Euro-Gipfel in Brüssel Reformen oder Grexit

Stand: 13.07.2015 05:16 Uhr

Die Euroländer erhöhen den Druck auf Athen. Reformen sollen unverzüglich umgesetzt werden, auch mit dem Euro-Aus wird gedroht. Kanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Hollande und EU-Ratschef Tusk berieten zwischenzeitlich allein mit Ministerpräsident Tsipras.

Der Euro-Sondergipfel zu Griechenland hatte kaum begonnen, da zogen sich vier wichtige Akteure zu Beratungen im kleinen Kreis zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich mit Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras, dem französischen Präsidenten François Hollande und EU-Ratspräsident Donald Tusk an einen Tisch. Der Beratungsbedarf ist hoch, die Situation kompliziert, denn bereits die stundenlangen Beratungen der Euro-Finanzminister verliefen zäh und endeten schließlich ohne Durchbruch.

Auch der "Grexit auf Zeit" wird beraten

Dann nahmen alle 19 Staats- und Regierungschefs die gemeinsamen Beratungen wieder auf, um sie Stunden später für weitere vier Stunden wieder zu unterbrechen. Erneut gab es Gespräche verschiedener Akteure mit Tsipras. Erst gegen 4.30 Uhr kam die große Runde wieder zusammen, um offenbar über ein Kompromisspapier abzustimmen, das EU-Ratspräsident Donald Tusk vorlegte.

Die Gipfelteilnehmer mussten wohl auch darüber entscheiden, ob sie Griechenland einen zeitweisen Ausstieg aus dem Euro vorschlagen. In dem Dokument, dass die Euro-Finanzminister am Sonntagnachmittag übergaben, steht auf der letzten Seite der zuvor vom Bundesfinanzministerium gemachte Vorschlag, dass die Regierung in Athen eine solche Option prüfen soll. Falls keine Einigung über ein Hilfspaket zustande komme, "sollten mit Griechenland rasche Verhandlungen über ein 'time-out' aus der Euro-Zone begonnen werden, zusammen mit einer möglichen Schulden-Restrukturierung", heißt es.

Der Satz ist allerdings in Klammern gesetzt: Dies bedeutet, dass dies einer der Punkte war, über den sich die Euro-Finanzminister nicht einigen konnten. Den Vorschlag eines Ausscheidens aus dem Euro für fünf Jahre hatte das Bundesfinanzministerium in einem Diskussionspapier von Freitag für den Fall gemacht, dass Griechenland keine ausreichenden verbindliche Reformvorschläge vorlegen will.

Athen muss in Vorleistung gehen

Insgesamt hatten die Euro-Finanzminister einen vierseitigen Katalog mit Reform-Erwartungen an die Gipfel-Teilnehmer übermittelt. Er sieht vor, dass das Parlament in Athen bis Mittwoch ein erstes Gesetzespaket verabschiedet. Dabei geht es um Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer sowie die Reform des Rentensystems. Im Gespräch ist auch, einen Treuhandfonds in Luxemburg einzurichten. Er könnte einen Wert von 50 Milliarden Euro umfassen. Die Gewinne aus der Veräußerung von griechischem Staatsvermögens sollen in den Schuldenabbau fließen.

Rückkehr der Troika?

Außerdem soll die Athener Regierung bestimmte Gesetzesentwürfe mit den Geldgeber-Institutionen - also EU-Kommision, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds - abstimmen, noch bevor sie ans Parlament gehen. Das wäre dann de facto die Rückkehr der ungeliebten Troika nach Athen.

Auch der Finanzbedarf Griechenlands steigt. Inzwischen wird er auf 82 bis 86 Milliarden Euro geschätzt, heißt es in dem Dokument der Euro-Gruppe. In früheren Versionen war noch von 74 Milliarden Euro ausgegangen. Die Europartner erwägen im Gegenzug Erleichterungen beim Schuldendienst, allerdings keinen klassischen Schuldenschnitt (haircut).

Innerhalb der griechischen Regierung stieß der vorläufig vorliegende Rettungsplan auf große Bedenken. Die Vorschläge seien sehr schlecht, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf griechische Regierungskreise in Brüssel. Trotzdem wolle Athen aber weiterhin Lösungen finden.

Merkel: Keine Einigung um jeden Preis

Deutschland gehört zu den Verfechtern einer harten Linie, verkörpert durch Finanzminister Wolfgang Schäuble. Bei ihrer Ankunft in Brüssel hatte Kanzlerin Angela Merkel einer Einigung um jeden Preis eine Absage erteilt. Es müsse sichergestellt werden, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen - "und zwar sowohl für die Zukunft Griechenlands, als auch für die Eurozone als Ganzes und die Prinzipien unserer Zusammenarbeit".

Sie wisse, "dass die Nerven angespannt sind", sagte die Kanzlerin. Die Verantwortung sieht sie dafür bei der Regierung in Athen: Die "wichtigste Währung" sei "verloren gegangen, und das ist Vertrauen und Verlässlichkeit". Es sei daher für sie "kein Wunder", dass die Euro-Finanzminister den Staats- und Regierungschefs trotz stundenlanger Verhandlungen nicht einmütig zur Aufnahme von Verhandlungen mit Athen auffordere.

Verhandlungen bis zur allerletzten Millisekunde

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab sich etwas optimistischer: "Wir werden bis zur allerletzten Millisekunde an einer Lösung arbeiten", versprach er in Brüssel. "Ich befinde mich in gehobenem Kampfesmut, und wir werden auch - wie ich hoffe - zu einer Lösung kommen."

Darauf hofft auch Frankreich Staatschef François Hollande: "Frankreich wird alles machen, um heute Abend eine Vereinbarung zu finden." Es gehe darum zu wissen, ob Griechenland morgen noch in der Eurozone sein werde. Frankreich setzt sich seit längerem vehement dafür ein, mit Athen zu einer Vereinbarung zu kommen. Von dem Schäuble-Papier zum "Grexit auf Zeit" hielt er nichts.