
Fashion Week Berlin Viel Schein und endlich auch mehr Sein?
Die Berliner Fashion Week bemüht sich dieses Jahr besonders um Nachhaltigkeit und Innovation. Dennoch gibt es Anlass für Kritik an der Mode-Industrie - vor allem beim Thema Wasser.
Der Laufsteg im Kraftwerk Berlin wurde mit Entwürfen aus der nachhaltigen Kollektion der finnischen Designerin Sofia Ilmonen eröffnet. Im Laufe der Woche sind, nun auch wieder in Präsenz sowie digital, Veranstaltungen, Konferenzen, Shows und Workshops geplant. Diese tragen Namen wie "Wasteless Future Exhibition", "Carpe Diem - Sustainable Couture" oder "202030 - The Berlin Fashion Summit: Global Perspective" und deuten auf einen nachhaltigen Schwerpunkt hin.
"Mischung passend zu Berlin"
Das Programm der Fashion Week sei eine gute Mischung, die sehr gut zu Berlin passe, sagte der parteilose Berliner Wirtschaftssenator, Stephan Schwarz. Nachhaltigkeit sei für den Wirtschaftsbereich Mode relevant, da bei der Herstellung von Kleidung viel Wasser, Energie und Erdöl verbraucht werde. Kleidung aus hochwertigeren oder nachwachsenden Rohstoffen zu kaufen, entlaste die Ressourcenbilanz.
Schwarz betonte weiter: "In Berlin haben wir bereits die höchste Anzahl an Shops mit nachhaltiger Kleidung in Europa und eine sehr hohe Dichte an Modelabels und Dienstleistern im Bereich der Nachhaltigkeit." Teile der Fashion Week wurden von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe mit über 750.000 Euro unterstützt.
Mode-Industrie als Trendsetter?
Mitgestalter der Fashion Week sehen diese als Ort des Anstoßes mit Signalwirkung. Der Designer und Nachhaltigkeitsexperte Max Gilgenmann ist schon seit mehreren Jahren Teil der Berliner Fashion- und Nachhaltigkeitsszene und hat das an der Fashion Week beteiligte Studio MM04 gegründet, eine kreative und nachhaltige Strategieberatung. Gilgenmann glaubt an Mode als Trendsetter, die eine Wirkung auf den gesamten Lifestyle-Bereich habe, an dem viele Felder hingen.
"Mode hat ein sehr starkes gesellschaftliches und kulturelles Veränderungspotenzial", sagt Gilgenmann. Das Programm der Fashion Week sei ein Balanceakt zwischen erhobenem Zeigefinger und dem Mitnehmen der Teilnehmer. Mode könne dies leisten. Die Konsumkultur müsse sich aber grundsätzlich verändern, merkt er weiter an.
Immenser Wasserverbrauch bei der Herstellung
Manche sehen in der Nachhaltigkeitsbestrebung der Fashion Week auch eine Gefahr des Greenwashing und setzen sich während der Veranstaltung dafür ein, mehr Aufmerksamkeit auf die Problematiken der Mode-Industrie zu lenken.
Die Berliner NGO Drip by Drip setzt sich für die Reduktion des Wasserverbrauchs in der Modeproduktion ein und will den Wasserverbrauch als Thema auf die Agenden setzen. Dies sei momentan noch nicht der Fall, denn Wasser sei als zu schützendes Element nicht leicht greifbar und die Problematik von Wasserverschmutzung und -notstand deshalb zu unbekannt, mahnt die NGO-Mitgründerin Amira Jehia an.
Der Wasserverbrauch für die Produktion von Kleidung sei immens, und auch der Umweltschutz bleibe oft außen vor. In Produktionsländern wie Bangladesch führe dies zu einer Verschmutzung des Grundwassers. Auch wenn es bereits erprobte Lösungen gebe, wie Kleidung umweltschonender und wassersparender hergestellt werden könne, sagt Jehia, dass viele Labels kein Interesse an einer solchen Veränderung hätten.
Kein großes Interesse der Messebesucher
Die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Fashion Week sieht sie skeptisch. So habe Drip by Drip mit Orsola de Castro von der Bewegung "Fashion Revolution" und der niederländischen Expertin für nachhaltige Mode, Marieke Eyskoot, einen Talk zur Fashion Week veranstaltet, um Wege zur Reduktion des Wasserfußabdrucks in der Mode vorzustellen. Wasser als Material und sein problematischer Verbrauch in der Mode-Industrie standen im Zentrum der Veranstaltung, die leider nicht allzu gut besucht wurde.
Den Grund dafür sieht Jehia - abgesehen von der Pandemie - darin, dass die kritische Auseinandersetzung von Modelabels mit ihrer Produktionsweise und Wasserverbrauch weniger sexy und glitzernd sei. Andere, typischere Veranstaltungen der Fashion Week fänden da mehr Anlauf. "Dass sich so entschieden wird, zeigt, dass das wirkliche Interesse an Veränderung nicht so groß ist".