Debatte um Agrarsubventionen Exportiert die EU die Nahrungsmittelkrise?

Stand: 23.04.2008 21:52 Uhr

Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern soll produktiver werden, fordert die Bundesregierung. Doch die EU erschwert das seit langem. Exportsubventionen für EU-Produkte stören die Wettbewerbschancen der Bauern in armen Ländern. Erst 2013 sollen die Subventionen auslaufen.

Von Fabian Grabowsky, tagesschau.de

Eigentlich hat Burkina Faso eine funktionierende Milch-Infrastruktur. In dem westafrikanischen Land halten viele Bauern eine oder zwei Kühe. Es gibt zahlreiche kleine Molkereien. Doch dann kam aus EU-Ländern subventioniertes, billiges Milchpulver – in den Jahren 2004 und 2005 für bis zu einem Viertel unter dem Produktionspreis in Europa. Mit verheerenden Folgen, schildert Mute Schimpf von "Misereor" tagesschau.de: Einheimische Bauern hätten für 38 bis 45 Cent pro Liter produziert – das Milchpulver aber nur 30 Cent gekostet.

Wegen der weltweiten Lebensmittelkrise sind die EU-Agrarexportsubventionen wieder ein Thema. Dabei sind sich eigentlich alle einig: Beispiele wie das aus Burkina Faso zeigen, die Zuschüsse müssten so schnell wie möglich weg. Das finden unisono Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul von der SPD, Agrarminister Horst Seehofer von der CSU, Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Und das fordern seit Jahren auch Entwicklungsländer im Rahmen der Doha-Verhandlungsrunde der WTO.

Die Doha-Runde

Die 2001 eingeleitete Doha-Runde soll Zollsenkungen in Milliardenhöhe und einen besseren Zugang der Entwicklungsländer zu den Märkten der reichen Staaten bringen. Sie sollte ursprünglich schon 2004 abgeschlossen werden. Dies scheiterte aber unter anderem am Streit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern über Agrarsubventionen. 2007 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen - 2008 aber platzten sie erneut wegen des Streits um Agrarzölle zum Schutz von Bauern in den ärmeren Ländern.

Subventionsende im Jahr 2013?

Tatsächlich will EU-Kommissarin für Landwirtschaft, Mariann Fischer Boel, sie zwar am Ende der aktuellen WTO-Runde im Jahr 2013 abschaffen - allerdings nur, wenn die USA gleichzeitig ihre Lebensmittelexporte weniger stützen.

Schon jetzt sind die Subventionen mit 1,44 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf dem tiefsten Stand seit Jahren. 2000 zahlte die EU noch rund 5,6 Milliarden Euro. "Die Exportsubventionen sinken schnell - und 2013 werden sie ganz verschwunden sein", verspricht ein Sprecher Fischer Boels. Schon jetzt gebe es keine EU-Exportsubventionen für Milchprodukte mehr - die hätten im Jahr 2007 noch eine halbe Milliarde Euro betragen. Der Fall Burkina Faso wäre demnach aktuell nicht mehr möglich. Auch andere wundern sich über die Diskussion: "Schlachten von gestern um die Probleme von heute," nennt sie Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband im Gespräch mit tagesschau.de.

Zweifel am Doha-Erfolg

Aber: Tatsächlich sinken die Subventionen nicht etwa linear dem 2013er-Ziel entgegen, werden nicht systematisch Jahr für Jahr zusammengestrichen. Sie orientieren sich stattdessen an den Weltmarktpreisen, die momentan bekanntermaßen sehr hoch sind. Das heißt: Die EU-Produkte können dort fast kostendeckend verkauft werden - und müssen nicht wie sonst künstlich billiger gemacht werden. Das aber kann sich bis 2013 wieder ändern.

Und überhaupt sind sich nicht alle sicher, dass die Doha-Runde so erfolgreich sein wird, wie von Fischer Boel versprochen - und dass damit 2013 alle EU-Exportsubventionen endgültig verschwinden. Heinz G. Preuße, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Tübingen, ist skeptisch: "Die Ergebnisse der Doha-Runde sind völlig offen, eine seriöse Einschätzung ist unmöglich", sagt er tagesschau.de. Erstens seien die Verhandlungsbedingungen wegen der vielen Teilnehmer und der regionalisierten Weltwirtschaft weniger stabil als vor zehn oder 15 Jahren. Zweitens hätten frühere Runden oft "Placebo-Ergebnisse" gehabt, Probleme seien in die nächste Runde verschoben worden.

"Subventionen sofort abschaffen"

Auch für Misereor-Expertin Schimpf und ihre Kollegin Carolin Callenius von "Brot für die Welt" ist die Debatte keineswegs von gestern - sondern unbedingt eine Schlacht von heute. Die Subventionen müssten "sofort abgeschafft werden" – unabhängig vom Erfolg der WTO-Verhandlungen davon, zu welcher Agrarpolitik sich die USA bis 2013 durchringen, sagt Callenius tagesschau.de. Das beides so kommt, hält auch sie keineswegs für sicher.

Und selbst wenn die Exportsubventionen 2013 tatsächlich fallen - in den Entwicklungsländern wird es nicht nur Gewinner geben, sagt Wirtschaftswissenschaftler Preuße. Die Weltmarktpreise würden nach einer Zeit der Anpassungsprozesse zwar steigen. Für jene Entwicklungsländer, die Lebensmittel exportieren, hieße das wachsende Einnahmen, die sie wiederum in ihre Infrastruktur investieren könnten.

Aber was machen dann die vielen armen Länder, die einen Großteil ihrer Lebensmittel importieren müssen?