Hilfe für Euro-Schuldenstaaten EZB berät über Ankauf von Staatsanleihen

Stand: 06.09.2012 12:19 Uhr

Der EZB-Rat entscheidet heute, ob die Europäische Zentralbank (EZB) künftig massiv Anleihen kriselnder Euro-Staaten aufkaufen soll. Es könnte die weitreichendste Entscheidung in der Geschichte des Euro sein: Befürworter erhoffen sich so mehr Zeit für Reformen, Kritiker befürchten eine Geldentwertung.

Es ist eine der wichtigsten Sitzungen seit seiner Gründung: Der EZB-Rat ist in Frankfurt zusammengekommen, um die neue Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Schuldenkrise der Euroländer zu bestimmen. Die 23 Notenbanker wollen über ein neues Kaufprogramm für Staatsanleihen der überschuldeten Euro-Staaten entscheiden, um den Druck der Finanzmärkte auf diese Länder abzumildern.

Schon vor der Sitzung, an der auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker teilnehmen wollte, war es zum Schlagabtausch zwischen dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, und Bundesbank-Chef Jens Weidmann gekommen. Weidmann kritisiert Anleihenkäufe scharf. Er ist im EZB-Rat in der Minderheit.

Draghi hatte vergangenen Monat angekündigt, dass er mit an strikte Konditionen geknüpften Anleihenkäufen sicherstellen will, dass die Geldpolitik der EZB nicht durch die Krise untergraben wird. Durch unbegrenzte Ankäufe könnte die EZB den verunsicherten Märkten die Sorge vor einem Zerfall der Eurozone nehmen, argumentieren die Befürworter des Plans.

Die sehr kleine Fraktion um Weidmann verweist auf die Gefahren, die bei einer laxen Geldpolitik drohen. Zudem kritisiert Weidmann, dass die EZB durch die Anleihekäufe den Druck von der Politik nehmen würde, echte Reformen umzusetzen und die Schuldenländer des Südens zu sanieren. Angeblich hat Weidmann intern wegen der Politik der EZB bereits über seinen Rücktritt nachgedacht.

Hintergrund: Anleihekauf durch den ESM

Bislang war vorgesehen, dass der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM Staatsanleihen von Euro-Ländern selbst kaufen kann, damit diese Staaten niedrigere Zinsen zahlen müssen, wenn sie sich bei Investoren Geld leihen. Der ESM kann diese Papiere aber nicht unbegrenzt kaufen. Denn das Geld für diese Geschäfte muss sich der Rettungsschirm auf dem Kapitalmarkt selbst leihen. Zur Absicherung dient dabei das Stammkapital von 700 Milliarden Euro, das die Euro-Staaten bereitstellen.
Bekäme der ESM nun eine Banklizenz, könnte er sich wie andere Geldhäuser nach Bedarf frisches Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen. Dafür müsste er Sicherheiten wie die erworbenen Staatsanleihen hinterlegen. So käme ein Kreislauf in Gang, der sich praktisch unbegrenzt fortsetzen ließe. Denn mit dem EZB-Geld könnte der ESM weitere Staatsanleihen kaufen. Damit stiegen aber auch die Risiken für die anderen Euro-Staaten.

Leitzinsentscheidung mit Spannung erwartet

Der deutsche Aktienmarkt ist vor der EZB-Ratssitzung kräftig nach oben geschossen. Der Leitindex DAX legte im frühen Handel um 1,3 Prozent zu und übersprang damit die Marke von 7000 Zählern. Der Handelsverlauf spiegelt den gestiegenen Optimismus an der Börse wider: Es wird erwartet, dass das Gremium für den Ankauf von Anleihen aus Krisenstaaten votiert.

Der Rat entscheidet auch über den Leitzins. Eine Zinssenkung auf 0,5 Prozent ist nach Informationen von Notenbankinsidern aber nicht wahrscheinlich. Draghi wird die Gründe für den Beschluss und Details des neuen Anleiheprogramms um 14.30 Uhr bekannt gegeben. Sollte die EZB die extrem hohen Erwartungen der Investoren enttäuschen, könnte es zu einem Ausverkauf an den Börsen kommen.