Bulle und Bär vor der Frankfurter Börse werden grün angemalt (Aktion zum "Grüne Soße Tag", 03.06.2019)

Nachhaltige Geldanlagen Wann ist ein Fonds wirklich grün?

Stand: 03.01.2022 14:17 Uhr

Guten Gewissens Rendite machen, indem man Geld in nachhaltige Fonds steckt: Davon träumen viele Anleger. Doch dass das gar nicht einfach ist, zeigt die aktuelle Diskussion über die Atomkraft.

Von Victor Gojdka, ARD-Börsenstudio

Vor dem Haus im Garten von Vermögensberaterin Stefanie Kühn scharren Hühner. Seit Jahren schon gibt es bei den Kühns nur noch Bioeier. "Das ist einfach sehr schön, dass man nur Eier isst aus einer Produktion, wo man weiß, wo es herkommt", sagt Kühn. "Und wir essen natürlich auch kein Hühnchenfleisch mehr, seit wir die Hühner haben."

Auch bei Kühns Haupttätigkeit - den Finanzen - stehen die Zeichen auf Grün: "Seit Greta Thunberg ist dieser Begriff deutlich weiter verbreitet", erklärt die Vermögensberaterin. "Grüne Geldanlagen? Das ist alles, womit man sich besser verhält als vorher." Was bedeutet, dass auf ökologische Aspekte, soziale Aspekte geachtet wird.

Streitfall Atomkraft

Der Trend dürfte nicht zu stoppen sein. Denn voraussichtlich ab Herbst müssen Bankmitarbeiter Kunden verpflichtend auf Nachhaltigkeit ansprechen - so will es die EU-Kommission. Und Brüssel will auch klar festlegen, welche Wirtschaftsaktivitäten überhaupt grün sind. Doch das ist gar nicht so einfach.

Der Streitpunkt aktuell zwischen vielen EU-Ländern: die Atomkraft. Ist sie grün, weil dabei weniger CO2 entsteht als beim Kohlestrom? So sehen es zum Beispiel viele Franzosen. Oder ist die Kernenergie doch eher umweltschädlich - wegen Reaktorunfällen und fehlenden Endlagern?

Aus Sicht von Christian Klein, der an der Uni Kassel zu grünen Geldanlagen forscht, zeigt dieses Beispiel ein Grundproblem der Nachhaltigkeitsdebatte: "Wir beide können uns jetzt hervorragend über Nachhaltigkeit unterhalten - und nach einer Stunde stellen wir fest, dass wir über etwas komplett anderes gesprochen haben. Jeder versteht unter Nachhaltigkeit etwas anderes."

Deutsche halten Kernkraft nicht für "grün"

Die Deutschen immerhin sind sich mehrheitlich einig: 82 Prozent finden Atomkraft in grünen Geldanlageprodukten nicht nachhaltig, so zeigt es eine Umfrage der Nichtregierungsorganisation Finanzwende. Und überhaupt steckt in vielen vermeintlich grünen Aktienfonds noch eine Menge eher brauner Aktivitäten. Ärger gab es in 2021 zum Beispiel bei der Fondstochter DWS der Deutschen Bank. Die könnte zumindest missverständlich angegeben haben, wie viel Geld sie schon grün verwaltet.

Da - und auch anderswo - dürfte es im kommenden Jahr mehr Klarheit geben, sagt Stefan Riße von der Fondsgesellschaft Acatis. "Ich bin mir sehr sicher, dass die jüngsten Ereignisse, wo auch Aufsichtsbehörden sich einschalten, sehr klar machen: Das Thema Greenwashing ist vorbei, geht nicht mehr."

Bei Greenwashing fallen die Kurse

Doch auch wenn die grünen Fonds irgendwann wirklich dunkelgrün werden und keinen Rest mehr an Umweltverschmutzung, Lohndrückerei oder Steuertricks enthalten - eine Frage bleibt: Sind die Fonds einfach nur sauber, oder bewirkt es auch etwas, wenn Anleger ihr Geld dorthin schieben? Wenn Fondsmanager "dreckige" Aktien verkaufen - so zeigt es eine neue Studie -, könne das tatsächlich etwas bringen, so Finanzforscher Klein. Nicht nur fielen dann die Aktienkurse dieser Unternehmen. "Sondern diese Unternehmen fangen tatsächlich an, ihren CO2-Ausstoß dann zu reduzieren. Und das heißt, dass der Impact - also die Wirkung - da noch viel größer ist, als wir eigentlich angenommen hatten."

Noch sind das nur erste vorsichtige Ergebnisse. Aber sie dürften der Debatte über das nachhaltige Geld in diesem Jahr neuen Schwung geben. Große Investoren allerdings dürften nun erst einmal abwarten, was die EU-Kommission als nachhaltig ansieht - und was nicht.

Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 26. August 2021 um 22:15 Uhr.