Die japanische Nationalflagge flattert am Hauptsitz der Bank of Japan in Tokio.

Zinsänderung für Anleihen Der Schock der japanischen Notenbank

Stand: 20.12.2022 17:40 Uhr

Seit über zwei Jahrzehnten hält Japan an einer lockeren Geldpolitik fest. Doch nun verkündete die Zentralbank, höhere Zinsen für langlaufende Anleihen zuzulassen - ein Erdbeben für die asiatischen Märkte.

Von Bibiana Barth, ARD Börsenstudio

"Nachtigall, ick hör dir trapsen", heißt eine deutsche Redensart: Kleine Schritte erzeugen große Vorahnung. So zumindest sehen viele Finanzexperten die heutige Entscheidung der japanischen Zentralbank, der Bank of Japan, höhere Zinsen für langfristige Anleihen zuzulassen.

Lag diese Rendite bisher bei minus 0,25 bis plus 0,25 Prozent, wird sie nun auf minus 0,5 Prozent bis plus 0,5 Prozent ausgedehnt. Damit betreibe die japanische Zentralbank seit 20 Jahren zum ersten Mal wieder eine restriktive Geldpolitik, versuche also, Geld teurer zu machen, sagt Edgar Walk vom Bankhaus Metzler gegenüber dem ARD Börsenstudio. "Das ist natürlich schon ein Schock, eine Überraschung!"

Inflation in Japan nur bei vier Prozent

Lange agierte die japanische Zentralbank wie eine Bastion gegen steigende Zinsen - selbst nach der Zinswende in den USA und Europa. Als einzige große Notenbank weltweit hält sie bis jetzt an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Und auch nach der Entscheidung will die Bank of Japan offenbar nichts von einer Trendwende wissen.

"Sie interveniert an diesem Markt für zehnjährige Staatsanleihen und hält diese in einem sehr engen Korridor", erklärt David Kohl, Chefökonom im Bankhaus Julius Bär. Das bewirke, dass sie sehr viele Staatsanleihen kaufen muss und damit die Liquidität sehr gering wird in dem Markt, wenn der Aufwärtsdruck auf die Zinsen sehr hoch ist. Nun habe sie sich durchgerungen und "gesagt, wir machen den Korridor größer, dann müssen wir nicht so stark intervenieren", so Kohl.

Japan hat viele Herausforderungen zu meistern: Die Währung Yen ist extrem schwach, die Löhne sind seit Jahren kaum gestiegen und auch die Folgen der Deflation, also stark sinkender Preise, stecken den Japanern noch in den Knochen. Im ganzen Land heißt es dementsprechend - im Gegensatz zur Kreditfreudigkeit in anderen Staaten - sparen, sparen, sparen. Die Folge: Die Inflation beträgt in Japan nur um die vier Prozent, während sie etwa in Deutschland bei zehn Prozent liegt.

Aktienmärkte auf Tauchgang

Dennoch werden mehr Subventionen und Preisdeckelungen versprochen, um die Preissteigerung zu dämpfen, betont Kohl. "Denn sie ist ein Ärgernis und belastet das politische Klima." Anders als in westlichen Staaten wird die Inflation in Japan jedoch nicht von der Zentralbank bekämpft, sondern von der Wirtschaftspolitik.

Daher wird seitens der Bank of Japan nicht auf die geldpolitische Bremse getreten, wie in anderen Ländern - bislang zumindest. Denn Finanzexperte Walk sieht eine ganz klare Strategie hinter der ersten Zinsänderung für Anleihen: "Eigentlich will sie dadurch nur ausdrücken, dass die Zinsen jetzt nicht radikal angehoben werden, sondern moderat angehoben werden."

Durch das Zeichen, die Geldpolitik nur langsam zu straffen, könne sie vermeiden, dass die Konjunktur Schaden nimmt. Das sei jedoch heute nicht so gut gelungen, meint Walk. Wie stark sich schon kleinere Ankündigungen auf den Markt auswirken, zeigt der japanische Nikkei-Index. Dieser verlor mehr als zwei Prozent. Auch in Shanghai und Hongkong gingen die Aktienmärkte auf Tauchfahrt.

Bibiana Barth, HR, 20.12.2022 18:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 20. Dezember 2022 um 09:38 Uhr.