Die Sonne geht über den Gebäuden des Bankenviertels in Frankfurt auf.
Analyse

Stabilität des Finanzmarkts Die Risiken der Banken

Stand: 28.03.2023 08:20 Uhr

Die Rettungsaktion für Credit Suisse hat Fragen aufgeworfen. Haben Banken und staatliche Aufsicht nicht genug aus der Finanzkrise 2008 gelernt? Fachleute sehen noch Lücken im Regelwerk.

Eine Analyse von Ingo Nathusius, HR

Wenn es um Bankpleiten geht, ist stets von fehlendem Eigenkapital die Rede. Jedes Risiko muss fortlaufend kalkuliert werden. Je risikoreicher ein Geschäft ist, desto mehr Eigenkapital muss die Bank parat halten. Wenn das Risiko eintritt, können vorsichtige Banker es mit einem Griff in die eigene Kasse ausgleichen. "Das setzt voraus, dass ich die Risiken richtig messe", sagt Bank-Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management. Aus dem klassischen Bankgeschäft ergeben sich drei Risiken.

Wenn sich die Marktlage dreht

Erstens gibt es Marktrisiken. Ein Banker hat beispielsweise wunderbare Geschäfte mit bestens beleumundeten Geschäftspartnern abgeschlossen. Doch jählings ändert sich der Markt - und nichts ist mehr so, wie alle Beteiligten sich das einst vorgestellt hatten.

Ein wesentliches Marktrisiko von Banken ist das Zinsänderungs-Risiko. Die Silicon Valley Bank in den USA hatte in der Niedrigzinszeit festverzinsliche Wertpapiere gekauft. Als das Zinsniveau stieg, wurden die alten, niedrigen Zinsen der Papiere uninteressant. Damit sank der Wert der Papiere. Für die Bank hieß das: Wesentliche Unternehmenswerte waren vernichtet, die Bank war hinüber.

"Im ersten Semester Betriebswirtschaft lernt man: Es gibt Zinsänderungsrisiken", sagt Faust. Sein Kollege Thomas Heidorn ergänzt: "Amerikanische Banken gehen in regelmäßigen Abständen am Zinsänderungsrisiko pleite. In Europa ist dagegen an solchen Marktrisiken lange niemand gescheitert. Die haben das im Griff."

Das Geld muss flüssig sein

Das zweite Risiko des Bankgeschäfts ist die Liquidität. Banken sollen und müssen ihr Geld im Markt unterbringen und arbeiten lassen. Daher haben sie nur geringes Interesse an vollen Tresoren. Wenn aber Geschäftspartner das Vertrauen in eine Bank verlieren und massenhaft ihre Einlagen abziehen, steht die Bank schnell mit leeren Taschen da.

Ökonom Faust hält das Liquiditätsrisiko von Banken für unterbewertet. Bei Regulierungsbehörden gebe es noch die Vorstellung, "dass die Kunden träge sind". Das sei heute falsch: "Anleger können online in kurzer Zeit ihr Konto leerräumen", sagt Faust. So ist es vergangene Woche der Credit Suisse ergangen. "Das muss in kurzer Zeit sehr viel gewesen sein", sagt Volker Brühl vom Center for Financial Studies der Universität Frankfurt.

Auf die Bonität kommt es an

Drittens geht es um die finanzielle Zuverlässigkeit derer, denen die Bank Geld gibt - ihre "Bonität", wie es im Jargon heißt. Wenn ein Kreditnehmer nicht mehr zahlen kann oder ein Unternehmen, das der Bank Wertpapiere verkauft hat, pleite geht, ist das schlecht. Im Massengeschäft kann die Bonität von Geschäftspartnern berechnet werden: Soundsoviel Prozent Privatkunden fallen beispielsweise im langjährigen Durchschnitt wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung aus. Jenseits des Massengeschäfts hilft Rating: Spezielle Dienstleister schätzen aufgrund eigener Forschung die Qualität von Geschäftsteilnehmern ein und vergeben standardisierte Noten.

Die Bankenkrise 2008 begann, weil amerikanische Banken jahrelang Privathäuser finanziert hatten, ohne die Bonität ihrer Kunden ernsthaft zu prüfen. Als Häuser nicht mehr dauernd im Wert stiegen, sich also ein Marktrisiko offenbarte, führte die schlechte Bonität zur weltweiten Bankenkrise. Sie wurde verstärkt, als kurz darauf Staatsanleihen aus Griechenland und anderen hochverschuldeten Ländern nicht mehr ordentlich verzinst werden konnten und massiv Wert verloren.

Der Sonderfall: Staatsanleihen

Banken, die Staatsanleihen kaufen, müssen sie nicht mit einem Eigenkapitalpuffer sichern. Dabei tragen auch Staatsanleihen zwei Risiken: Das Rating - also die Bonität des Staates - kann sich ändern, und bei veränderten Zinsen kann sich der Markt ändern.

Doch in der Krise der Staatsfinanzen vor 15 Jahren galt es, von der Pleite bedrohte Staaten zu retten. Wenn deren Anleihen mit Sicherheitspuffern hätten abgefedert werden müssen, wären sie teurer geworden. Damit wäre die Finanzierung von Pleitestaaten noch schwerer geworden. Also blieben Staatsanleihen von der Regel verschont, mit Eigenkapital abgesichert zu werden, wenn Banken sie kaufen. "Das ist eine Baustelle", sagt Wirtschaftswissenschaftler Brühl vom Center for Financial Studies, "Das sollte man ändern."

"Wir denken nicht schlimm genug"

Gut geführte Banken - allemal Großbanken - kalkulieren fortlaufend ihre Risiken und steuern sie im Verhältnis zum Eigenkapital. Brühl weist darauf hin, dass Bankrisiken durch Sicherungsgeschäfte ausgeglichen werden können. Allerdings: "Bei der Silicon Valley Bank hat das offenbar nicht funktioniert."

Bei Risikomanagement und der Bankenaufsicht wird mit Erfahrungswerten und Zukunftsszenarien gearbeitet. "Wir denken nicht schlimm genug", sagt Faust. "Die Realität ist immer schlimmer als die Annahme." Andererseits sind sich alle Fachleute einig, dass Kaufmannschaft ohne Ungewissheit und Risikobereitschaft nicht funktionieren kann.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 28. März 2023 um 15:41 Uhr.