Ausdruck eines Sparkontos

Falsche Zinsberechnungen Die BaFin greift durch

Stand: 21.06.2021 17:08 Uhr

Prämiensparverträge versprachen Sparern lange das große Geld. Doch in der Niedrigzinsphase korrigierten viele Banken die versprochenen Gewinnzusagen nach unten. Jetzt greift die BaFin ein - im Sinne der Kunden.

Von Ursula Mayer, hr

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin verpflichtet Banken und Sparkassen dazu, Inhaber von Prämiensparverträgen mit variablem Zinssatz über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren. Dazu hat die Behörde eine Allgemeinverfügung veröffentlicht - die gilt in der Finanzbranche als scharfes Schwert. Die Finanzinstitute müssen den Sparern auch erklären, ob diese durch die unwirksamen Klauseln zu wenig Zinsen erhalten haben.

In diesem Fall winken entweder Nachzahlungen oder die Banken können Kunden geänderte Verträge mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten. Die Änderungen gelten rückwirkend und gleichen zu wenig gezahlte Zinsen in der Vergangenheit ebenfalls aus. Laut BaFin sind mindestens 247 Banken und Sparkassen betroffen. Um welche Summe es insgesamt geht, ist offen.

Banken stellten sich bislang quer

Prämiensparverträge boten die Finanzinstitute vor allem in der Zeit zwischen 1990 und 2010 massenweise an. Diese langfristigen Verträge enthalten Klauseln, die Geldhäusern ermöglichen, die zugesicherte Verzinsung einseitig zu ändern. Das taten sie in der Niedrigzinsphase oft und senkten die Sparzinsen zum Teil massiv - zu Lasten ihrer Kunden. Der Bundesgerichthof hat die Klauseln aber mittlerweile als unwirksam eingestuft.

Darauf bezieht sich BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch in der Allgemeinverfügung. Er spricht von einem "Missstand" für Verbraucher, den die BaFin im Sinne des kollektiven Verbraucherschutzes beheben wolle. "Wir sorgen dafür, dass betroffene Kunden flächendeckend informiert und rechtmäßig behandelt werden", sagt Pötzsch. Denn seit mehr als einem Jahr versuchten die Aufseher, mit den Geldhäusern eine Lösung im Sinne der Kunden zu erzielen, auch an einem runden Tisch - bisher erfolglos. Die Allgemeinverfügung zeigt, dass die Geduld bei der BaFin zu Ende ist.

Hunderttausende Kunden betroffen

"Wir gehen davon aus, dass Banken und vor allem Sparkassen bundesweit Hunderttausende Prämiensparverträge abgeschlossen haben", sagt Finanzexpertin Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. Sie hat sich mit ihrem Team darauf spezialisiert, solche Verträge nachzurechnen. Mehr als 7700 Kunden aus ganz Deutschland hätten sich bereits gemeldet.

Wie die Verbraucherschützer zusammen mit Sachverständigen errechnet haben, haben die Finanzinstitute in fast allen Fällen die Zinsen über Jahre hinweg zu niedrig berechnet. Wie sie den variablen Zinssatz festgelegt hätten, sei für Verbraucher in der Regel nicht nachvollziehbar gewesen. Häufig hätten die Geldhäuser die Zinsen zu stark gesenkt, in zu großen Zinsschritten nach unten. "Je nach Fall stehen Betroffenen Nachzahlungen von einigen Hundert bis im Einzelfall über 40.000 Euro zu", sagt Heyer. Insofern begrüßt sie, dass die BaFin nun einschreitet - das sei ein wichtiges Signal.

Auf einmal waren es 15.000 Euro weniger

Einen solchen Prämiensparvertrag hat zum Beispiel die Frankfurterin Karina Rother bei der Frankfurter Sparkasse in den 90er Jahren abgeschlossen und wollte damit etwas für ihre Altersvorsorge tun. "Die Sparkasse hat mir versprochen, dass sich das bei einer Laufzeit von 25 Jahren für mich wirklich lohnt", erzählt Rother. Sie stellte der Kundin stetig steigende Zinsen und immer höhere Geldprämien in Aussicht.

Rother ging davon aus, dass sie am Ende rund 77.000 Euro bekommen würde - so wie es in einem Werbeflyer vorgerechnet wurde. Plötzlich sollten es aber ungefähr 15.000 Euro weniger sein. Am Ende einigte sie sich mit der Sparkasse auf eine Extrazahlung von rund 4000 Euro - aber, so sagt Rother: "Es ärgert mich, dass gerade ein öffentlich-rechtliches Institut so einen Ärger verursacht, obwohl es die Interessen der 'Otto Normalverbraucher' im Blick haben sollte." Die Sparkasse wollte sich auf Anfrage wegen des Bankgeheimnisses zu dem Fall nicht äußern.

Gemeinwohlorientierte Sparkassen in der Pflicht

Auch Julian Merzbacher, Verbraucherschutzexperte der Bürgerbewegung Finanzwende, sieht speziell die Sparkassen in der Pflicht, nun endlich zu handeln und von sich aus auf die Kunden zuzugehen. "Es ist eine Frechheit, dass gerade die gemeinwohlorientierten Institute beim Thema Prämiensparen bisher hauptsächlich auf den Faktor Zeit und auf Verjährungen setzen".

Zwar bezieht sich die Allgemeinverfügung der BaFin explizit auch auf bereits gekündigte Verträge. Aber inwiefern dann Ansprüche von Kunden bereits verjährt sind - oder vielleicht auch nicht -, sei nicht Sache der BaFin, heißt es dort, sondern das müssten im Zweifelsfall die Gerichte klären.

Großes Unverständnis bei den Banken

Die Kreditinstitute haben nun allerdings erst einmal vier Wochen lang die Möglichkeit, gegen die Allgemeinverfügung Rechtsmittel einzulegen. Das prüfe man derzeit, heißt es bei der Deutschen Kreditwirtschaft, dem Dachverband der Bankenbranche. "Es ist erstaunlich, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht damit den Gerichten vorgreift", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Denn es steht noch ein weiteres Urteil beim Bundesgerichtshof aus, nach welchen konkreten Kriterien Banken in langfristigen Sparverträgen Zinsen anpassen müssen. Wann diese Entscheidung verkündet wird, ist noch nicht bekannt - Verbraucherschützer rechnen mit dem Urteil im Herbst. Und das will die Deutsche Kreditwirtschaft nach eigenen Angaben natürlich berücksichtigen.

Vergleichsangebote nicht einfach akzeptieren

Doch bis dahin einfach abzuwarten, ist nach Angaben der BaFin keine Option. Denn schließlich sei ungewiss, wann mit einer Entscheidung des Bundesgerichthofs gerechnet werden könne, heißt es in der Allgemeinverfügung. Der Missstand zieht sich für die Finanzaufseher dadurch unnötig in die Länge, Verbraucher sollten nun dringend informiert werden.

Mit Blick auf die Allgemeinverfügung müssen Verbraucher erst mal nichts machen. Sie sollten allerdings darauf achten, ob sie von ihrer Hausbank in Sachen Prämiensparvertrag demnächst Post bekommen oder nicht. Sollten dabei Vergleichsangebote gemacht werden, empfiehlt Verbraucherschützerin Heyer, diese prüfen zu lassen, damit kein Sparer übervorteilt wird.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. Juni 2021 um 17:00 Uhr.