Streit der Finanzminister Defizitstrafen spalten die EU

Stand: 28.09.2010 00:46 Uhr

Prinzipiell sind alle EU-Staaten für den Stabilitätspakt und eine härtere Umsetzung seiner Regeln. Doch in der Praxis drängen vor allem die EU-Kommission und Deutschland auf schärfere, automatische Sanktionen. Frankreich, Spanien und andere Länder wehren sich dagegen.

Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Am Ende, nach fast fünf Stunden, gab es gerade mal ein paar dürre Zeilen: Man habe einen intensiven Meinungsaustausch gehabt. Die bei Ministertreffen übliche Pressekonferenz war schon vorher abgesagt worden. Dabei hatte Task-Force-Chef Herman Van Rompuy, im Hauptberuf EU-Ratspräsident, selbst in der vergangenen Woche angekündigt, dass er einen ersten Entwurf der Reformvorschläge präsentieren werde.

Die im Frühjahr auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise mit großem Pomp eingesetzte Arbeitsgruppe zur Rettung des Euro tritt ganz offensichtlich auf der Stelle. Die Einen wollen dem Stabilitätspakt mehr Biss geben, um Schuldenmacher zu disziplinieren. Die Anderen wollen das nicht mehr so richtig.

Schäuble für schärfere Sanktionen

Die Einen - das sind vor allem die Deutschen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte diesmal sogar einen Brief voraus nach Brüssel geschickt, um Druck zu machen. Er will schärfere und schnellere Sanktionen. Länder, die ein zu hohes jährliches Haushaltsdefizit zulassen oder die generell zu viele Schulden aufgehäuft haben, sollen als Warnschuss immerhin einen Geldbetrag in Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Sicherheit in Brüssel hinterlegen. Kehren sie dennoch nicht auf den Pfad der finanzpolitischen Tugend zurück, soll das Geld sogar ganz eingezogen werden. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn will genau das auch. Vor Beginn des Ministertreffens bedankte er sich bei Schäuble für dessen Eintreten "für einen starken und glaubwürdigen Stabilitätspakt".

Theoretisch sind Sanktionen jetzt auch schon im Stabilitätspakt vorgesehen, aber erst am Ende eines sehr, sehr langen Verfahrens. Deshalb will EU-Kommissar Rehn - genau wie Schäuble -, dass die Sanktionen sofort verhängt werden, wenn ein Land die Schuldenregeln verletzt. Die Sanktionen sollen quasi automatisch kommen. Das heißt: Die EU-Kommission macht einen Vorschlag und der kann nur durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Rat der EU-Finanzminister gekippt werden.

EU-Kommission hofft auf Umkehr der Beweislast

Zurzeit ist es genau umgekehrt. Man braucht eine solche Mehrheit, um eine Sanktion zu beschließen. Das ist ein Grund dafür, dass es nie zu einer solchen Maßnahme gekommen ist. "Ich bin sicher", so Rehn, "dass diese Umkehr der Beweislast die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspaktes enorm steigern wird".

Gegen all das gibt es aber großen Widerstand. Zum Beispiel aus Frankreich. Finanzministerin Christine Lagarde meinte am Abend, die Entscheidung über die nationalen Haushalte dürfe nie allein in die Hände der Experten gelegt werden - sprich: Die Politiker im Finanzministerrat sollen weiter das letzte Wort haben. Auch Spanien - derzeit ein klarer Kandidat für Sanktionen - sieht das so. Finanzministerin Elena Salgado formuliert diplomatisch verbrämt, dass sie einige der vorliegenden Vorschläge unterstütze, andere weniger.

EU-Kommissar Rehn will sich von dem Widerstand nicht entmutigen lassen und am Mittwoch seine Ideen ganz offiziell als Gesetzentwurf vorschlagen.