Gaspipeline

EU-Russland-Gipfel in Chabarowsk Konkurrenten um Gas und Pipelines

Stand: 21.05.2009 05:00 Uhr

Die EU und Russland beraten heute im russischen Chabarowsk über ein neues Partnerschaftsabkommen. Bedeutendster Punkt ist die Energiepolitik. Dabei dürfte es wenig harmonisch zugehen: die EU will nämlich unabhängiger von russischen Importen werden.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Wenn EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und seine Begleiter heute im Fernen Osten mit der russischen Führung zusammentreffen, geht es um verbindliche Regelungen zu Energielieferungen. Tatsächlich spielt sich jedoch zwischen Russland und der EU ein Konkurrenzkampf um Pipelineprojekte und den Zugriff auf Öl- und Gasvorkommen ab.

Die EU will ihre Abhängigkeit von Russland verringern. Zwar betont die Regierung in Moskau unermüdlich, dass die Verträge über Gas- und Öllieferungen nach Europa eingehalten werden. Doch der neuerliche Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine im Januar sorgte für Verärgerung in der EU. Auch wenn die Union ihrerseits betont, dass sich ihre Projekte nicht gegen Russland richten, geht es letztlich darum, politisch und wirtschaftlich nicht erpressbar zu sein. Bislang bezieht die EU 25 Prozent ihrer Gasimporte aus Russland.

So liefern sich beide Seiten einen regelrechten Wettlauf vor allem in den Nachbarländern Russlands, der sensiblen Zone Moskaus. Präsident Dimitri Medwedjew unterzeichnete vergangene Woche eine "Nationale Sicherheitsstrategie", die den Kampf um Rohstoffvorkommen am Kaspischen Meer und in Zentralasien zu den potenziellen Gefahren für Russland zählt.

Konkurrenz am Kaspischen Meer

Begehrt sind beispielsweise die Gasvorkommen Turkmenistans. Von dort bezieht vor allem Russland den Rohstoff zu günstigen Preisen und verkauft ihn weiter nach Europa. Im April unterzeichnete der Energiekonzern RWE mit Turkmenistan eine Vereinbarung über Lieferungen nach Europa. Das Gas soll die seit Jahren geplante Pipeline Nabucco füllen helfen. Sie verläuft in einem "südlichen Korridor" an Russland vorbei durch das Kaspische Meer und den Südkaukasus bis in die Türkei. Nach den Vorstellungen von Energiekommissar Andris Piebalgs soll die EU später einmal fünf Prozent ihres Gasbedarfs über diesen Korridor beziehen.

Die zentralasiatischen Staaten sind allerdings kein leichter Verhandlungspartner. Sie lavieren gern zwischen den Konkurrenten. Als Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan Anfang Mai an einem EU-Gipfel zum "südlichen Korridor" in Prag teilnahmen, verweigerten sie ihre Unterschrift unter das Abschlussdokument. Doch immerhin hat Aserbaidschan Lieferungen zugesagt und die Türkei versprach, bis Ende Juni eine Regierungsvereinbarung zum Bau von Nabucco zu unterzeichnen. Zudem gibt es inzwischen eine Vereinbarung europäischer und arabischer Energiekonzerne über die Förderung von Gas im kurdischen Teil des Irak, das durch Nabucco nach Europa geleitet werden soll.

Verstimmung auf russischer Seite

Russland reagiert gereizt auf derlei Vorstöße. So zählte der stellvertretende Energieminister Anatoli Janowski am Rande des Energiegipfels in Prag Schwachpunkte von Nabucco auf: Teuer und ineffektiv sei das Projekt. Noch seien die Gebietsansprüche über die Vorkommen im Kaspischen Meer nicht geklärt. Außerdem werde das Thema Energie unnötig politisiert. Es solle doch besser den Konzernen überlassen bleiben, die über das nötige Wissen für derartige Projekte verfügten.

Unerwähnt ließ er freilich, dass der wichtigste russische Spieler in der Konkurrenz um das Gas der Konzern Gazprom ist, der überwiegend in staatlicher Hand ist. Die russische Regierung reagierte auch verärgert, als sie zusehen musste, wie die EU mit der Ukraine die Modernisierung ihrer maroden Pipelines vereinbarte.

Der Kreml bleibt aber gegenüber den zaghaften Angriffen auf die mächtige Stellung Gazproms nicht tatenlos. Mitte Mai unterzeichnete der Konzern in Sotschi Abkommen mit Energiefirmen aus Bulgarien, Serbien, Rumänien und Italien. Durch diese Länder und das Schwarze Meer soll die Konkurrenzleitung zu Nabucco verlaufen - die Pipeline South Stream. Beide Gasleitungen sollen bis 2015 ihre Arbeit aufgenommen haben. Fraglich bleibt, ob genug Gasvorkommen für beide Pipelines angezapft werden können.

Hoher Preis für die Unabhängigkeit von Russland

Diese Frage stellt sich vor allem in der EU, sind doch einige ihrer Mitgliedsländer auch an South Stream beteiligt. Ein weiteres Problem führt zum Ausgangspunkt der geplanten Leitungen zurück - die EU umschmeichelt geradezu Länder mit erheblichen demokratischen Defiziten wie Aserbaidschan und Turkmenistan.

Das sonst in Bezug auf Menschenrechte kritische Europaparlament stimmte im April einem Handelsabkommen mit Turkmenistan zu. Auch beim Energiegipfel in Prag wurde das heikle Thema nicht erwähnt. Der Preis für eine größere Energie-Unabhängigkeit von Russland ist hoch.