Wissenschaftler gegen "Weiter so" Wirtschaftsweise fordern Schuldenschnitt

Stand: 20.07.2011 15:47 Uhr

Kein "Weiter so", kein "Prinzip Hoffnung - die so genannten fünf Wirtschaftweisen warnen davor, die Euro-Krise auszusitzen. Stattdessen empfehlen die Regierungsberater, Griechenland mindestens einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Das lehnt die Kanzlerin bisher ab.

Von Frank Aischmann, ARD Berlin

Von Frank Aischmann, MDR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin

Aus einer Sammlung problematischer Alternativen müssen die Staats- und Regierungschefs der 17 Eurostaaten auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel die noch halbwegs beste auswählen: Wie genau kann die Gemeinschaftswährung gerettet werden?

Jedenfalls nicht mit einem "Weiter so", nicht mit dem "Prinzip Hoffnung". Hoffnung darauf, dass die Schuldenkrise von Griechenland und anderer Problemländer nach weiteren Finanzhilfen der starken EU-Staaten bald vorbeigeht und die Hilfsmilliarden schon zurückfließen werden. Vor genau dieser Hoffnung warnt der deutsche "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung".

Wirtschaftweise halten "Plan B" für nötig

Die so genannten fünf Wirtschaftsweisen, allesamt Wissenschaftler und Regierungsberater, haben - erstmals in der Geschichte überhaupt - einen gemeinsamen Gastbeitrag veröffentlicht. Sie fordern in der heutigen Ausgabe der FAZ einen "Plan B". Die Verschuldung Griechenlands könnte weiter wachsen, Rettungsprogramme immer teurer werden. Das wiederum würde zu einem ebenfalls wachsenden Akzeptanzproblem der Bevölkerungen in Geber- wie in Nehmerländern führen. Auch der Ausstieg eines Landes aus der Währungszone, der Zerfall des Euroraumes sei möglich.

Die Wirtschaftsweisen

Jährliches Ritual: das Gutachten der Wirtschaftsweisen für die Kanzlerin

Deshalb erwarten die Wirtschaftsweisen von den Euro-Regierungen, die gegenseitige Blockade wegen unterschiedlicher nationaler Interessen und Positionen aufzugeben. Den geforderten "Plan B" erklärte in dieser Woche bereits Ex-Finanzminister Peer Steinbrück von der SPD: Griechenland solle ein kräftiger Teil seiner Schulden erlassen werden, nämlich 40 bis 50 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel klang bislang allerdings nicht so, als sei ein solcher Schuldenschnitt vom EU-Sondergipfel zu erwarten. Das Euro-Stabilitätsproblem sei nicht mit einem spektakulären Schritt zu lösen, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Russlands Präsident Medwedjew in Hannover, nötig sei ein kontrollierter und beherrschbarer Prozess.

Ähnlich skeptisch wie die Kanzlerin äußerte sich Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag: "Das Problem bei der Geschichte ist, dass die Europäische Zentralbank und auch zum Teil andere europäische Mitgliedsländer fürchten, dass damit ein so genannter Kredit-Event entsteht. Dass damit dann die Kreditausfallsversicherungen fällig wären. Man spricht dann von einem 'selective default', einer Teilpleite Griechenlands. Wenn das der Fall wäre, könnten daraus erhebliche Ansteckungsgefahren erwachsen. Diese Frage gilt es auszutarieren: Ist es möglich, einen solchen Schritt zu tun, ohne damit diesen viel gefürchteten Kredit-Event auszulösen."

Gesonderte Beratungen von Merkel und Sarkozy

Auf der Suche nach einer gemeinsamen Linie für den Sondergipfel beraten im Vorfeld Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy in Berlin. Die Ansichten darüber, wie weitere Hilfspakete für Griechenland konkret aussehen sollten, fallen unterschiedlich aus. Deutschland, so Barthle, lege großen Wert auf die Beteiligung des Privatsektors, also Banken und Versicherungen: "Andernfalls fürchten wir, das die Griechenland-Anleihen in öffentliche Banken verlagert werden und dann nur noch der Steuerzahler haftet. Das wollen wir vermeiden." Frankreich habe eine andere Position, weil französische Banken wesentlich mehr Griechenland-Anleihen in ihren Büchern hätten als deutsche Banken. Trotz dieser Differenzen gibt sich Barthle optimistisch: "Wenn sich Deutschland und Frankreich einigen, werden die anderen nachziehen."