Busse der Münchner Verkehrsgesellschaft stehen auf einem Busbetriebshof. (Aufnahme vom 31. März 2022)

Wegen Fahrermangel Ausfälle bei Bussen und Bahnen

Stand: 06.03.2023 10:40 Uhr

Verkehrsunternehmen mussten ihren Betrieb 2022 teils einschränken - weil das Personal fehlte. Die Besetzung offener Stellen ist laut Branchenumfragen die größte Herausforderung. Bis 2030 fehlten allein im Busverkehr 87.000 Fahrer.

Die Verkehrsunternehmen in Deutschland haben große Probleme, genügend Bus- und Bahnfahrer zu finden. Mindestens die Hälfte der Unternehmen hat im vergangenen Jahr ihren Betrieb mangels Personal zeitweise eingeschränkt - zu diesem Ergebnis kommt eine Branchenumfrage des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

"Vielleicht waren es sogar noch mehr, ich kenne jedenfalls fast niemanden in der Branche, der nicht zum Beispiel mal zeitweise eine Linie einstellen musste", sagte Harald Kraus, Vorsitzender des VDV-Personalausschusses und zugleich Arbeitsdirektor bei den Dortmunder Stadtwerken.

"Immer latent von Personalabbau betroffen"

77 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie im Fahrdienst bis 2030 mit einem höheren Personalbedarf rechnen. Gleichzeitig werden sie der Umfrage zufolge in genau diesem Bereich bis 2030 die meisten Abgänge verzeichnen. Rund 50 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen arbeiten im Fahrdienst.

"Unsere Branche war in der Vergangenheit immer latent von Personalabbau betroffen, weil die Finanzierung oft eng war", erklärte Kraus. Jetzt stehe die Finanzierung, weil der Nahverkehr immer wichtiger werde - aber die Mitarbeitenden fehlten.

Besetzung offener Stellen größtes Problem

Die befragten Verkehrsunternehmen gehen davon aus, dass sie die Zahl ihrer Beschäftigten bis 2030 für den Ausbau des Bus- und Bahnangebotes um rund 20 Prozent erhöhen müssen - der VDV rechnet letztlich sogar mit einem höheren Wert. Für 48 Prozent der Unternehmen ist die Besetzung offener Stellen im Fahrdienst derzeit die größte Herausforderung, dahinter folgt das gewerblich-technische Personal. Im Ausland gehen bisher aber lediglich 13,8 Prozent der Verkehrsunternehmen auf Mitarbeitersuche.

Dabei sei die Konkurrenz groß, so Kraus: "Wir konkurrieren inzwischen mit Unternehmen wie Flaschenpost und Amazon, mit denen wir uns bei den Arbeitsbedingungen eigentlich nicht vergleichen lassen wollen." Im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen erhielten Berufseinsteiger im Fahrdienst 15,60 Euro die Stunde, also 3,60 Euro mehr als den Mindestlohn. "Bei Flaschenpost haben Sie sonntags frei - aber dass Sie mit den Getränkekisten auch in den sechsten Stock müssen, wird dann vergessen", sagte Kraus.

Zahlreiche Tarifverhandlungen in der Branche

Inwieweit sich die Gehälter in der Branche in Kürze verändern werden, hängt vom weiteren Ablauf zahlreicher Tarifverhandlungen ab. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert in den Gesprächen mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Unternehmen mindestens 650 Euro monatlich mehr Geld für die Beschäftigten und zudem einige strukturelle Anpassungen im Tarifsystem. Der Verhandlungsauftakt mit der DB endete vergangene Woche nach nur zwei Stunden - die Vorstellungen beider Seiten liegen sehr weit auseinander.

In anderen Verkehrsunternehmen wird derweil der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes angewandt, über den derzeit auch verhandelt wird. Aber auch in diesem Tarifstreit geht es kaum voran - entsprechend wurde vergangenen Freitag bundesweit in zahlreichen Städten der Nahverkehr bestreikt.

Mangel lässt sich nicht kurzfristig lösen

Neben dem VDV, der vor allem öffentliche Verkehrsunternehmen vertritt, informierte sich kürzlich auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) genauer bei seinen Mitgliedern, wie es um den Fachkräftemangel steht. 87.000 Busfahrer fehlen dieser Unternehmensumfrage zufolge bis 2030. Aktuell liege der Bedarf bei 7800 Leuten, teilte der BDO im vergangenen Monat mit. Teil des Verbands sind viele auch kleinere, private Busunternehmen.

Selbst wenn sich jetzt Tausende Menschen sofort zum Fahrdienst melden würden - das Problem wäre erst in einigen Monaten gelöst. Bei den Stadtwerken Dortmund zum Beispiel dauert es Kraus zufolge etwa acht Monate ab dem ersten Arbeitstag, ehe ein neuer Mitarbeiter ohne Busführerschein mit Fahrgästen durch die Stadt fahren kann.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 06. März 2023 um 12:00 Uhr.