Kritik des Europäischen Rechnungshofes Schnelle Trassen ohne schnelle Züge

Stand: 01.12.2010 17:43 Uhr

Die europäischen Bahnplaner sollten auf ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis achten - das fordert der Europäische Rechnungshof. Nach der Prüfung von 21 Eisenbahnprojekten wurden mehrere Probleme kritisiert: So gab es Fördergelder für Schnelltrassen ohne die dafür geeigneten Schnellzüge.

Für die zuständigen EU-Gremien klingt das Fazit wie eine Schelte: "Das Kosten-Nutzen-Verhältnis könnte verbessert werden", resümiert der Europäische Rechnungshof eine Untersuchung über die Sinnhaftigkeit milliardenteurer Bahnprojekte in der Europäischen Union. Teure Bahnstrecken für Hochgeschwindigkeitszüge sollten künftig nur noch dort gebaut werden, wo sie wirklich nötig sind, heißt es in dem jetzt vorgelegten knapp 80-seitigen Bericht.

Oft beruhten die Großvorhaben nicht auf einer Analyse der derzeitigen oder erwarteten Verkehrsströme, lautet eine Kernkritik der Rechnungsprüfer. Die EU-Kommission müsse besser mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, "um diejenigen transeuropäischen Korridore zu ermitteln, auf denen ein erheblicher Bedarf besteht oder in Zukunft erwartet wird". Mehr Aufmerksamkeit bei der Projektplanung könnte sich vor allem finanziell lohnen: Die EU hat zwischen 2000 und 2006 30,7 Milliarden Euro an Zuschüssen und Darlehen für den Bau transeuropäischer Bahnnetze gewährt.

Luftdruckprobleme stoppen den schnellen Güterverkehr

Eine Stichprobe von 21 hochmodernen Streckenabschnitten wurde für den nun vorgelegten Bericht untersucht. Diese Projekte waren mit insgesamt 8,6 Milliarden Euro EU-Geldern gefördert worden. Und die Rechnungsprüfer stießen auf mehrere Probleme: Auf der Strecke Nürnberg-Ingolstadt etwa stellte man erst nach der Fertigstellung fest, dass dort schnelle Güterzüge "wegen Luftdruckproblemen in den Tunnelabschnitten nicht aneinander vorbeifahren konnten". Nun fahren dort ausschließlich Personenzüge mit Hochgeschwindigkeit.

Auch an der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Perpignan (Frankreich) und Barcelona (Spanien) üben die Prüfer Kritik. Sie kann nicht genutzt werden, weil auf spanischer Seite noch die Verbindungsstrecke fehlt. Die aber soll nicht vor 2012 fertiggestellt sein.

In Deutschland eingespart - beim Grenzübertritt verloren

Zwischen Rom und Neapel sowie zwischen Bologna und Florenz wurden Hochgeschwindigkeitsstrecken besonders aufwendig gebaut, um auch Güterverkehr aufnehmen zu können. Allerdings verkehren auf der neuen Strecke bis auf weiteres keine Güterzüge.

Die Untersuchung förderte auch einige Besonderheiten zutage, die laut dem Bericht am besten abgebaut werden sollten. So werden etwa die unterschiedlichen Betriebsvorschriften der Bahnen in Italien und Deutschland kritisiert: Während beispielsweise durch die Modernisierung der Strecke zwischen Nürnberg und Ingolstadt die Fahrzeit um 25 Minuten verkürzt wurde, werde exakt diese Zeit an der italienischen Grenze wieder verloren. Grund: Am Grenzbahnhof Brennersee müsse ein bereits in München kontrollierter Zug erneut kontrolliert werden.

Zukunftsweisend - aber ohne Bezug zur Realität

Manchmal wurde zukunftsweisend investiert, allerdings ohne auf die bestehenden Fuhrparks der Länderbahnen zu achten: So kritisiert der Bericht eine geförderte Strecke in der Slowakei, die bis Tempo 160 zugelassen ist. Dabei gebe es aber dort keine Züge, die so schnell fahren können. Ein ähnliches Problem wird auch auf drei Strecken in Italien moniert: Dort gibt es keine Güterzuglokomotiven, die die Mindestgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde schaffen.