Vorschläge für Sanktionen bei hohen Defiziten EU will Staaten zur Haushaltsdisziplin zwingen

Stand: 30.06.2010 16:49 Uhr

Die EU-Kommission kämpft in der Finanzpolitik um mehr Macht. Sie will künftig frühzeitig in die Haushaltspläne der Mitgliedsstaaten eingreifen dürfen. Wer hohe Schulden macht und gegen den Stabilitätspakt verstößt, müsste mit Sanktionen und weniger Geld aus Brüssel rechnen.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Kaum einer kann so harmlos gucken wie EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Aber was der so zögerlich und zurückhaltend erscheinende Finne jetzt den EU-Regierungen vorgeschlagen hat, wird in vielen Hauptstädten bestimmt nicht als Freundlichkeit empfunden werden.

Modell der sozialen Marktwirtschaft nicht gefährden

Rehn will, dass künftig kein Land mehr den Euro und die europäische Wirtschaft an den Abgrund treiben kann. "Es ist Zeit zu handeln", sagt er. "Wenn wir jetzt nicht entschlossen die Schulden reduzieren und die Wirtschaft durch Strukturreformen in Schwung bringen, dann bringen wir unser Modell der sozialen Marktwirtschaft ernsthaft in Gefahr."

Um das zu verhindern, holt Rehn einige Keulen heraus. "Das Schlüsselelement ist das europäische ökonomische Semester", sagt er. Hinter diesem etwas verquasten Begriff steckt nicht mehr und nicht weniger als ein präventiver Eingriff in die nationalen Haushaltspläne.

Etats sollen frühzeitig nach Brüssel gemeldet werden

Schon im Frühjahr sollen die Regierungen ihre Pläne nach Brüssel melden, also lange bevor die nationalen Parlamente über die Budgets beraten. So sollen Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt werden. Der EU-Finanzministerrat soll die Chance erhalten, dem Haushaltssünder ein paar warnende Worte auf den weiteren Weg der Haushaltsberatung mit zu geben.

Rehn will das aber nicht als Einmischung in das Königsrecht der nationalen Parlamente missverstanden wissen. Vielmehr solle sicher gestellt werden, "dass die nationalen Budgets im Einklang stehen mit den europäischen Verpflichtungen und dass sie nicht die finanzielle Stabilität in Europa gefährden".

Damit die EU-Regierungen die europäischen Ratschläge auch beherzigen, schlägt Rehn eine ganze Palette von Sanktionen vor. In einer ersten Stufe könnten uneinsichtige Euro-Staaten dazu gezwungen werden, als Sicherheit einen Geldbetrag in Brüssel zu hinterlegen - und zwar solange, wie sie ihre Politik nicht korrigieren. Das nennt Rehn einen Anreiz.

EU-Kommission schlägt Sanktionen vor

Reicht dieser Anreiz nicht, soll es schlimmer kommen. "Wir schlagen vor, den EU-Haushalt als zusätzlichen Hebel für die Einhaltung des Stabilitätspakt zu nutzen", sagt Rehn. Er meint damit die EU-Mittel für Regionalförderung, für Agrar- und Fischereipolitik. Im Klartext: Den EU-Staaten, die ihr Schuldenproblem partout nicht angehen wollen, droht im äußersten Fall der Verlust von Milliarden Euro aus diesen EU-Töpfen. Allerdings versicherte Rehn den europäischen Landwirten, dass die Zahlungen, die ihnen direkt zustehen, davon unberührt bleiben sollen.

Noch ein Punkt liegt Rehn am Herzen. Die strenge europäische Überwachung soll künftig über die Haushaltspolitik hinausreichen. Auch Länder, die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zurückfallen oder die vor notwendigen Strukturreformen zurückschrecken, sollen konsequent an den europäischen Pranger gestellt werden.

Allerdings, all das sind erst einmal die Vorschläge der EU-Kommission. Entscheiden müssen die EU-Regierungen. Und einige haben schon klar gemacht, dass ihnen das Rehn-Menü gar nicht schmeckt.