Euro-Einführung in Lettland Stabilitätsanker oder Krisenwährung?

Stand: 29.12.2013 07:10 Uhr

Als 18. Mitglied der Eurozone führt Lettland am 1. Januar die europäische Gemeinschaftswährung ein. Die meisten Politiker und Unternehmer des Landes sind von den Vorteilen überzeugt. Eine Minderheit fürchtet aber wie die Bevölkerung die Risiken.

Es gibt so einiges, was gegen den Euro spricht. Die Währungsunion hat sich gerade als ziemlich wackelig erwiesen und die Menschen in Lettland wollen ihn gar nicht - jedenfalls sagt das eine deutliche Mehrheit in den Meinungsumfragen. Den Finanzminister des Landes, Andris Vilks, beirrt das alles nicht. Und wenn man ihn nach den Gründen fragt, dann kommt zuerst ein eher politisches Argument: "Wir vollenden damit unseren Traum, bei allen drei entscheidenden Pfeilern der westlichen Welt dabei zu sein: EU, NATO und Eurozone", antwortet Vilks.

Martin Bohne, M. Bohne, MDR Brüssel, 29.12.2013 07:10 Uhr

Dieser Enthusiasmus für die Westintegration hat natürlich viel zu tun mit der Angst vor dem übermächtigen östlichen Nachbarn und ehemaligen Besatzer Russland. Aber auch ökomisch sieht der Finanzminister den Euro vor allem als sicheren Hafen: Dann gebe es keine Spekulationen mehr mit der Währung, keine ständigen Abwertungsgerüchte, so Vilks. "Das abzuwehren, hat uns immer so viel Kraft gekostet. Der Euro ist für uns ein machtvoller Stabilitätsanker."

Die Regierung steht hinter der Euro-Einführung ...

Paul Raudseps, der bekannteste Wirtschaftsjournalist des Landes, findet auch das Bild vom sicheren Hafen im Sturm: Er bezeichnet den Euro als "ein System, durch das ein kleines Land seine Währung vor all diesen Angriffen schützen kann; vor Angriffen, die manchmal gar keinen realen Anlass haben und einfach nur kommen, weil die Märkte gerade mal so drauf sind".

Finanzminister Vilks sieht zudem noch weitere Vorteile, ihm gehen die Argumente pro Euro nicht aus: "Es ist sehr wichtig, dass wir durch den Euro das Rating unseres Landes verbessern", legt er dar. So können wir unsere Staatsschulden billiger finanzieren, und auch die Unternehmen kommen billiger an Kredite."

Und als Euroland soll Lettland noch attraktiver für ausländische Investoren werden: "Wir haben so gut wie kein Haushaltsdefizit, sehr wenig Schulden, viel Wachstum. Bei uns ist es alles sehr ruhig und berechenbar", erklärt Vilks. Gleichzeitig seien die Löhne in Lettland immer noch drei- bis viermal niedriger als in Westeuropa. Seine Schlussfolgerung daher: "Lettland dürfte, zusammen mit den anderen baltischen Staaten, in den nächsten Jahren der attraktivste Investitionsstandort in Europa sein."

... die lettische Bevölkerung ist dagegen ...

Die Bevölkerung hat die lettische Regierung mit solchen Argumenten bislang kaum erreicht. Auch in den lettischen Oppositionsparteien findet man Politiker, die von den segensreichen Wirkungen des Euro nicht überzeugt sind. So verweist Dana Rezniece-Ozola von der Partei der Grünen auf die tiefe Krise der gemeinsamen Währung. Ihr gefällt überhaupt nicht, dass Lettland da nun über den Euro-Rettungsfonds ESM in Mithaftung genommen wird: "Die lettischen Menschen sollten nicht hart arbeiten, nur damit sich die Griechen einen Fetten machen. Wir erzählen uns hier immer die Anekdote, dass eine Grieche es sich in der Taverne gut gehen lässt und wenn die Rechnung kommt, sagt er, Deutschland und Lettland sollen zahlen."

Und die Entwicklung in Griechenland, ebenso wie in den anderen südlichen Krisenländern, zeige auch, so Rezniece-Ozola, welche fatalen Auswirkungen die Mitgliedschaft im Euro habe: Schließlich profitierten in jeder Union vor allem die starken Länder. "Und wir sind klein und arm. Unsere Handelsbilanz ist negativ, unsere Produktion ist unterentwickelt. Die Erfahrungen zeigen: je schwächer ein Land beim Euroeintritt ist, um so härter wird es", befürchtet sie.

Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist auch für Igor Pimenov das Hauptargument gegen den Beitritt zum jetzigen Zeitpunkt. Pimenov ist der Wirtschafts- und Finanzexperte der Partei Harmoniezentrum, der Partei der starken russischen Minderheit in Lettland. Außerdem verliere das Land auch noch den Spielraum, durch eine flexible Geldpolitik bei Problemen gegenzusteuern. Denn die Geldpolitik wird einheitlich für alle Eurostaaten von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt gemacht.

... die Unternehmer sind wiederum dafür.

Die große Mehrheit der lettischen Unternehmer ist für die Euro-Einführung. Zu den wenigen Skeptikern zählt Jan Oslejs, der Gründer des international erfolgreichen Betonherstellers Primekss. Die Einsparungen durch die gemeinsame Währung seien gar nicht so bedeutend, schließlich gehe der Großteil der lettischen Exporte in Nicht-Euro-Länder - nach Russland, nach Skandinavien oder in die USA.

"Wir sparen einen Cent ein, aber wir verlieren einen ganzen Euro. Das Problem mit dem Euro in allen ärmeren Ländern ist, dass die Preise steigen, und damit die Löhne und zwar schneller als die Produktivität", befürchtet Oslejs. Das mache die lettischen Exporte teurer - zu teuer, um sie noch im Ausland verkaufen zu können. "Die Industrie beginnt zu leiden. Und am Ende haben wir den Crash."

Ganz so wie es in den südeuropäischen Krisenstaaten passiert ist. Es wird also eine Weile dauern, bis man erkennen wird, ob der Euro am Ende Fluch oder Segen für Lettland sein wird.