Interview

Streit über gemeinsame Anleihen "Eurobonds könnten den Reformwillen untergraben"

Stand: 23.05.2012 14:15 Uhr

Die Debatte über gemeinsame Staatsanleihen entzweit die Eurozone. Solche Eurobonds seien ein starkes Signal, beruhigen die Märkte aber nur kurzfristig, sagt der Ökonom Henning Vöpel vom HWWI im Interview mit tagesschau.de. Sie könnten zugleich den Reformwillen hoch verschuldeter Staaten untergraben.

tagesschau.de Es wird wieder nach der richtigen Medizin im Kampf gegen die Krise gesucht, als mögliches Mittel werden immer wieder Eurobonds - gemeinsame Anleihen der Staaten - genannt: Frankreich ist dafür, Deutschland dagegen. Was meinen Sie, sind Eurobonds der richtige oder der falsche Weg?

Henning Vöpel: Eurobonds können natürlich kurzfristig erst mal die Märkte beruhigen. Es ist ein relativ starkes Signal an die Märkte, dass Europa tatsächlich den politischen Willen aufbringt, die Eurozone, den Euro, zu erhalten. Man darf aber nicht vergessen, dass die Politik zurzeit nicht weniger verhandelt als die Zukunft Europas. Es geht darum, wie Europa in Zukunft funktionieren soll, und da geht es natürlich auch ganz massiv um nationale Interessen. Und Eurobonds würden natürlich auch die deutschen Interessen ganz stark berühren.

Zur Person

Henning Vöpel ist seit 2006 als Senior Economist am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) tätig. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hamburg School of Business Administration (HSBA).Seine Forschungs- und Themenschwerpunkte sind Konjunkturanalyse, Geld- und Währungspolitik.

tagesschau.de Einer der Hauptgründe für Merkels Blockade ist: Deutschland befürchtet, selbst höhere Zinsen zahlen zu müssen. Wäre da nicht eine andere Zinsverteilung verhandelbar?

Henning Vöpel: Die Grundidee von Eurobonds ist ja gerade, dass es eine gemeinschaftliche Haftung für die Schulden gibt, das heißt es gibt auch nur noch einen Zinssatz. Das würde Deutschland, im Vergleich zu heute, natürlich relativ schlechter stellen. Man darf allerdings nicht übersehen, dass Deutschland zurzeit stark profitiert. Davon, dass die Anleger aus den griechischen und spanischen Anleihen in deutsche Anleihen flüchten. Das senkt natürlich die deutschen Zinsen.

"Strukturelle Defizite würden zementiert"

tagesschau.de Die zweite Befürchtung Deutschlands ist, dass der Sparwille der hochverschuldeten Länder durch Eurobonds sinken werde. Ist die Annahme berechtigt?

Vöpel:  Ich denke, die Befürchtung ist sehr berechtigt. Eurobonds könnten den Reformwillen der Länder untergraben. Es könnte sein, dass sie sich stärker verschulden statt weniger. Es könnte insgesamt dazu führen, dass Europa sich stärker verschuldet und dass das die strukturellen Defizite zementiert. Deutschland würde dann dauerhaft in eine Zahlerposition geraten, und das will man natürlich vermeiden.

tagesschau.de  Sie sagten, Eurobonds könnten die Krise kurzfristig beruhigen. Vor einem Jahr hatte man ja schon über Eurobonds diskutiert. Angenommen, man hätte sich dafür entschieden, hätte das Positives bewirkt?

Vöpel: Ich denke schon, zumindest kurzfristig. Man darf allerdings nicht übersehen, dass Europa nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch immer schwieriger wird. Die Regierungen haben gewechselt, insofern ist eine Verhandlungslösung wirklich in weite Ferne gerückt. Insofern braucht es, nicht nur kurzfristig eine Transferunion, sondern wir müssen langfristig auch einen Fiskal- und Wachstumspakt in Gang setzen, um wirklich die strukturellen Defizite zu beheben.

tagesschau.de Was glauben Sie, werden Eurobonds kommen?

Vöpel: Das kommt sehr auf die konkrete Ausgestaltung an. Ich glaube, es wird eine Art Transferunion geben, aber daneben wird es auch andere Instrumente geben, die tatsächlich nicht an den Symptomen der Staatsverschuldung ansetzen, sondern eben auch an den Ursachen. Und das sind Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit. Dafür brauchen wir dann auch einen Fiskal- und Wachstumspakt.

Das Interview führte Michail Paweletz, tagesschau24.