
Verlage, Handel und Autoren Wie sehr das Buch noch zieht
Die Pandemie sorgte für einen Schub in der Buchbranche - wobei vor allem die Bestseller das Geschäft prägten. Inzwischen wachsen die ökonomischen Sorgen der Verlage.
Für die Buchbranche war Corona nicht schlecht. Angesichts eingeschränkter Vergnügungsmöglichkeiten griffen Menschen in Lockdown und Homeoffice entschlossen zum Buch. Die Budgets privater Haushalte für Bücher stiegen deutlich. Das Statistische Bundesamt berichtet, dass Privathaushalte im Jahr 2020 durchschnittlich 103 Euro pro Jahr für Bücher ausgaben.
"Weil Stöbern und Beratungsgespräch im Laden pandemiebedingt zu kurz gekommen sind, konzentrierte sich das Buchgeschäft stärker auf Zielkäufe und damit auf Beststeller", schreibt der Börsenverein des Buchhandels in einer Analyse. "Neue Autoren haben es in der Pandemie nochmal schwerer als ohnehin schon", bestätigt Martin Spieles vom S. Fischer Verlag, "umso wichtiger ist, immer auch sichere Beststeller im Programm zu haben, damit das Geschäft laufen kann".
Jugendbücher verkaufen sich schlechter
Naheliegenderweise wurden in der Pandemie weniger Reisebücher verkauft. Dafür lief Unterhaltungsliteratur gut. Romane, Krimis und Comics waren besonders gefragt. Kochbücher, die auch schon vor der Pandemie begeistert gekauft wurden, legten weiter zu. Hochgeistiges wie Lyrik und Anthologien blieb etwas für Liebhaber.
Sinkende Lesekultur bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich nicht nur in schlechten Ergebnissen bei Schultests. Auch der Buchmarkt spiegelt das. Das Kinder- und Jugendbuchgeschäft wuchs in der Pandemie zwar insgesamt. Es wurde mehr gefällige Ware zur Selbstbeschäftigung beschafft: Bilderbücher, Spielbücher, Sachbücher. Die Zahl der verkauften Kinderbücher blieb gleich. Jugendbücher wurden deutlich schlechter verkauft. Der Wille von Eltern vorzulesen, sank: Vorlesebücher, Märchen, Sagen und Liederbücher fanden weniger Kunden.
Papierpreise stark gestiegen
Im Durchschnitt kostete ein Buch im vergangenen Jahr 14,28 Euro, heißt es vom Börsenverein. Das betrifft das gesamte Buchsortiment. Neuerscheinungen sind im Durchschnitt doppelt so teuer. Das zeigen Zahlen des Statistikamtes. Laut Medienmarktstudie "b4p" geben 40 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen an, mehrmals im Monat Bücher zu lesen.
Zwar haben bei der Frankfurter Buchmesse Schöngeister das Sagen. Wenn Verlagskaufleute durchdringen, werden schwere ökonomische Sorgen deutlich. Angesichts drastisch steigender Papierpreise werde es immer mühsamer zu kalkulieren. "So was habe ich noch nie erlebt - nicht mal ansatzweise", sagt der kaufmännische Leiter des S. Fischer Verlags, Robert Schefenacker. Er steuert einen der Großen unter den 1.700 deutschen Buchverlagen. 180 Leute bringen bei S. Fischer etwa 400 neue Bücher pro Jahr heraus.
Autoren bekommen grob 5 bis 15 Prozent des Ladenpreises - und das teils im Voraus. Verkauft sich das Buch nicht, bleibt das Honorar beim Autor. Das Statistische Bundesamt gibt das durchschnittliche Jahresgehalt von Autoren mit 21.000 Euro an. Davon kann man schwer leben. Doch fasst die Zahl hochbezahlte Spitzenkräfte und den Großteil der nebenberuflichen Autoren zusammen. "Schriftsteller und Schriftstellerinnen lebten schon vor der Pandemie oft prekär", sagt Lena Falkenhagen, Vorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen, "das verschärft sich jetzt noch".
Oft karges Einkommen für Händler
5900 Unternehmen verkaufen Bücher, darunter sind mehr als die Hälfte reine Buchhändler. Die Zahl der Läden ist wegen der Filialen großer Ketten deutlich größer. Mehr als 600 Einzel-Buchhändler erzielen weniger als 100.000 Euro Umsatz im Jahr. Nach Einkauf, Miete und Abschreibungen kann für die Kleinunternehmer nur ein sehr karges Einkommen bleiben.
Arno Juhre betreibt in Frankfurt am Main die Nibelungen-Buchhandlung. Schon vor Corona hatte er einen Lieferservice eingerichtet: Kunden bestellen telefonisch oder per Mail und bekommen tags darauf das Buch mit Rechnung gebracht. In der ersten Welle der Pandemie war Juhres Buchhandlung geschlossen. Danach trauten sich nur noch wenige Kunden herein. Und auch der Lieferservice lahmte: "Die Leute hatten Angst, dass ich Viren einschleppe." Juhre reagierte mit einer Flugblattaktion und warb neue Lieferkunden. Auch der unbürokratische staatliche Corona-Zuschuss von ein paar tausend Euro habe über die Krise geholfen.
Der Börsenverein berichtet von einem Modernitätsschub im Buchhandel. Die Webshops von Buchhändlern legten um mehr als 40 Prozent zu. Das ist mehr als doppelt so viel wie das Corona-Wachstum von Amazon. "Seit Jahrzehnten heißt es, der Buchmarkt würde schrumpfen", sagt S.-Fischer-Verlagskaufmann Schefenacker. "Ja, wir sehen eine gewisse Konzentration. Aber insgesamt hat die Branche doch immer sehr souverän überlebt."