Corona-Krise Gaststätten müssen weiter bangen

Stand: 21.04.2020 17:48 Uhr

Seit dieser Woche dürfen erste Geschäfte nach der Corona-Pause ihre Türen wieder öffnen. In der Gastronomie sieht das anders aus: Kneipen, Gaststätten und Biergärten müssen weiter warten - vielleicht zu lange.

Von Till Bücker, boerse.ARD.de

"Wir haben bisher mindestens 70 Prozent Umsatzeinbußen", sagt Laskaris Kakitsos, Betreiber der Gaststätte "Zur Sonne" in Dortmund. Seit über einem Monat ist seine Kneipe geschlossen. Vor kurzem hat er einen Lieferdienst für seine Speisen eingeführt, um wenigstens seine Mitarbeiter über die Runden zu bringen.

Doch auf lange Sicht reicht das nicht. "Damit halten wir noch etwa zwei bis drei Monate durch", meint der 52-Jährige. "Wir können die Zeit schließlich nicht zurückdrehen." Seit 23 Jahren gehört ihm die Gaststätte.

Bei gutem Wetter und Spielen des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, die vor Ort an Fernsehgeräten übertragen werden, herrsche normalerweise Ausnahmezustand. Mit Stehplätzen und dem Außenbereich bietet Kakitsos insgesamt Platz für 130 Leute. Nun darf niemand kommen. Die Kosten für die Pacht oder Strom laufen aber weiter.

"Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll", sagt er. 5.000 Euro hat er durch die BVB-Kampagne #BorussiaVerbindet bekommen, bei der Fans für ihre Stammkneipen spenden können. Kakitsos war "schwer beeindruckt" - doch langfristig reiche auch das nicht. Deshalb müsse einfach mehr Geld vom Staat kommen.

Einem Drittel droht die Pleite

Das sieht der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga ähnlich. "Ohne zusätzliche staatliche Unterstützung steht jeder dritte Betrieb vor der Insolvenz", sagte die Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges, der "Bild am Sonntag".

Rund 70.000 Hotel- und Gastronomie-Betriebe stünden vor dem Aus, warnte der Verband. Den gut 223.000 Betrieben gingen bis Ende April rund zehn Milliarden Euro Umsatz verloren.

Der Dehoga fordert daher eine verantwortungsvolle Öffnung von Restaurants und Cafés, die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf sieben Prozent und einen staatlichen Rettungsfonds mit Direkthilfen für Betriebe. Anders als Geschäfte, die seit Montag unter bestimmten Auflagen öffnen dürfen, gibt es für die Gastronomie noch keinen Zeitplan. Das bezeichnete Hartges als große Enttäuschung.

Kleinere Kneipen besonders betroffen

"Man sagt ja nicht umsonst: Wir mussten als Erstes schließen und dürfen als letzte öffnen", betont auch Kakitsos. Eine Idee wäre seiner Meinung nach, die Hälfte der Tische zu besetzen und alle zwei Stunden neue Gäste hineinzulassen.

Einige Betreiber sind in der Krise noch schlimmer dran als "Zur Sonne". "Als Mischbetrieb mit dem neuen Abhol- und Lieferservice und unseren Rücklagen sind wir ganz gut gewappnet. Kleinere Kneipen haben es viel schwerer", glaubt Kakitsos.

So etwa "Die Schenke" in der Dortmunder Innenstadt. Die beliebte Kneipe für Studenten verkauft ausschließlich Getränke. "Mir sind in den vergangenen sechs Wochen knapp 15.000 Euro Einnahmen entgangen", sagt Oliver Bergmann, dem "Die Schenke" seit dreieinhalb Jahren gehört. "Wenn überhaupt, halte ich noch einen Monat durch."

"Es geht um die Existenz"

Auch wenn der Laden schrittweise geöffnet werden dürfe, sei die langfristige Überlegung, ob das noch aufzuholen sei. Die staatliche Soforthilfe von 9.000 Euro reiche bei weitem nicht aus - denn Pacht und Steuern stünden an, auch wenn kein Cent an Einnahmen fließe.

Viele kleine Kneipen denken sich in dieser Zeit kreative Lösungen aus, um Stammgäste bei Laune zu halten. "Seit Ostern verkaufe ich einmal in der Woche Schnapsflaschen und selbstgemachte Marmelade, denn ich habe ja Zeit", erzählt Bergmann.

Die Kunden würden die Preise großzügig aufrunden und eine Spende geben. Doch viel sei das nicht. Sicherheitsrücklagen seien zwar da, aber eben keine zehntausende Euro. "Es geht um die Existenz", betont der 39-Jährige.

Gibt es bald noch Biergärten?

Auch Biergärten haben große Probleme. Saison-Biergärten müssen ihre Eingänge erst einmal geschlossen halten. "Eigentlich hätten wir über Ostern angefangen", berichtet etwa Carsten Diederich, Geschäftsführer der Gaststätte "Zur Lennemündung". Der Biergarten liegt direkt am Ruhrtal-Radweg mit Blick auf den Hengsteysee.

Eigentlich wäre es dort am Sonntag brechend voll gewesen. "Zwei Drittel der Leute wären sicherlich zu uns gekommen", so der 56-Jährige. Pro Tag kehrten normalerweise rund 300 Leute ein. Nun sitzen diese auf den Wiesen in der Nähe.

Zwar verkaufe er Essen und Trinken zum Mitnehmen - doch das reiche nur, um den Betrieb über Wasser zu halten. Sein Vorschlag: Die Wege mit Absperrband sperren, die Tische für zwei Personen öffnen und das Ganze überwachen. Nur so gebe es Arbeit für die saisonalen Mitarbeiter. Er verstehe aber auch, dass das schwierig sei. "Wir hoffen einfach, dass es bald vorbei ist. Denn sonst wird es bald keine Biergärten mehr im Sommer geben."

Ausschuss tagt am Mittwoch

Immerhin: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte den von der anhaltenden Schließung besonders betroffenen Betreibern finanzielle Unterstützung in Aussicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt pochen auf eine vorläufige Mehrwertsteuersenkung.

Auch für FDP-Chef Christian Lindner ist die Reduzierung überfällig - aber "nur eine Schmerzlinderung". "Keine Staatshilfe und keine Entlastung kann dauerhafte Schließung kompensieren", sagte Lindner der dpa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich dagegen eher zurückhaltend. Am Mittwoch werde sich der Koalitionsausschuss unter anderem mit dem Thema befassen. Derzeit gilt für Speisen und Getränke, die in einer Gaststätte verzehrt werden, eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent, bei Abholung oder Lieferung in der Regel nur sieben Prozent.

Offener Brief an die Bundesregierung

Derweil machen sich auch zahlreiche Spitzenköche wie Tim Mälzer, Gastronomiebetreiber und Handelsketten wie Metro oder Edeka öffentlich für eine schnelle Lockerung stark. Gerade die kleineren und mittleren Betriebe seien "verletzlicher als jeder Konzern", hieß es in einem offenen Brief, mit dem sich die Autoren nach Angaben des Großhandelsverbands Foodservice an die Bundesregierung wandten.

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Jede Woche der Schließung führe zu erheblichen Ausfällen und Zukunftssorgen. Es drohe eine "nie dagewesene Pleite in dieser Branche". Mit entsprechenden Regeln sei ein "achtsamer Neustart" möglich, hieß es weiter.

Darauf hoffen auch die Dortmunder Betreiber. Denn es fehlt laut "Zur Sonne"-Betreiber Kakitsos aktuell auch "ein sozialer Treffpunkt". Die Leute fragten bereits nach, wann die Kneipe wieder öffnet. Vielleicht werden sie es bald wissen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 19. April 2020 um 09:00 Uhr.