Streit um Griechenland-Rettung Euro-Gipfel unter Erfolgszwang

Stand: 17.07.2011 13:07 Uhr

Den Ländern der Euro-Zone läuft die Zeit davon: Bis zum Gipfel am Donnerstag müssen sie wissen, wie sie Griechenland aus dem Schuldensumpf befreien wollen. Die Rufe nach einem Schuldenschnitt werden lauter, aber auch die Gegner dieser Lösung bringen sich in Stellung. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Griechenland braucht ein zweites Rettungspaket - das ist mittlerweile unumstritten. Streit gibt es aber über das "Wie". Und nun läuft den Euro-Ländern die Zeit davon: Nachdem EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy für Donnerstag einen Sondergipfel einberufen hat, ist der Einigungsdruck hoch. Denn das Krisentreffen ist zum Erfolg verdammt. Präsentieren die Euro-Länder keinen Weg zur Rettung Griechenlands, sendet dies ein verheerendes Signal an die Märkte. Folgen ungewiss.

Schuldenschnitt findet immer mehr Anhänger

Entsprechend mehren sich im Vorfeld des Gipfels die Vorschläge für geeignete Rettungsmaßnahmen. Insbesondere Rufe nach einem Schuldenschnitt werden lauter. In diesem Fall verzichten die Besitzer griechischer Staatsanleihen auf einen Teil ihrer Forderungen. Das schuldengeplagte Land muss dann weniger Geld zurückzahlen.

So hält etwa der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz einen teilweisen Erlass griechischer Schulden für zwingend und "letztlich für unausweichlich". Ähnlich äußerte sich der frühere Wirtschaftsweise Bert Rürup sowie der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Verbandspräsident Hans-Peter Keitel forderte in der "Bild am Sonntag" die "Gesamtschuldenlast des Landes auf ein tragfähiges Niveau" zu senken.

Auch Politiker von Union und SPD machen sich für diese Lösung stark. Um die Verunsicherung für Wirtschaft und Verbraucher zu beenden, sei eine "Kappung der griechischen Staatsschulden unumgänglich", sagte der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann unterstützte den Vorschlag von Commerzbank-Chef Martin Blessing, dass die Gläubiger auf 30 Prozent ihrer Kredite verzichten - dies käme einem Schuldenschnitt gleich. Dies sei besser, "als ein noch höheres Ausfallrisiko zu befürchten", sagte Oppermann der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Der Wirtschaftsweise Franz skizzierte im "Focus" eine Möglichkeit für die konkrete Ausgestaltung des Schuldenschnitts: Er schlägt vor, "dass der derzeitige Euro-Rettungsschirm EFSF griechische Staatspapiere mit einem gehörigen Abschlag in von ihm ausgegebene und garantierte Anleihen umtauscht". Einerseits wäre dann ein Schuldenschnitt - also ein teilweiser Schuldenerlass - realisiert, andererseits verfügten Banken und Versicherungen dann über Wertpapiere mit bester Bonität.

Die Gegner wollen weder Schuldenschnitt noch Eurobonds

Als klarer Gegner eines Schuldenschnitts präsentierte sich Bundesbankchef Jens Weidmann. "Griechenland konsumiert deutlich mehr als es erwirtschaftet, der Staatshaushalt weist hohe Defizite auf. So lange sich daran nichts ändert, schafft selbst ein Schuldenschnitt keine wirkliche Besserung", sagte Weidmann der "Bild am Sonntag".

Zugleich sprach sich der Bundesbankchef gegen die Einführung von Eurobonds aus. "Das Ergebnis wird sein, die europäischen und vor allem die deutschen Steuerzahler müssen für die gesamten griechischen Staatsschulden einstehen. Das wäre der Schritt in die Transferunion, den Deutschland zu Recht abgelehnt hat." Nichts würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik rascher und dauerhafter zerstören als eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden, betonte Weidmann.

Das sieht die Bundesregierung genauso. "Diese sogenannten Eurobonds würden bedeuten, dass für diese Schuldscheine nicht mehr allein die einzelnen Staaten haften und auch keine Konsequenzen in Form von höheren Zinsen für unsolide Haushaltspolitik befürchten müssten", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kürzlich in einem Interview. Damit würde die Grundstruktur der Europäischen Währungsunion außer Kraft gesetzt.

Die griechische Regierung tritt hingegen für die Einführung gemeinsamer europäischer Staatsanleihen ein. Und Befürworter einer Eurobonds-Lösung argumentieren, dass der Schritt zur Transferunion ohnehin schon längst erfolgt ist.

Griechen kaufen Anleihen zurück - mit EFSF-Geld

Von einem weiteren Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium berichtet der "Spiegel": Demnach kaufen die Griechen eigene Staatsanleihen zurück. Nach diesem Modell würde der Euro-Rettungsschirm EFSF dem Land Geld geben, damit das Land seine Anleihen selbst zum Marktpreis von privaten Gläubigern zurückkaufen kann. Das wäre ein gutes Geschäft für Griechenland, da die Kurse für griechische Anleihen derzeit um bis zu 50 Prozent unter ihrem Nennwert liegen. Das Angebot könne für solche Gläubiger interessant sein, die sich erst während der Krise günstig mit Griechenland-Anleihen eingedeckt hätten, schreibt das Magazin - denn diese Anleger haben die Papiere ohnehin schon mit Abschlägen gekauft.

Grundsätzliche Sympathie für eine sogenannte "Bond-Buy-Back"-Lösung lässt auch die Europäische Zentralbank (EZB) erkennen, wenn auch in abgewandelter Variante. Sie befürwortet den Rückkauf griechischer Anleihen durch den Euro-Rettungsschirm: "Wir haben gesagt, dass dies eine nützliche Alternative wäre", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi der griechischen Tageszeitung "To Vima". "Sie würde dem Privatsektor erlauben, die Anleihen zum derzeitigen Marktpreis zu verkaufen, der derzeit unter dem Nominalwert liegt", sagte der Notenbanker. "Gleichzeitig würde der Privatsektor monetär profitieren." Der zusätzliche Charme einer solchen Rückkauf-Lösung: Es gäbe de facto einen Schuldenschnitt, ohne dass Griechenland die Zahlungsunfähigkeit erklären müsste.

Der Chef des Euro-Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", derzeit deute viel darauf hin, dass der Rettungsfonds sich demnächst an der Griechen-Rettung beteiligen solle.

Streit um Beteiligung privater Gläubiger

Beteiligen sollen sich nach Ansicht der Bundesregierung auch private Gläubiger, wie Banken und Versicherungen. Nicht nur die EZB verlangt, dass dies einen strikt freiwilligen Charakter hat. Hintergrund: Ratingagenturen würden die zwangsweise Beteiligung privater Gläubiger auf jeden Fall als Zahlungsausfall Griechenlands einstufen. Doch auch bei einer freiwilligen Beteiligung wäre dies keineswegs ausgeschlossen: Die Ratingagenturen machten bereits deutlich, dass sie eine solche Lösung ebenfalls als zumindest teilweisen Zahlungsausfall bewerten würden.

Das will die EZB unbedingt vermeiden. Daher lehnt sie auch einen Schuldenschnitt ab, denn auch dies würden die Ratingagenturen als Kreditausfall des Landes bewerten. Und in einem solchen Fall dürfte die EZB keine griechischen Staatspapiere mehr als Sicherheit annehmen, die griechischen Banken könnten sich bei der EZB kein Geld mehr leihen und wären wohl binnen Stunden pleite.

Der Countdown für die Rettung Griechenlands läuft - bis Donnerstag haben die Finanzminister der Euro-Länder noch Zeit, mehrheitsfähige Lösungen zu präsentieren. Ein Appell zur Eile kam heute aus Griechenland: "Es wird Zeit, dass Europa aufwacht", mahnte Ministerpräsident Giorgos Papandreou in der Zeitung "Kathimerini". Jetzt müsse die EU mutige Entscheidungen treffen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) schlug erneut Alarm: Auf "Messers Schneide" stehe die Bewältigung der griechischen Schuldenkrise, sagte der Leiter der IWF-Mission in Griechenland, der stellvertretende IWF-Europachef Poul Thomsen.

Neues Rettungspaket mit bis zu 120 Milliarden Euro

Das neue Rettungspaket für Griechenland könnte einen Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro haben. Bereits im Mai 2010 war Athen mit einem Hilfspaket von 110 Milliarden Euro vor der Staatspleite gerettet worden. Seit einiger Zeit zeichnet sich jedoch ab, dass Griechenland nicht wie geplant schon 2012 wieder in der Lage sein wird, an den Finanzmärkten genug Geld zu akzeptablen Bedingungen leihen zu können. Das Land wird daher voraussichtlich weiter auf Kredithilfen der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds angewiesen sein, um seine Ausgaben decken zu können.