Griechische Händler fürchten die Rückkehr zur Drachme "Das wird ganz sicher eine Katastrophe"

Stand: 01.06.2012 12:54 Uhr

Angst macht sich bei griechischen Händlern breit, wenn sie an einen Austritt ihres Landes aus der Euro-Zone denken. Sie befürchten, dass wegen drohender Armut weniger gekauft würde. Eine Studie der Zentralbank bestätigt die Ängste der Griechen: Der Wohlstand würde um 55 Prozent sinken.

Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul

Vasilis Tsirikos hat in gewisser Weise durch die griechische Krise gewonnen. Vor vier Jahren hat er den Fahrradladen seines Vaters übernommen, den dieser vor 35 Jahren in Athen aufgemacht hat. Seit gut zwei Jahren brummt das Geschäft. Viele Athener sind aus Kostengründen vom Auto auf den Drahtesel umgestiegen. Doch das Geschäftsglück des 38-Jährigen steht und fällt mit der Frage, ob Griechenland im Euro bleibt.

Reinhard Baumgarten, R. Baumgarten, ARD Istanbul, 01.06.2012 11:37 Uhr

"Ich habe keine Ahnung, was die Drachme für uns bedeuten würde", sagt Tsirikos. "Wir haben zwar auch grie­chische Produkte, aber ich glaube, ausländische Fahrräder werden dann sehr teuer. Der Import ist jetzt auch schon schwierig, vieles muss im Voraus bezahlt werden. Wir können Fahrräder im Ausland bestellen und vorbezahlen, aber wir wissen gar nicht, ob wir die dann auch verkauft kriegen, wenn die Währung auf Drach­men umgestellt würde."

Tsirikos verkauft deutsche, belgische und französische Fahrräder. Um knapp 10 Prozent hat der Fahrradverkauf seit Beginn der Krise zugelegt. Mit der Drachme, sagt er, kommt die Unsicherheit: "Wir wissen nicht, wie die Verbraucher reagieren werden. Ob das Fahrrad für sie dann überhaupt noch attraktiv ist. Vielleicht gehen die Leute dann auch nur noch zu Fuß, oder bleiben ganz zu Hause."

Wohlstand würde sinken

Genau das befürchtet auch Pavlos Tsaramiadis. Der 40-Jährige verkauft Motorroller, Mopeds und Motorräder.

"Wir dürfen nicht zur Drachme zurückkehren. Das wird eine Katastrophe. Nach allem was ich höre, wird das ganz sicher eine Katastrophe", sagt der Händler.

Laut einer Anfang der Woche veröffentlichten Studie der griechischen Zentralbank würde die Rückkehr zur Drachme den Wohlstand Griechenlands um 55 Prozent sinken lassen.

Tsaramiadis ist mit seinen Motorrollern zwar noch vergleichsweise gut im Geschäft, aber er spürt Angst und Unsicherheit bei vielen seiner Kunden. "Die Geschäfte gehen zurück, die Menschen haben kein Geld, Banken geben keine Kredite, sogar der öffentliche Sektor hat keine Arbeit", sagt er.

Es drohe Armut

Die 28-jährige Angestellte Elina Spiliopoulou hat noch einen Job. Ihr Gehalt wurde nicht gekürzt, aber auf unabsehbare Zeit eingefroren.

"Selbst jetzt, wo ich in Euro bezahlt werde, komm ich kaum rum. Ich hab keine Ahnung, welche Folgen die Umstellung auf Drachmen haben würde", sagt sie.

Gegenwärtig liegt das durchschnittliche Pro-Kopf–Einkommen Griechenlands bei rund 19.000 Euro. Kommt die Drachme, so sagt die Zentralbank, könnte es auf nur noch umgerechnet 9000 Euro fallen. Griechenland droht in Armut zu versinken.

"Das mag man sich gar nicht vorstellen"

Er habe keine Ersparnisse auf der Bank, sagt der 47-jährige Justizangetellte Spiros Batsios, also habe er auch keine Angst, sie zu verlieren.

"Ich bin Hausbesitzer, ich muss also auch keinen Kredit aufnehmen. Wenn ich das müsste, dann hätte ich jetzt Angst", sagt er. "Stell dir mal die Leute vor, die Euro-Kredite aufgenommen haben, wenn wir zur Drachme zurückkehren. Das mag man sich gar nicht vorstellen."

82 Prozent wollen im Euro bleiben

82 Prozent aller Griechen sprechen sich jüngsten Umfragen zufolge für den Verbleib ihres Landes in der Euro-Zone aus.

Gleichzeitig fordert mehr als die Hälfte der Befragten eine Lockerung der Sparpolitik, weil diese die Krise in ihrem Land drastisch verschärft habe. Zehntausende Geschäfte und Unternehmen haben in den vergangenen 2,5 Jahren landesweit zugemacht, die Arbeitslosigkeit steht bei 22 Prozent. Kommt die Drachme, droht sie auf über 30 Prozent zu klettern.