nicht auf der Agenda stehen. Ob dies aber vorerst reicht, den übergeordneten Abwärtstrend an den Börsen zu brechen, ist wegen der anhaltenden Lieferkettenprobleme und des Ukraine-Krieges und der dadurch drohenden wirtschaftlichen Abkühlung eher fraglich.

Auch am deutschen Aktienmarkt haben die alarmierenden Prognosen die Stimmung der Anleger zu Wochenbeginn eingetrübt. Der DAX sank heute um 0,45 Prozent auf 13.964 Punkte. Am Freitag hatte der deutsche Leitindex noch um mehr als zwei Prozent zugelegt und erstmals seit längerem eine positive Wochenbilanz geschafft.

Jetzt kehrte der DAX allerdings in die Verlustzone zurück. "Die Zinssorgen nebst hoher Inflation, die Corona-Lockdowns in China und der schwelende Ost-Konflikt bilden einen Cocktail der Unruhe für die Märkte", kommentierte Marktanalyst Timo Emden von Emden Research.

Der Versuch einer weiteren Erholung am deutschen Aktienmarkt ist damit vorerst gescheitert. Nach einem schwachen Start drehte der deutsche Leitindex nur kurz ins Plus. Am Nachmittag büßte er zeitweise bis zu 0,95 Prozent ein und konnte sein vorläufiges Tageshoch von 14.043 Zählern nicht halten. "Zum wiederholten Mal streiten sich Bullen und Bären um die 14.000-Punkte-Marke", sagte Analyst Christian Henke vom Broker IG das Marktgeschehen.

Mehrere Bemühungen, den seit Januar intakten Abwärtstrend bei 14.080 Punkten zu brechen, waren zuletzt fehlgeschlagen. Mittlerweile ist auch die Berichtssaison im DAX fast vorüber, die dank eines starken Quartals die Kurse jüngst noch stützen konnte. Nun rücken wieder altbekannte Belastungsfaktoren in den Fokus.

Einer davon: die schwächelnde Konjunktur in China durch die Null-Covid-Strategie und unterbrochene Lieferketten. Dem Statistikamt in Peking zufolge treffen die strikten Beschränkungen die zweitgrößte Volkswirtschaft härter als erwartet. Auch die in China tätigen europäischen Unternehmen leiden stark unter den seit Wochen anhaltenden Corona-Regeln. Der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke, beklagte heute besonders die starke Unberechenbarkeit der Situation.

Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets sieht diese jüngsten Wirtschaftsnachrichten aus der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft als große Belastung für die Märkte: "Die dicken Minuszeichen bei Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätzen sprechen eine eindeutige Sprache: Das Reich der Mitte fällt aktuell als Konjunkturmotor einer schon strauchelnden Weltwirtschaft aus." Mit den China-Daten kehrten die Rezessionsängste zurück, sagte auch Konstantin Oldenburger, Analyst vom Handelshaus CMC Markets. "Die strenge Null-Covid-Politik lässt Chinas Wirtschaft in die Rezession taumeln."

Als Hoffnungsschimmer wurde am Markt die Aussicht auf eine Lockerung der Maßnahmen Shanghai verwiesen. Nach mehr als sechs Wochen Lockdown bereitet sich die chinesische Finanzmetropole auf das Ende der strengen Corona-Auflagen vor. Das öffentliche Leben soll stufenweise wieder hochgefahren werden. Die Rückkehr zur Normalität werde ab dem 1. Juni eingeleitet, kündigte die stellvertretende Bürgermeisterin Zong Ming an.

Dennoch häuften sich zum Wochenstart die schlechten Nachrichten aus fundamentaler Perspektive. Denn auch die EU-Kommission hat ihre Wachstumsprognose für die europäische Wirtschaft wegen des Krieges in der Ukraine drastisch nach unten korrigiert - von 4,0 auf 2,7 Prozent.

Derweil hat der Krieg den Export deutscher Maschinen und Anlagen belastet. Im ersten Quartal 2022 stiegen die Ausfuhren einschließlich Preiserhöhungen (nominal) gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur leicht um 0,4 Prozent auf 43,6 Milliarden Euro, wie der Branchenverband VDMA mitteilte.

Ebenso gibt den Anlegern eine neue Analyse des ifo-Instituts zu denken. Danach sieht sich die mit Nachschubproblemen kämpfende deutsche Industrie einem Rekord-Auftragsstau gegenüber. Im April reichte der Auftragsbestand für die nächsten 4,5 Monate. Zum Vergleich: Im langjährigen Durchschnitt waren es lediglich 2,9 Monate.

Für weitere Unruhe am Markt sorgten auch die Preise im deutschen Großhandel. Im April erhöhten sie sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 23,8 Prozent. Das ist der höchste Anstieg seit Beginn der Erhebung 1962. Die Großhandelspreise gelten als wichtiger Vorlaufindikator für die Entwicklung der Verbraucherpreise, an denen die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik ausrichtet. Die Kurse deutscher Bundesanleihen gerieten daraufhin heute merklich unter Druck. Bis zum Mittag fiel der richtungweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future um 0,40 Prozent auf 153,25 Punkte.

Auch die Inflationserwartungen privater Haushalte in Deutschland sind derweil weiter gestiegen. Wie aus neuen Daten der Bundesbank hervorgeht, stieg die erwartete Inflation für die nächsten zwölf Monate von 5,8 Prozent im März auf 6,9 Prozent im April. Die EU-Kommission rechnet für 2022 mit einer Teuerungsrate von 6,1 Prozent. Die Inflation würde somit weit über dem Zielwert der EZB von 2,0 Prozent landen - und dies auch 2023 mit prognostizierten 2,7 Prozent.

Die Ölpreise haben heute zugelegt. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 112,65 US-Dollar und damit ein Prozent mehr als am Freitag. Händler verwiesen auf gestiegene Benzin-Futures in den USA. Dies dürfte die Preise kurz vor Beginn der Sommer-Reisezeit an den Tankstellen nach oben treiben.

Aufgrund von Spekulationen auf eine geringere Nachfrage angesichts der trüben chinesischen Konjunkturdaten hatten die Ölpreise jedoch zunächst unter Druck gesetzt. Die Sorte Brent hatte sich zeitweise um mehr als zwei Prozent verbilligt, bevor sie ins Plus drehte. "Die Märkte scheinen nach wie vor besorgt über mögliche Versorgungsunterbrechungen zu sein, da die Staats- und Regierungschefs der EU den Druck auf Ungarn erhöhen, das russische Ölembargo zu unterzeichnen", sagte Michael Hewson vom Handelshaus CMC Markets.

Die Angebotssorgen haben auch den Weizenpreis in Europa befeuert und ihn auf ein Rekordhoch getrieben. Der Terminkontrakt stieg um rund sechs Prozent auf bis zu 435,75 Euro je Tonne. Indien will die Versorgungssicherheit im eigenen Land sicherstellen sowie Preissteigerungen in den Griff bekommen und stoppt daher Exporte. Damit sehen Experten wenig Hoffnung, dass Nahrungsmittel bald wieder günstiger werden könnten. Seitdem die Ausfuhren aus der Schwarzmeerregion wegen des Krieges in der Ukraine stark zurückgegangen sind, setzten Käufer weltweit bei der Weizenversorgung auf Indien als zweitgrößten Produzenten der Welt.

Der Kurs des Euro hat heute um die Marke von 1,04 US-Dollar gependelt. Im New Yorker Handel kostete die Gemeinschaftswährung zuletzt 1,0434 Dollar. Sie bewegte sich damit ungefähr auf dem Niveau aus dem frühen Handel. In der vergangenen Woche war die europäische Gemeinschaftswährung bis auf 1,0354 Dollar abgerutscht und notierte damit so tief wie seit fünf Jahren nicht mehr. Belastend wirkt seit einiger Zeit die Aussicht auf deutlich steigende Zinsen in den USA.

Der starke Dollar und die Aussicht auf weiter steigende Zinsen in den USA haben heute den Goldpreis gedrückt. Die Feinunze Gold rutschte zeitweise bis auf 1786 Dollar ab. Da Gold überwiegend in der US-Währung gehandelt wird, verteuert ein steigender Dollarkurs den Goldkauf für Anleger aus anderen Währungsräumen und lastet so auf deren Nachfrage.

Die US-Fast-Food-Kette McDonald's gibt infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine ihr Geschäft in Russland auf. Nach über 30 Jahren in dem Land will McDonald's die Filialen an einen russischen Käufer verkaufen, wie der Konzern heute mitteilte. Das Unternehmen sei zum Schluss gekommen, dass das Eigentum an russischen Aktivitäten nicht mehr mit den Unternehmenswerten zu vereinbaren sei. Bereits am 8. März hatte der Konzern angekündigt, die Restaurants im Land vorübergehend zu schließen. Die Markensymbole soll der neue Besitzer der Restaurants nicht weiter nutzen können. Für den Rückzug aus Russland wird McDonald's nach eigenen Angaben Sonderkosten in Höhe von 1,2 bis 1,4 Milliarden US-Dollar verbuchen, unter anderem für Abschreibungen und Fremdwährungsverluste.

Der Bonner DAX-Konzern hat seine Beteiligung an der griechischen Tochter OTE ausgebaut. Der Anteil liege nun bei 50 Prozent statt zuvor 46 Prozent, teilte die Deutsche Telekom mit. Die Erhöhung sei durch einen Aktienrückkauf von OTE erfolgt, bei dem die Telekom keine Aktien abgab.

Nach einem erfolgreichen Geschäftsjahr will die Funkturm-Gesellschaft Vantage Towers im neuen Jahr nachlegen. Der Umsatz ohne Durchleitungseinnahmen soll gegenüber dem Vorjahreswert von rund einer Milliarde Euro um drei bis fünf Prozent zulegen, das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen inklusive Leasingkosten auf 550 bis 570 Millionen Euro steigen. Allerdings konnte Vantage Towers seine Anleger mit den Geschäftszahlen und dem Ausblick nicht überzeugen. Die Aktien der Vodafone-Funkturmtochter verloren rund vier Prozent.

Der U-Boot- und Marineschiff-Hersteller Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) will Teile der insolventen MV-Werften in Mecklenburg-Vorpommern übernehmen. "Wir haben Interesse am Standort Wismar", sagte TKMS-Vorstandschef Oliver Burkhard der "Welt am Sonntag". Die Werft wäre für jede Form von zusätzlichen Aufträgen geeignet, seien es U-Boote oder Überwasser-Schiffe. Die Entscheidung liege beim Insolvenzverwalter und beim Gläubigerausschuss.

Die an der Pariser Euronext gehandelten Papiere des Impfstoffentwicklers Valneva brechen um über 20 Prozent ein. Grund ist eine Mitteilung des Unternehmens, dass die EU-Kommission die Absicht habe, den Liefervertrag für den Corona-Impfstoff zu kündigen. Die EU-Kommission habe das Recht dazu, weil das Vakzin am 30. April noch keine EU-Marktzulassung hatte. Bis heute lässt die Freigabe auf sich warten.

BioNTech und Pfizer werden die nächste Lieferung von Impfstoffen an die Europäische Union um drei Monate verschieben. Wie die Unternehmen mitteilen, sollen die für Juni bis August geplanten Impfstoffdosen in Absprache mit der Europäischen Kommission erst ab September bis zum vierten Quartal dieses Jahres geliefert werden.

Der weltgrößte Elektroautobauer Tesla verschiebt den geplanten Hochlauf seiner Produktion in Shanghai auf das Niveau von vor dem Corona-Lockdown um mindestens eine Woche. Dies geht aus einem internen Memo hervor, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Demzufolge soll der Betrieb dort mindestens eine Woche länger bei einer einzigen Schicht mit einer gedrosselten Tagesproduktion von 1200 Fahrzeugen bleiben.

Auch Renault stellt seine Aktivitäten in Russland wegen des Ukraine-Kriegs komplett ein und gibt alle Unternehmensbeteiligungen ab. Der französische Autobauer verkauft seinen Mehrheitsanteil an dem russischen Lada-Hersteller Avtovaz. Seine Beteiligung von 67,7 Prozent gehe an das russische Forschungsinstitut Nami, teilte Renault mit. Es gebe aber eine Rückkaufoption für den Anteil über sechs Jahre. Renaults russische Tochter gehe an die Stadt Moskau. Das russische Handelsministerium hatte den Deal bereits im April angekündigt und einen symbolischen Preis von einem Rubel als Kaufpreis genannt.

Ryanair will nach den Verlusten der vergangenen zwei Jahre in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Man wolle dieses Jahr eine "angemessene Profitabilität" erreichen, teilte der irische Billigflieger mit. In dem im März abgelaufenen Geschäftsjahr verringerte Ryanair den Fehlbetrag auf 355 Millionen Euro nach einer Milliarde im Vorjahreszeitraum. "Die Erholung bleibt fragil", sagte Firmenchef Michael O'Leary, weswegen er auf einen konkreteren Ausblick verzichtete.

Tech-Milliardär Elon Musk hat sich mit seinen Tweets zur geplanten Twitter-Übernahme Ärger mit Anwälten des Online-Dienstes eingehandelt. Sie hätten ihm den Bruch einer Vertraulichkeitsvereinbarung vorgeworfen, schrieb Musk in der Nacht zum Sonntag. Er habe aus Sicht der Rechtsabteilung zu viel über die Vorgehensweise von Twitter bei der Ermittlung automatisiert twitternder Accounts verraten.

Die Twitter-Aktien setzen ihre heute Talfahrt fort. Die Papiere des Kurznachrichtendienstes verbilligten sich um acht Prozent und büßt damit die Kursgewinne wieder ein, die die Titel seit Anfang April erzielt haben, als Musk seine Beteiligung an der Social-Media-Firma bekannt gegeben hat.

Der Anteil von Spam-Nutzerkonten bei dem Kurznachrichtendienst liegt laut dem Chef des US-Konzerns derweil bei "deutlich unter fünf Prozent". Dieser Stand für die vergangenen vier Quartale könne nur mit Hilfe von vertraulichen Informationen gewonnen werden und sei deswegen von außen nicht zu reproduzieren, schrieb Parag Agrawal auf Twitter.

Der britische Telekomkonzern Vodafone bekommt einen neuen Großaktionär. Die in den Vereinigten Arabischen Emiraten beheimatete Emirates Telecommunications Group Company (e&) gab am Wochenende den Erwerb von 9,8 Prozent für 4,4 Milliarden US-Dollar bekannt. Damit ist der Käufer auf einen Schlag größter Aktionär der Briten.

Der saudische Ölkonzern Saudi Aramco hat zu Jahresbeginn den größten Gewinn seit seinem Börsengang verzeichnet. Der Überschuss sprang im ersten Quartal um 82 Prozent zum entsprechenden Vorjahreszeitraum auf 39,5 Milliarden US-Dollar in die Höhe. Wie andere Branchenvertreter profitierte auch Aramco von den rekordhohen Ölpreisen vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. Mai 2022 um 10:00 Uhr.