Die Zentrale der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main.

Deutsche Währungshüter Was vom Mythos Bundesbank geblieben ist

Stand: 01.08.2022 17:17 Uhr

Vor 65 Jahren wurde die Deutsche Bundesbank gegründet. Viele Kompetenzen und Aufgaben hat sie verloren, ihre Bedeutung ist deutlich geschrumpft. Wozu wird die deutsche Notenbank noch gebraucht?

"Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank." Mit diesen Worten umschrieb 1992 Jacques Delors, der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, die Bedeutung und das Ansehen der deutschen Notenbank. Der Franzose, treibende Kraft hinter der Europäischen Währungsunion, wusste nur zu gut, welche Zäsur die Einführung des Euro und die damit einhergehende Beschneidung der Kompetenzen dieser deutschen Institution mit sich bringen würde. Die 1957 aus der "Bank deutscher Länder" hervorgegangene Bundesbank war einst die bedeutendste Nationalbank in Europa. Sie galt vielen als wichtigste Hüterin des Geldes sowie als Garant der Stabilität der D-Mark.

Noch immer ein Eckpfeiler mit hohem Ansehen

Gerade in Zeiten überbordender Inflation wünschen sich viele Deutsche die guten alten Zeiten zurück. Zwar lieferte auch die Bundesbank nicht immer eine Teuerung im gewünschten Umfang von rund zwei Prozent. Aber ihr gelang es, teilweise mit harter Hand, hohe Preissteigerungen im Zuge von Ölkrise oder Deutscher Einheit wieder in den Griff zu bekommen. Dies, zusammen mit ihrem Ruf, wichtiger Pfeiler des deutschen Wirtschaftswunders der jungen Bundesrepublik zu sein, ließ den Mythos der Bundesbank entstehen und erklärt das hohe Ansehen dieser Institution bei den Deutschen.

Jetzt feiert die Deutsche Bundesbank ihren 65. Geburtstag. Doch was ist von ihr und ihrer Bedeutung noch übrig? Mit der Einführung des Euro 1999 wurde der überwiegende Teil ihrer Kompetenzen an die Europäische Zentralbank übertragen. Immer wieder wird deshalb die Frage laut: Braucht man diese nationale Notenbank überhaupt noch?

Europäische Zentralbank als Krisen-Feuerwehr

Die Antwort darauf gab schon vor mehreren Jahren recht treffend ein Bundesbanker selbst: "Die Bundesbank ist nicht mehr das, was sie einmal war. Der Mythos existiert nur noch rudimentär", so Ex-Präsident Karl-Otto Pöhl zum 50. Geburtstag der Notenbank. Doch überflüssig sei sie nicht. 

Tatsächlich hat die Bundesbank deutlich an Bedeutung verloren. Diese Entwicklung hat sich noch verstärkt, weil sich die Macht der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren durch ihre Funktion als Krisen-Feuerwehr erhöht hat. So ging die EZB etwa mit dem umstrittenen Kauf von Staatsanleihen an den Rand ihres Mandats und übernahm teilweise Aufgaben der Politik.

Immerhin ist die Bundesbank an der Geldpolitik der EZB beteiligt und kann ihren Einfluss geltend machen. Zwar hat sie im Europäischen Währungssystem nur eine Stimme unter den 19 Mitgliedsstaaten im EZB-Rat, die zusammen mit den sechs Direktoriumsmitgliedern die geldpolitischen Beschlüsse fassen. Doch als Vertreterin der größten Volkswirtschaft im Euroraum ist die Bundesbank ein Schwergewicht und erhält besondere Aufmerksamkeit. In den vergangenen Jahren übernahm sie häufig auch die Rolle einer unbequemen Mahnerin vor einer zu lockeren Geldpolitik, insbesondere unter ihrem Ex-Präsident Jens Weidmann. Viel genützt hat das allerdings nicht, weil Weidmann oftmals nicht genügend Verbündete fand und sich deshalb häufig nicht durchsetzen konnte. Viele Beobachter sehen darin auch den Grund seines vorzeitigen Rücktritts. Zumindest aber kann die Bundesbank versuchen, ihre Position geltend zu machen.  

Versorgung mit Bargeld als Kernaufgabe

Im Kern konzentrieren sich die Aufgaben der Bundesbank auf das operative Geschäft und das Funktionieren der Währungsunion in Deutschland: Die Notenbank ist dafür zuständig, die Wirtschaft über die Banken in Deutschland mit Bargeld zu versorgen. Dazu gibt sie die Herstellung von Münzen und teilweise den Druck von Banknoten in Auftrag. Sie stellt die Verteilung sicher und überprüft das Geld, zieht etwa beschädigte Noten aus dem Verkehr. Auch die Sicherstellung von Falschgeld gehört dazu. Da die Bundesbank auch den zeitlich unbegrenzten Umtausch der D-Mark in Euro garantiert, tauscht sie weiterhin Bargeld-Bestände um. Jede Woche kommen noch immer Menschen in ihre Filialen, die alte D-Mark-Bestände in Kellern, auf Speichern oder beim Renovieren gefunden haben. Nach Angaben der Währungshüter waren Ende vergangenen Jahres noch über zwölf Milliarden D-Mark im Umlauf, die noch nicht umgetauscht worden sind.

Auch für die Banken hierzulande ist die Bundesbank und nicht die EZB der zentrale Ansprechpartner im täglichen Geschäft; denn dort geben sie an, wieviel Bargeld sie benötigen, dort refinanzieren sie sich. Überschüsse, die über Nacht im Eurosystem "geparkt" werden, werden nicht auf Konten der EZB, sondern bei der Bundesbank eingezahlt. Die Bundesbank ist außerdem die Geschäftsbank des Bundes, vieler Bundesländer, Kommunen und anderer öffentlicher Institutionen. Für sie unterhält sie Konten und wickelt den Zahlungsverkehr ab. Außerdem verwahrt sie die Währungsreserven Deutschlands, insbesondere die hohen Gold-Bestände. In der Vergangenheit hat sich die Bundesbank immer wieder gewehrt, wenn es das politische Ansinnen gab, diese zu veräußern, um Löcher im Haushalt zu stopfen.

Schließlich ist die Bundesbank zusammen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) teilweise für die Aufsicht von Banken und Sparkassen zuständig - allerdings nur noch für Institute mit einer Bilanzsumme unter 30 Milliarden Euro. Für größere und systemrelevante Häuser hat die Europäische Zentralbank die Aufsicht seit November 2014 selbst übernommen.

Umbau der Zentrale teurer als EZB-Neubau?

Unter dem Strich hat die Bundesbank also eine ganze Reihe von Aufgaben zu erledigen, damit die Währungsunion reibungslos funktioniert. Sie ist sozusagen das ausführende Organ der EZB-Politik auf nationaler Ebene. Dafür braucht sie auch weiterhin rund 10.000 Mitarbeitende und unterhält neun Hauptverwaltungen und 30 Filialen.

Das ist zwar deutlich weniger als die einst 16.000 Beschäftigten, hindert die Währungshüter aber nicht, voller Selbstbewusstsein beim Umbau ihrer in die Jahre gekommenen Zentrale in Frankfurt am Main zu klotzen, statt zu kleckern. Noch ist nicht klar, wie teuer das Projekt wird, das 2027 abgeschlossen sein soll. Beobachter gehen aber davon aus, dass es mehr kosten wird als die 1,3 Milliarden Euro für den Neubau der Europäischen Zentralbank.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 01. August 2022 um 06:41 Uhr.