Ein Plakat mit der Aufschrift "Nein zur Mine" hängt an einem Zaun.
reportage

Lithium in Westspanien Der Schatz soll vergraben bleiben

Stand: 05.09.2021 17:32 Uhr

Lithium wird als Rohstoff immer wichtiger. Große Vorkommen gibt es in der spanischen Extremadura. Konzerne wollen das Leichtmetall dort nun abbauen - und versprechen neue Jobs. Doch die Bevölkerung wehrt sich.

Maribel Rojo kommt aus dem Strahlen nicht heraus, wenn sie durch die Sierra de Mosca geht, das "Fliegengebirge" vor den Toren von Cáceres. Rojo kennt hier jeden Stein, so scheint es. Ständig zeigt die Biologin auf etwas: Seien es die besonders alten Steineichen, die hier seit Hunderten Jahren stehen, oder die Bienenstöcke, aus denen ein besonders guter Honig komme. "Gerade fliegen zwei Gänsegeier über uns hinweg", sagt Rojo und deutet nach oben. "Das hier ist ein Gebiet mit einer unglaublichen Biodiversität, einer großartigen Fauna und Flora. Es wachsen Orchideenarten, die es woanders nicht gibt, wir haben Reptilien, die nur hier leben." Vor allem die Vielfalt der Vogelarten, so die Biologin, sei spektakulär.

"Wir verlieren die grüne Lunge der Region"

Genau hier will ein australischer Konzern den Boden aufreißen und einen Schatz heben: 15.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr, für die nächsten 30 Jahre. Dagegen kämpft Rojo, sie engagiert sich in der Gruppe "Retten wir die Berge von Cáceres". Die Aktivisten befürchten, dass ein Naturparadies stirbt - und dass durch Bohrungen und Sprengungen Stoffe freigesetzt werden, die auch für den Menschen gefährlich sein können.

"Die Gesundheit von 100.000 Menschen steht auf dem Spiel", warnt die Biologin. Es gehe nicht nur um die Bewohner von Cáceres, sondern auch um die Leute in den Dörfern drumherum. "Wir würden die grüne Lunge der Region verlieren, das Ökosystem würde aus dem Gleichgewicht geraten. Dazu kommt, dass wir hier nur 800 Meter vom historischen Stadtkern entfernt sind."

UNESCO-Welterbe in Gefahr

Das mittelalterliche Zentrum von Cáceres ist UNESCO-Welterbe. Die sozialistisch geführte Stadtregierung sieht diesen Titel in Gefahr und stellt sich auch deshalb auf die Seite der Umweltschützer. Man lebe vom Tourismus, sagt Rathaus-Sprecher Andrés Licerán. Wer wolle noch nach Cáceres kommen, wenn ein riesiges Bergwerk vor der Stadt stehe?

"Wenn man Lithium unterhalb des Eiffelturms in Paris finden würde, neben dem Retiro-Park in Madrid oder am Taj Mahal in Indien - würde man es dort fördern?", fragt Licerán rhetorisch und beantwortet die Frage selbst: "Wohl kaum. Wir sind auch nicht bereit, den Lithium-Abbau zuzulassen. Das würde ein Gebiet zerstören, das wir als Naturerbe sehen."

Historisches Zentrum von Cáceres

Cáceres mit seinem historischen Stadtkern steht auf der Welterbeliste der UNESCO und ist bei Touristen sehr beliebt.

Hängepartie für australischen Konzern

2016 hatte die ebenfalls sozialistische Regionalregierung der Extremadura Probebohrungen nahe Cáceres erlaubt. 2019 stellte sie aber einen Formfehler fest, das Verfahren musste von vorne beginnen. Die Regierung genehmigte die schon erfolgten Bohrungen zwar nachträglich, verweigerte in diesem Frühjahr aber, dass an weiteren Punkten in dem Gebirge Proben entnommen werden.

Der Aktienkurs von Infinity Lithium, des australischen Konzerns, der das auch "weiße Gold" genannte Lithium bei Cáceres abbauen möchte, brach daraufhin ein. Ein Schlag für die Firma: Sie hatte fast ausschließlich auf das Projekt in der Extremadura gesetzt. Cayetano Polo vertritt als Sprecher das Spanien-Geschäft des Konzerns. Er hat die Regionalregierung offiziell aufgefordert, zu erklären, warum nicht mehr gebohrt werden darf: "Die Regierung hat nun sechs Monate Zeit, auf unseren Einspruch zu reagieren. Wenn sie nicht antwortet oder uns eine Absage erteilt, werden wir den Rechtsweg einschlagen. Dann werden Gerichte über die Erlaubnis entscheiden", droht Polo.

"Firmen wollen Taschen voll machen"

Ortswechsel. 40 Kilometer nördlich von Cáceres, bei Cañaveral, liegt auch Lithium im Boden, angeblich eines der größten Vorkommen in Europa. César Gonzáles fährt mit seinem Auto über einen schmalen Feldweg auf das Areal, das eine spanische Abbaufirma gerne erschließen würde. Das Gebiet ist dünn besiedelt - auf einem Quadratkilometer leben gerade einmal 25 Menschen. Es gibt nur ein paar kleine Dörfer.

"Wir sind die Zone, die geopfert werden soll", beklagt Gonzáles. "Wir sollen in die Hände einer privaten Firma übergeben werden, die ihre Taschen voll machen will. Sie möchte den Klimawandel für sich nutzen, die Tatsache, dass Europa eigene Ressourcen hat und sie anzapfen will. Wir sollen dafür herhalten, dass es dieser Firma gut geht." Da spiele er nicht mit, sagt er. Denn der Unternehmer sieht nicht nur die Natur in seiner Heimat in Gefahr - auch das, was er sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hat: ein kleines Landhotel, untergebracht in einem historischen Gebäude in seinem Dorf Grimaldo. Hier steckt jahrelange Handarbeit drin, viel Geld und vor allem Liebe.

Gäste haben einen Blick auf die endlos weite Landschaft der Extremadura, auf Berge, Steineichen und Felder. Es ist genau der Bereich, in dem die Lithium-Mine entstehen soll, nur gut einen Kilometer von Gonzáles' Hotel entfernt. Es könnte das Aus für seinen Betrieb bedeuten, befürchtet er. "Ich wäre nicht der einzige Betroffene. Im Dorf gibt es auch ein Restaurant und eine Bar. Da hinten stehen Ferienhäuser. Hierher kommen Touristen aus der ganzen Welt. Das steht jetzt auf dem Spiel."

Sorgen um die Umwelt

Das Aktionsbündnis "Nein zur Mine" versammelt sich in Pedroso, einem der kleinen Dörfer in dem Gebiet. Nicht einmal 100 Menschen leben hier. Die Lithium-Gegner wollen informieren, sagen sie, die Bevölkerung darüber aufklären, was die Mine anrichten könnte. Javier interessiert vor allem die Frage, wie es mit dem Wasserverbrauch aussieht. Der Betreiber der Mine möchte in großen Mengen Wasser einsetzen, um die Staubbildung beim Abbau des Lithiums in Grenzen zu halten. Dafür sollen 13 Liter Wasser pro Sekunde nötig sein.

"Wenn Du 13 Liter pro Sekunde hochrechnest auf einen Tag, dann kommst Du auf mehr als eine Million Liter", sagt Javier. "Angedacht ist, dass die Mine 19 Jahre in Betrieb bleibt. Wir leben hier in einer Gegend, in der es kaum regnet. Für uns Anwohner gelten im Sommer Beschränkungen beim Wasserverbrauch." Diese Firma wolle das Wasser ohne Ende nutzen - in Zeiten des Klimawandels, beklagt der Anwohner. "Das ist nicht nur ein Betrug an uns Bürgern, auch ein Drama für das Ökosystem."

Ein anderer Mann in dem Dorf sieht es weniger kritisch: Er denkt an die Arbeitsplätze, die in der strukturschwachen Region entstehen könnten, in der die Jugendarbeitslosigkeit bei 56 Prozent liegt. "Wir brauchen schließlich mehr Jobs hier auf dem Land", sagt er. Dafür müsse alles getan werden.

Steineichen im Abbaugebiet

Mit seinen Steineichen, die zum Teil Hunderte Jahre alt sind, ist das potenzielle Lithium-Fördergebiet die "grüne Lunge" der Region.

Firmen locken mit Jobs

Tatsächlich locken die Lithium-Firmen mit neuen Arbeitsplätzen: 200 direkte und 800 indirekte seien es in Cáceres. Die Kritiker der Projekte halten dagegen: Die meisten dieser Jobs seien hochspezialisiert, niemand aus den Dörfern könne sie übernehmen, Fachkräfte von außerhalb kämen. Und: Möglicherweise würden genauso viele Stellen im Tourismus wegfallen, wenn es kaum noch Urlauber gäbe.

Mario Celdrán gehört zu denjenigen, die den Aufschwung versprechen. Er möchte zusammen mit anderen Geschäftspartnern die Extremadura zur Lithium-Region Europas machen. Das heißt: Das Metall soll hier abgebaut und gleich verarbeitet werden. Celdrán will ein Batteriewerk für E-Autos in Badajoz bauen, erklärt er im spanischen Fernsehsender Sender TVE, und drückt aufs Tempo: "Die europäischen Fördergelder gibt es jetzt. Jetzt entscheiden auch die großen Autohersteller, wo sie die Teile für E-Autos herstellen lassen wollen. Wir haben ein Zeitfenster zwischen einem und fünf Jahren, um hier etwas auf die Beine zu stellen." Celdrán spricht von einer historische Chance: "Gelegenheiten ergeben sich. Sie kommen nicht, wenn jemand sie ruft."

Erwartungen an die Regionalregierung

Im ländlichen Gebiet bei Cañaveral hat sich die Politik wenig kritisch dem Lithium-Abbau gegenüber gezeigt. Die Bürgermeister der sechs beteiligten Dörfer hatten zunächst ihr Einverständnis für eine Mine gegeben; inzwischen geraten sie etwas in Zweifel, ob der Jobmotor für ihre Region wirklich so groß sein wird. Und ob es sich lohnt, dafür einen großen Teil der einmaligen Natur zu opfern.

Im Fall der Lithium-Mine bei Cáceres haben die Gegner noch ein Ass im Ärmel: Sie spekulieren darauf, dass die Regionalregierung der Extremadura die Zone zum Naturschutzgebiet erklärt. Die Chancen stehen gut. Dann wäre ein Lithium-Abbau nicht mehr möglich.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. August 2021 um 13:48 Uhr in der Sendung "Wirtschaft am Mittag".