Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven.

Energiekrise Sind die LNG-Terminals überdimensioniert?

Stand: 09.12.2022 12:57 Uhr

Um russische Importe zu ersetzen, sollen in Deutschland elf Flüssigerdgas-Terminals entstehen. Doch eine Studie kritisiert die Pläne: Die Anlagen seien zu groß ausgelegt - mit fatalen Folgen für die Energiewende.

Von Frank Grotelüschen, WDR

LNG-Terminals gelten als wichtigste Maßnahme, um die wegfallenden Gasimporte aus Russland auszugleichen. An den deutschen Küsten sollen elf dieser Stationen entstehen, an denen LNG-Tanker das verflüssigte Erdgas entladen können. Acht dieser Terminals sind angemietete Spezialschiffe. Das erste, die "Höegh Esperanza", wird demnächst in Wilhelmshaven erwartet. Die anderen schwimmenden Terminals sollen im Laufe des kommenden Jahres folgen und in Lubmin, Stade und Brunsbüttel stationiert werden.

Darüber hinaus ist der Bau von drei festen Terminals an Land geplant. Sie sollen deutlich mehr Kapazität haben als die schwimmenden und bis 2026 fertig sein. Insgesamt acht der LNG-Terminals werden finanziell vom Bund unterstützt.

Fehlinvestitionen aus Steuergeld?

Sind in vier Jahren sämtliche Anlagen in Betrieb, wird ihre Jahreskapazität bei 73 Milliarden Kubikmetern Erdgas liegen - das sei viel zu viel, kritisiert eine aktuelle Studie des NewClimate Institute, einer Energiewende-Denkfabrik mit Sitz in Köln. Vor der Krise habe Russland pro Jahr durchschnittlich 46 Milliarden Kubikmeter exportiert, die Terminals seien also deutlich überdimensioniert. Dadurch drohten erhebliche Fehlinvestitionen, die zum Teil aus Steuergeldern beglichen werden müssten.

Hinzu kommt: Im Zuge der Energiewende müsste Deutschland seinen Erdgasverbrauch in Zukunft stetig drosseln. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste der heimische Gasverbrauch bis 2030 um ein Fünftel und bis 2035 um die Hälfte sinken. 2045 sollte Deutschland dann kaum noch Erdgas verbrennen und stattdessen auf klimaneutrale Energieträger setzen, zum Beispiel grünen Wasserstoff.

Mögliches Hindernis für Energiewende

Vor diesem Hintergrund halten Kritiker die Terminals erst recht für überdimensioniert. "Der Bau und Betrieb aller geplanten LNG-Terminals stünde im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen und wäre somit ein Bruch des Klimaschutzgesetzes und der internationalen Verpflichtungen unter dem Pariser Klimaschutzabkommen", so die Studie. In letzter Konsequenz blockierten die Terminals die Energiewende sogar: Das Geld, das man für sie ausgeben müsse, könnte anderswo fehlen, etwa beim Ausbau der Wind- und der Solarenergie.

Ganz verzichtet werden sollte auf die Flüssigerdgas-Entladestationen der Studie zufolge aber nicht: Drei schwimmende Terminals würden demnach genügen, um die Versorgung für die kommenden Jahre zu garantieren. Der größte Teil des Erdgases werde durch vorhandene Pipelines importiert, etwa aus Norwegen und den Niederlanden. Nur wenn einige der Lieferanten ihre Exporte drosseln, etwa weil sie das Gas selber brauchen, seien möglicherweise weitere Terminalschiffe nötig. "Die fest installierten Terminals wären auch in diesem Fall nur Reserve", schreibt das NewClimate Institute - und sollten deshalb erst gar nicht gebaut werden.

"Wir müssen solidarisch denken"

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist auf die Notwendigkeit, die Energieversorgung in Deutschland abzusichern. Man könne nicht "auf milde Winter setzen, wie in der Studie, wir müssen eine grundlegende Versorgungssicherheit aufrechterhalten, so lange wir Gas noch brauchen, bis erneuerbare Energie maßgeblich ausgebaut sind, inklusive eines Wasserstoffhochlaufs", teilt das Ministerium auf Anfrage mit.

Auch sei zu bedenken, dass das gelieferte LNG nicht allein für Deutschland bestimmt sei. "Hier müssen wir solidarisch denken", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. "Und wir können auch nicht einfach staatlich festlegen, ob Länder wie Norwegen uns in der Form weiter beliefern. Wichtig ist es, sich breiter aufzustellen und nicht von einem Importeur wie früher maßgeblich abhängig zu sein." 

Zukunftsperspektive Wasserstoff?

Befürworter der Land-Terminals verweisen zudem darauf, dass die Anlagen so ausgelegt werden können, dass sie statt Erdgas eines Tages "grünen" Wasserstoff aufnehmen. Doch hier geht die Studie davon aus, dass Deutschland viel weniger Wasserstoff benötigen wird als heute Erdgas.

Eine weitere Unwägbarkeit: Es gibt mehrere Möglichkeiten, Wasserstoff mit Tankern zu transportieren - verflüssigt bei extremer Kälte oder chemisch gebunden, etwa in Form von Ammoniak. Bislang ist unklar, welche Transportvariante sich durchsetzen wird. Und das könnte bedeuten: Legt man heute einen Terminal auf Ammoniak aus, könnte sich das als Fehlinvestition erweisen, wenn sich später der Transport als Flüssigwasserstoff durchsetzt.